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Generation Y. Freude und Selbstverwirklichung sind ihnen wichtiger als Gehalt und Status. Sie wollen frei sein, die Welt bereisen und ihr Leben nicht komplett dem Job unterordnen. Das Aufwachsen mit Internet, Computer und Handy hat ihre Einstellung zur Anwesenheitskultur in deutschen Büros verändert. Foto: fotolia

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Wirtschaft: Digital Natives

Sie sind immer vernetzt und auf der Suche nach dem Glück. Auch im Beruf. Aufgewachsen mit Computer und Internet können sie überall arbeiten – und fordern das auch ein.

Linda L. ist 24 Jahre alt. In Magdeburg hat sie einen Bachelor in dem Fach Philosophie – Neurowissenschaften – Kognition abgeschlossen. Im Herbst möchte sie in Berlin mit einem Master beginnen. Momentan wartet sie auf die Zusage.

Über Unis und Studieninhalte hat sie sich im Internet informiert. „Ohne das Internet wüsste ich gar nicht, wie ich recherchieren sollte“, sagt Linda L. Seiten wie hochschulkompass.de oder das Hochschulranking der „Zeit“ haben ihr maßgeblich bei der Studienwahl geholfen. Auf den Webseiten der Hochschulen machte sie sich ein Bild von den Inhalten.

Linda L. ist mit dem Internet aufgewachsen. Seit 2008 hat sei ein eigenes Laptop. Mit 15 bekam sie ihr erstes Handy. Via Facebook bleibt sie mit Freunden in ganz Deutschland und Europa in Kontakt.

Laut der Wissenschaft gehört sie zu den sogenannten Digital Natives. Darunter versteht man die Generation, für die der Umgang mit Laptop und Smartphone eine Selbstverständlichkeit ist, die zu einem Großteil ein Profil bei sozialen Netzwerken wie Facebook oder Xing hat oder beim Kurzbloggingportal Twitter angemeldet ist. Die Bezeichnung stammt aus einem Artikel von Marc Prensky aus dem Jahr 2001. In „Digital Natives, Digital Immigrants“ beschreibt er eine Jugend, die umgeben ist von Computern, Videospielen und dem Internet. Die Generationen davor heißt bei ihm Digital Immigrants. Als „digitale Einwanderer“ mussten sie sich die Technik erst im Laufe ihres Lebens aneignen.

Ruth Lassalle von der Unternehmensberatung HRpepper hat sich als Psychologin und Unternehmensberaterin mit Digital Natives beschäftigt. Für sie ist der Begriff in erster Linie eine Generationenbezeichnung, so wie man bei vorherigen Jahrgängen von der „Generation Golf“ sprach. „Diese Generation der ab 1982 Geborenen ist ohne große Mängel und ohne Krisen aufgewachsen“, sagt sie. „Sie ist überwiegend vernetzt und gilt als mobil, flexibel, risikobereit und nicht sehr traditionsbewusst, wobei es hier eine weite Streuung gibt.“ Auch junge Erwachsene aus eher technikfernen Haushalten zählt sie dazu. Denn in der Schule und im sozialen Umfeld kämen auch sie mit dem Internet oder mit digitalen Präsentationstechniken in Berührung.

In einer Studie von der an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik agierenden Stiftung Neue Verantwortung und des Beratungsunternehmens Egon Zehnder untersuchte Ruth Lassalle die Werte und Vorstellungen der High Potentials dieser Generation. Sie stellt sie dem Bild gegenüber, das Personalchefs von ihnen haben. „Interessant dabei ist, dass Selbst- und Fremdwahrnehmung stark auseinander gehen“, sagt Ruth Lassalle. Während die Personaler meinen, dass die junge Generation besonders risikofreudig und individualistisch sei, schätzt sie sich selber vor allem als sehr diszipliniert ein. Was sie motiviert, sei die Freude an der Arbeit. Die jungen Leute streben im Job nach Selbstverwirklichung und wollen etwas Sinnvolles tun. Gehalt und Status seien zweitrangig.

„Für die Praxis bedeutet das, dass Personaler umdenken müssen“, sagt Ruth Lassalle. Die aufgrund des Fachkräftemangels heiß umworbene Gruppe dürfe nicht als zu homogen wahrgenommen werden. „Auch hier gibt es junge Menschen, die eher konservativ denken und sich langfristig an ein Unternehmen binden wollen“, weiß die Unternehmensberaterin. Die Firmen sollten bei der Suche nach neuen Mitarbeitern authentisch bleiben. Wer sich auf seiner Facebook-Seite lässig und offen gebe, der sollte Interessenten später nicht mit hierarchischen und konservativen Unternehmensstrukturen überraschen.

Ruth Lassalle vermutet, dass die Digital Natives im Laufe ihres Lebens häufiger den Job wechseln werden als ihre Eltern. „Schon jetzt treten Berufsanfänger in bestimmten Bereichen, zum Beispiel in der Medizin, bei Einstellungsgesprächen fordernder auf“, weiß sie. Die Kunst in der Personalführung liege dann darin, diese Generation mit den „alten Hasen“ in einem Team zusammenzubringen - „eine Herausforderung, die sich allerdings bei jedem Generationenwechsel stellt“.

Linda L. möchte – abhängig von ihrem Master – später einmal in der neurologischen Forschung oder im therapeutischen Bereich arbeiten. Was sie von ihrem Job erwartet? „Mir geht es geht es vorrangig um Inhalte. Ich möchte nah am Menschen arbeiten und etwas Sinnvolles tun“, sagt sie. Erste studieninterne Praktika hat sie bereits im Krankenhaus absolviert. „Menschen nach einer schweren Operation psychologisch beizustehen, wäre zum Beispiel etwas für mich", sagt sie.

Auf der Suche nach Praktika sind auch unkonventionelle Wege erlaubt, meint Berufsberaterin Petra Ruthven-Murray von der Kreuzberger Agentur Plan Z. Persönliche Kontakte lassen sich besonders über das nationale Business-Netzwerk Xing oder die internationale Plattform LikedIn herstellen. „Praktikumsbörsen von Handelskammern und Hochschulen geben einen guten Überblick. Aber auch auf Unternehmensseiten wird man fündig. Dafür lohnt es sich, einfach mal die Gelben Seiten online durchzuklicken“, rät Petra Ruthven-Murray.

In die Berufsberatung von Plan Z kommen besonders Abiturienten, die nicht wissen, was sie studieren und welchen Beruf sie später ergreifen sollen. In der Eingangsdiagnostik stellt Petra Ruthven-Murray die Stärken und Interessen ihrer Klienten fest. Am Ende des Gesprächs geht es auch darum, welches die richtige Uni ist. „Das ist zum einen abhängig vom Numerus Clausus, aber auch eine Typfrage: Lerne ich beispielsweise besser an einer anonymen Universität oder an einer überschaubaren Fachhochschule?“, sagt Petra Ruthven-Murray.

Denis Buss ist heute 35 Jahre alt und leitet die Einstieg Studien- und Berufsberatung in Köln. Als er sich vor gut 15 Jahren nach einem Studienplatz umsah, setzte er sich in den Zug und fuhr quer durch Deutschland. Er sah sich verschiedene Hochschulen an und suchte sich die für ihn relevanten Informationen zusammen. „Da haben es die Digital Natives heute leichter. Das Internet bietet sehr viele Informationen, die vorherigen Generationen in dieser komprimierten Form nicht zur Verfügung standen“, sagt er.

Das macht die Berufswahl aber nicht leichter. „Was die Generation der jetzigen Berufsanfänger eint, ist das Problem, sich zu entscheiden“, sagt Denis Buss. „Das Angebot ist größer geworden, es gibt so viele verschiedene Wege in den Beruf.“ Was seiner Ansicht nach bei der Entscheidungsfindung trotz Facebook und Co. wichtig sei, sind persönliche Eindrücke und Erfahrungen: „Ein Gespräch mit einem Absolventen des angestrebten Studiengangs oder mit einem Professor kann das Internet nicht ersetzen.“

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