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Immobilien: Neue Denkgebäude hinter alten Industriemauern Die alte Ufa-Zentrale und eine Zigarettenfabrik werden für Internetunternehmen hergerichtet

Was für Räume! Riesig wirken die Säle im gut hundert Jahre alten Gewerbekomplex in der Krausenstraße 38/39 in Berlin-Mitte.

Was für Räume! Riesig wirken die Säle im gut hundert Jahre alten Gewerbekomplex in der Krausenstraße 38/39 in Berlin-Mitte. Gewiss, es tropft Wasser von der Decke, beim Herumgehen muss man auf die Löcher im Fußboden achten, und die Wände sind mit Graffiti verunstaltet. Und doch braucht es nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, wie repräsentativ die über vier Meter hohen Räume nach der Sanierung wirken werden.

Im August will die Berliner Klingsöhr- Unternehmensgruppe mit der Sanierung der Krausenhöfe beginnen – und damit einem imposanten Baudenkmal neues Leben einhauchen. In den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts diente das 1910 errichtete Gewerbegebäude als Zentrale der Universum Film AG (Ufa). Nach dem Zweiten Weltkrieg residierten die Defa, die Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR und zuletzt das Landesdenkmalamt Berlin in dem Objekt. Nach jahrelangem Leerstand hat es nun ein britischer Privatinvestor von einer Gesellschaft der Commerzbank erworben; die Klingsöhr-Unternehmensgruppe saniert es im Auftrag dieses Investors. 20 bis 25 Millionen Euro sollen dafür ausgegeben werden.

Anders als bei vielen ähnlichen Sanierungsvorhaben entstehen in der Krausenstraße, nur wenige hundert Meter vom Checkpoint Charlie entfernt, nicht Wohnungen, sondern Büros. Dabei hat Firmenchef Stefan Klingsöhr vor allem eine Zielgruppe im Auge: junge, internetaffine Unternehmen. Die nämlich, hat der Immobilienunternehmer herausgefunden, sind ganz scharf auf Bürolofts in historischen Gemäuern.

Dass das keine leere Behauptung ist, zeigt sich bei einer anderen alten Gewerbeimmobilie: einer einstigen Zigarettenfabrik in der Greifswalder Straße 212 in Prenzlauer Berg, die ebenfalls von der Klingsöhr-Unternehmensgruppe betreut wird. Größter Mieter ist hier mit 3500 Quadratmetern der stark expandierende Online-Möbelhändler Home24.de. Im ersten Obergeschoss eingemietet hat sich die Searchmetrics GmbH, die auf die Optimierung von Suchmaschinen spezialisiert ist. Schick gestylte Lobby, Großraumbüros, ein eigener Fitnessraum – nichts fehlt, was sich Mitarbeiter von Internetunternehmen wünschen.

Weil das bereits vor einigen Jahren sanierte Vorderhaus mittlerweile voll belegt ist, haben jetzt die Umbauarbeiten am hinteren Gebäudeteil begonnen. Dort kann man gut die typische Gewerbearchitektur mit den verklinkerten Fassaden erkennen. Ab 1914 war hier die Zigarettenfabrik Mahala-Problem angesiedelt, die dann 1930 von Reemtsma übernommen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg schneiderte der VEB Textilbetrieb Fortschritt im Gewerbehof Anzüge, und nach der Wende wurde das Gebäude vor allem dank dem bis 2010 hier ansässigen Magnet-Club bekannt.

So groß ist die Nachfrage, dass von den 6000 Quadratmetern Bürofläche, die im zweiten Bauabschnitt entstehen, bereits 80 Prozent vermietet sind – und dies, obwohl die Mieter erst im Frühjahr 2013 einziehen können. Die monatliche Quadratmetermiete beträgt nach Angaben der Klingsöhr-Unternehmensgruppe gut 15 Euro – deutlich mehr als die rund 12 Euro, die Büros im Berliner Durchschnitt kosten. „Solche historischen Gebäude bieten eine Haptik und eine Identifikation, die im Vergleich zum Neubau viel besser ist“, begründet dies Stefan Klingsöhr – und das wissen nach seinen Worten eben besonders Internetunternehmen mit ihren meist sehr jungen Mitarbeitern zu schätzen.

Diese Gruppe hat auf dem Berliner Büromarkt in letzter Zeit stark an Bedeutung gewonnen. Nach Angaben des Maklerhauses CBRE war der Bereich Neue Medien/Internet im ersten Quartal dieses Jahres die zweitgrößte Kundengruppe der Gewerbeimmobilienmakler, geschlagen nur knapp vom Bereich Soziales/Gesundheit. „Insbesondere Unternehmen aus der Branche der Neuen Medien zeigen sich von wieder besseren Wachstumsprognosen überzeugt“, bestätigt Jan Hübler, Leiter Bürovermietung beim Maklerunternehmen Jones Lang LaSalle in Berlin.

Allerdings zieht es diese Nutzergruppe nicht ausschließlich in alte Gebäude. „Das hängt vom Unternehmen ab“, sagt Hübler. Jesta Digital zum Beispiel (der Nachfolger des Klingeltöneanbieters Jamba) entschied sich für den Neubau „Die Welle“ am Alexanderplatz, und der Internethändler Amazon unterzeichnete einen Mietvertrag für das Domaquarée, also ebenfalls ein Gebäude ohne lange Geschichte.

Egal ob altes oder neues Gebäude – in einem Punkt sind junge Internetunternehmen für Vermieter nicht die einfachsten Kunden, wie Hübler erläutert: „In guten Zeiten wachsen sie schnell, in schlechten Zeiten verkleinern sie sich schnell.“ Deshalb seien sie in der Regel nicht bereit, die von Vermietern und ihren Banken gewünschten langfristigen Mietverträge über fünf oder zehn Jahre zu unterzeichnen. Die Lösung: Meist erhalten sie ein Sonderkündigungsrecht nach drei Jahren; wenn sie dieses allerdings wahrnehmen, müssen sie dem Vermieter eine Entschädigung zahlen.

Dabei sind viele der alten Gewerbegebäude räumlich sehr flexibel und damit für die Bedürfnisse junger Internetfirmen gut geeignet. Die Krausenhöfe zum Beispiel bieten die Möglichkeit, pro Etage rund 2000 Quadratmeter an einen Nutzer zu vermieten oder aber vier Teilflächen ab 470 Quadratmeter zu schaffen. Nur eine Frage ist noch offen: ob in den Krausenhöfen eine Tiefgarage entstehen soll. Junge Internetfirmen haben nämlich andere Bedürfnisse: In der Greifswalder Straße machte ein Mietinteressent klar, dass er zwar kaum Autoparkplätze, dafür aber 150 Fahrradstellplätze braucht.

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