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Bosch und Siemens sind schuld, meint Berlins Baupräsident Marcus Becker.

© Kitty Kleist-Heinrich

Berliner Baupräsident: „Wowereit hat eine Menge für die Stadt bewegt“

Marcus Becker, Präsident der Bauindustrie in Berlin und Brandenburg, über Konsequenzen aus dem Flughafendebakel.

Herr Becker, sind die Firmen zu blöd, um einen Flughafen zu bauen?

Die Gefahr ist offenbar groß, dass die Bauwirtschaft bei dem ganzen Desaster in Misskredit gerät. Aber die Baufirmen sind wirklich nicht die Schuldigen, sondern die großen Technikfirmen, die mit dem Brandschutz befasst sind.

Bosch und Siemens.

So sieht das aus. Und die Projektsteuerer vor Ort haben die Sache offenkundig nicht im Griff. Der Aufsichtsrat hat das ganze Geschehen zu kontrollieren, kann aber konkret für Mängel auf der Baustelle nicht verantwortlich gemacht werden.

Wäre es besser gelaufen, wenn das ganze Projekt von einem Unternehmen wie Hochtief durchgezogen worden wäre?

Ein großer Generalübernehmer hätte die Schnittstellenprobleme vermutlich besser gelöst. Die Vergabepraxis der öffentlichen Hand, in der Regel wird der billigste Anbieter genommen, birgt durchaus Gefahren. Neben dem Preis sollten auch Qualität und Bauverlauf eine Rolle spielen - wie das zum Beispiel bei der Sanierung der Avus der Fall war. Das Projekt wurde sogar weit vor der veranschlagten Zeit abgeschlossen. Die Projektsteuerer beim Flughafen sind dagegen überfordert.

Gilt das für beide Seiten – Auftraggeber und Auftragnehmer?

Sicher. Die Kiste ist so verfahren, dass es auf beiden Seiten viele Fehler gegeben haben muss. Immerhin haben wir noch Tegel. Doch für den Steuerzahler und viele kleine Firmen, die auf den neuen Flughafen gesetzt haben, ist die erneute Verschiebung eine Katastrophe.

Kann man noch mal bei null starten?

Das geht nicht, da muss man jetzt durch. Es gibt ja noch andere problematische Großprojekte, etwa die Oper in Hamburg und der Bahnhof in Stuttgart. Da muss man den Hintern zusammenkneifen und durch die Geschichte durchmarschieren.

Mit dem gleichen politischen Personal wie bislang?

Was ich persönlich schade finde, ist das Vorgehen der Opposition, die Köpfe fordert. Dabei haben wir es mit einem volkswirtschaftlichen Desaster zu tun, weil Milliarden versenkt werden. Ich verstehe auch nicht, was der Wechsel an der Spitze des Aufsichtsrats bringen soll.

Wowereit sollte Vorsitzender bleiben?

Was hilft es dem Flughafen, wenn Wowereit weg ist? Herr Wowereit ist 4227 Tage im Amt und hat in der Zeit eine Menge bewegt für die Stadt. Natürlich ist er als Aufsichtsratsvorsitzender für den Flughafen mit verantwortlich, aber ich würde ihn nie für das operative Geschäft verantwortlich machen. Seine Eignung als Regierender Bürgermeister sollte deshalb jetzt auch nicht infrage gestellt werden. Wichtiger ist doch, dass in Zukunft professioneller gearbeitet wird: bei der Sanierung der Charite, dem Humboldtforum und dem U-Bahn-Bau.

Ist das nicht fürchterlich für den Standort Berlin, wenn die ganze Republik über die Deppen in der Hauptstadt Witze reißt?

Der Imageschaden ist groß. Wir gelten ja als das Nehmerland in Deutschland und dürfen jetzt sicher nicht mit viel Dankbarkeit in den Geberländern im Süden rechnen. Und im Ausland wundert man sich, dass wir mit unserer berühmten Ingenieurleistung keinen Flughafen bauen können. Das ist grauenvoll.

Und wie stark schlägt das auf die Baufirmen in Berlin und Brandenburg durch?

Der Konjunkturmotor ist ganz klar der Wohnungsbau und nicht der Gewerbebau. Die Einwohnerzahl steigt kontinuierlich, und wir werden noch viele Wohnungen in Berlin bauen müssen.

Auch die Bauwirtschaft profitiert von den explodierenden Mieten.

Auf der einen Seite ist das sicherlich so. Denn die steigenden Mieten locken Investoren an, die hier Bauaufträge vergeben. Auf der anderen Seite sehe ich natürlich die multikulturelle Vielfalt, die wir auch aufgrund der relativ günstigen Mieten haben. Deshalb haben wir als Bauindustrie vorgeschlagen, in Teilen des Grundstücks eine bestimmte Mietpreisbindung vorzuschreiben. Allerdings verkauft der landeseigene Liegenschaftsfonds die Grundstücke zu Maximalpreisen – wohnungspolitische Konzepte sind da nicht so wichtig.

Wie groß sind in Ihren Reihen die Klagen über die Behörden ?

Vor allem hören wir das von den Straßenbauern. Die Koordinierung von Baumaßnahmen ist aufseiten der Ämter immer noch ein Desaster. Es ist ja nicht so, dass die Gelder zum Beispiel für die Sanierung der Straßen nicht da wären. Sie werden aber von den Bezirken oftmals nicht beim Senat abgerufen – das ist bei dem Zustand unserer Straßen unglaublich.

Chaos am Flughafen und Investitionsstau auf der Straße – wie wird 2013 für den Bau?

Wir erwarten ein minimales Wachstum. Den Infrastrukturfirmen geht es nicht gut, neben den Straßenbauern auch den Wasserbauern. Die Ufer, etwa des Landwehrkanals, müssten dringend ertüchtigt werden, doch Bund und Land können sich nicht auf die Kostenübernahme einigen.

Alles in allem bleibt aber die Beschäftigung in der Branche stabil?

Ja. Unser Problem ist der Nachwuchs. Wir sind überhaupt nicht in der Lage, den Bedarf an Azubis zu decken. Am Geld liegt es nicht, denn im dritten Lehrjahr gibt es mehr als 1000 Euro. Und wir haben einen Mindestlohn von 12,50 Euro – davon träumen viele andere Branchen. Trotzdem schaffen wir das nicht, und auch die Versuche, junge Leute aus Polen zu holen, sind misslungen.

Und nun?

Wir brauchen schlicht ein besseres Image. Zum Beispiel durch frühzeitige Präsenz in den Schulen, Aufklärung, Aufstiegsperspektiven und Werbekampagnen. Aber die Bedingungen auf der Baustelle bleiben natürlich, wie sie sind, das Wetter schreckt viele ab. Mit reichlich öffentlichen Fördermitteln haben wir hervorragende überbetriebliche Ausbildungsstellen in Berlin und Brandenburg – und trotzdem ist es schwierig, die Plätze zu besetzen. Der einzige Beruf, bei dem es zum Beispiel keine Nachwuchsprobleme gibt, ist der Tischler. Obwohl der vergleichsweise schlecht bezahlt wird.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

DER INGENIEUR

Marcus Becker, in Berlin geboren, studierte in Leipzig in den 80er Jahren Bauingenieurwesen. Nach dem Diplom begann er 1990 bei Kondor Wessels respektive deren Tochtergesellschaft Trapp in Berlin und Leipzig. Seit 2000 ist Becker Geschäftsführer der Kondor Wessels Bouw Berlin GmbH. Der 46-jährige Becker ist verheiratet und hat zwei Töchter.

DER VERBAND

Becker ist Präsident des Bauindustrieverbandes Berlin-Brandenburg, in dem sich rund 150 Firmen mit 12 000 Beschäftigten zusammen- geschlossen haben. Ferner amtiert er ebenfalls ehrenamtlich als einer von drei Vizepräsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. Das Baugewerbe ist mit 2,2 Millionen Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber hierzulande.

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