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© AFP

Country-Musikerin: Taylor Swift: Zu zahm für die Farm

Taylor Swift ist Amerikas Country-Queen. Kritikern ist die Musikerin nicht "country“ genug. Für sie ist der Aufstieg der Tochter eines millionenschweren Börsenmaklers eine Katastrophe.

Wie eine Fee schwebt Taylor Swift durch die Videos zu ihren Songs. Ihr spindeldürrer Teenagerkörper wird von hauchzarten Kleidern in Pink umflattert, sie hüpft barfuß durch Blümchenwiesen, ihre goldblonde Engelsmähne weht. Sehnsüchtig schaut sie dem Kapitän der Highschool- Football-Mannschaft hinterher oder liegt verträumt auf dem Bett eines plüschigen Mädchenzimmers und schreibt Briefe. Dazu singt sie immer wieder nur von einem: Wie es ist, als 16-jähriges Mädchen verliebt zu sein.

Das ist so ziemlich das Gegenteil dessen, was man in Amerika traditionell mit Country-Musik in Verbindung bringt. Country, da dachte man einst an das zerfurchte Gesicht von Johnny Cash, der mit seiner Reibeisenstimme von Einsamkeit und Tod, von Suff und Drogen und vom Leben im Gefängnis sang. Das ist Bruce Springsteen, der Balladen von der bitteren Armut arbeitsloser Stahlarbeiterfamilien erzählt. Das war Jimmy Rodgers, der bis zu seinem frühen Tod 1933 seiner mit TBC infizierten Lunge Klagelieder für die zerlumpten Vagabunden in den Güterwaggons des Westens abrang. Country, schreibt der Musik-Historiker Nicholas Dawidoff, sei die Musik der einfachen Leute, die von der amerikanischen Gesellschaft vergessen wurden und die in simplen Liedern ihre Geschichten erzählen.

Und doch ist im vergangenen Jahr irgendwie die 19 Jahre alte Tochter eines millionenschweren Börsenmaklers aus Pennsylvania zur Queen of Country aufgestiegen. Bei den Country Music Awards in diesem Jahr räumte sie in den Kategorien beste weibliche Stimme und beste Künstlerin ab. Ihr Album „Fearless“ wurde mit vierfachem Platin prämiert. Swift wurde vom Branchenmagazin Billboard zur Musikerin des Jahres gewählt und für ganze acht Grammys – die Oscars der Musikbranche – nominiert. Ihre Welttournee in 52 Städten war komplett ausverkauft.

Puristen wie etwa die 78 Jahre alte Country-Legende George Jones sehen indes in dem Aufstieg von Taylor Swift zur Repräsentantin ihres Genres eine Katastrophe. Nur weil Swift akustische Gitarre spiele und über die Radiosender im Hollywood der Country-Branche, Nashville, herauskam, dürfe sie sich doch noch lange nicht als „Country-Musikerin“ bezeichnen. „Sie hat unsere Identität gestohlen“, meckert Jones. „Für sie ist die Country-Musik doch nur ein beliebiges Vehikel zum Erfolg.“

Tatsächlich glänzt Taylor Swift mit einer bruchlosen Vita. Seit sie 11 Jahre alt war, schreibt und spielt sie Musik, immer unterstützt von ihren wohlhabenden Eltern. Mit 14 bekam sie einen Talentvertrag des Plattenlabels RCA. Die Familie brach die Zelte in Pennsylvania ab, verkaufte den Landsitz ebenso wie Taylors Pony und erstand eine 14-Millionen-Dollar-Villa der Nähe von Nashville. Als die kleine Prinzessin ein Jahr später ihren ersten Plattendeal bekam, brach sie die Schule ab und bekam Privatlehrer, mit deren Hilfe sie ihre Karriere und ihren Abschluss unter einen Hut bringen konnte.

Mit dem harten Leben eines Farmers im Süden, wie es beispielsweise Johnny Cash noch in seiner Kindheit erlebte, und das den Puristen zufolge unverzichtbare Zutat für authentische Country-Musik ist, hat das freilich nicht viel zu tun. Andererseits muss man Taylor Swift natürlich zugestehen, dass sie nicht die Erste ist, für die Country nur ein Pop- Genre unter anderen ist und nicht Ausdruck einer Lebensweise oder gar einer Identität. Spätestens seit den siebziger Jahren ist Countrypop ein Begriff, die Anglo-Australierin Olivia Newton John war eine der ersten Vertreterinnen des Crossovers. Die Liste derer, die den Sprung aus der traditionellen Country- Szene in den Pop-Mainstream geschafft haben, ist lang, sie reicht von Patsy Kline über Kenny Rodgers bis hin zu Shania Twain und den Dixie Chicks, ganz zu schweigen von Elvis, der immer zu seinen Country-Wurzeln stand. Manche argumentieren sogar, dass schon die erste Country-Aufnahme der Carter Family im Jahr 1927 der Sündenfall war, der entscheidende Schritt in die Verpoppung der urwüchsigen Volksmusik. Seither sei die Unterscheidung zwischen Pop und wahrhaftigem Country unsinnig.

Dennoch liegt der Erfolg von Swift unter dem Label Country der eingefleischten Country-Gemeinde schwer im Magen. Zwar besteht sie in echter Country-Manier darauf, ihre Songs selbst zu schreiben. Doch Taylor Swifts Popularität gefährdet die homogene Sozialstruktur der Country-Gemeinde. Ein den Eingefleischten sehr fremdes Publikum schleicht sich ein: weibliche Teenager. Diese Gruppe gewinnt nicht nur in den USA durch ihre Kaufkraft immer mehr an Marktmacht. Sie machten den Teenie-Vampir-Streifen Twilight groß, halfen dem Mode-Einzelhandel durch die Krise und kaufen nun die Platten von Taylor Swift. Das Phänomen Taylor Swift verkörpert für diese soziale Gruppe einen ganz neuen Typ von Idol. Verzogene Party-Girls wie Lindsay Lohan, Paris Hilton oder Britney Spears sind passé. Angesagt ist die makellose höhere Tochter, die nicht raucht und nicht trinkt, die hoch intelligent und zielstrebig ist und der eine tiefe intime Freundschaft mit einem Jungen wichtiger ist als Sex. Davon handelt jedenfalls Swifts Hit „You belong with me“ sowie mindestens ein Dutzend anderer Songs. Um dieses Image zu bewahren, bezeichnet Taylor Swift wohl auch beharrlich den „Twilight“-Star Taylor Lautner als ihren engen Freund, obwohl die Klatschpresse seit Monaten hartnäckig über eine deutlich engere Beziehung zwischen den beiden gleichnamigen Jugendlichen berichtet. Lautner selbst hat sich sogar schon dazu bekannt und jüngst in der Comedysendung Saturday Night Live dem Rapper Kanye West Prügel angedroht, weil dieser bei der MTV-Awards-Verleihung seiner Freundin einfach das Mikrofon weggeschnappt hatte. West hatte es sich nicht verkneifen können, dem Publikum kundzutun, dass Swift seiner Meinung nach den Preis nicht verdient habe.

Lautners ritterliche Verteidigung wäre gar nicht nötig gewesen, denn die Country-Prinzessin steht unter dem Schutz einer ganzen Nation. Sogar Präsident Obama nannte den Rapper West einen „jackass“ – einen Vollidioten. Doch auch wenn Swift nicht gerade nach hemdsärmeligem Cowgirl aussieht, sie ist taffer, als sie gerne erscheint. Immerhin hat sie sich gegen die gesamte Riege der harten Männer von Nashville durchgesetzt.

Sebastian Moll[New York]

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