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Was Kunden freut, ärgert viele Sparkassen. Jetzt kündigen sie auch Altverträge, die weder die komplette Bausparsumme erreicht haben noch überzahlt sind.

© LBS

Teure Bausparkunden: Bausparkasse kündigt Altverträge bei Zuteilungsreife

Kunden der LBS Nord sollen nach zehn Jahren Geld abrufen oder neuen Vertrag unterschreiben.

Bausparen kann für Sparer lukrativ sein – vor allem, wenn sie ältere Verträge ihr Eigen nennen: Die Zinsen sind häufig höher, als aktuell auf Spar- und anderen Konten bezahlt wird. Was Sparer freut, ärgert hingegen viele Sparkassen und Banken. Eine große Zahl der Institute ist dazu übergegangen, den Altkunden einen Wechsel in andere Vertragsverhältnisse vorzuschlagen. Ersatzweise wird mit Kündigung gedroht. Das betraf in der Vergangenheit Bausparkonten, auf denen sich die ausgehandelte Bausparsumme durch Ansparung vollzählig angesammelt hatte.

Kündigungen dieser Verträge sind zwar nach Einschätzung vieler Verbraucherzentralen rechtlich umstritten, andererseits aber auch verständlich: Schließlich hat sich in diesen Fällen der Vertragszweck erledigt (Der Tagesspiegel berichtete in seiner Ausgabe vom 21. September). Was öffentlich indessen noch nicht bekannt wurde, ist die Kündigung von Altverträgen, die zwar zuteilungsreif sind, aber weder die komplette Bausparsumme erreicht haben noch überzahlt sind.

Ein Fall aus Berlin zeigt, dass dies ein weiterer Dreh von Bausparkassen werden könnte, sich ihrer zwar treuen, aber auch teuren alten Bausparkunden zu entledigen: Wolfgang Nestor hatte im Dezember 1984 bei der Landesbausparkasse Berlin einen Bausparvertrag über 55 000 DM abgeschlossen. Die Konditionen: Ein monatlicher Bausparbeitrag in Höhe von gut 200 DM wurde vereinbart, dafür gab es bis dato einen Sparzins in Höhe von drei Prozent. Es wurde ein Darlehenszins in Höhe von fünf Prozent festgeschrieben.

2012 kassierte Nestor Guthabenzinsen für das gesamte Jahr in Höhe von gut 600 Euro; sein Anspargrad lag zu diesem Zeitpunkt bei gut 77 Prozent. Das wird uns alles viel zu viel, dachte sich wohl die LBS und schrieb Wolfgang Nestor Mitte dieses Jahres einen Brief. „Das Sparziel Ihres LBS-Bausparkontos haben Sie vor mehr als zehn Jahren erreicht. (…). Machen Sie jetzt das Beste daraus!“, schrieb die Kasse, und vor dem Lesen der nächsten Absätze musste Nestor unwillkürlich denken: Besser kann es doch aber gar nicht kommen.

Aber schlechter: „Bitte teilen Sie uns bis zum (…) auf der beigefügten Erklärung mit, für welche Möglichkeit Sie sich entschieden haben.“ Die LBS Nord hatte Nestor die sofortige Auszahlung seines Bausparguthabens oder die Übertragung des Vertrages in den guthabenzinstechnisch schlechteren LBS-Classic-Tarif zur Wahl gestellt. Alternativlos endete der Brief ultimativ, aber mit freundlichen Grüßen: „Liegt uns bis dahin keine entsprechende Erklärung vor, sind wir gemäß § 489 Abs.1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch berechtigt, Ihren Vertrag ordentlich zu kündigen.“ Es kam, wie es kommen musste. Nestor beschwerte sich telefonisch bei der LBS, dachte nicht daran, schlechtere Konditionen zu unterschreiben und bekam prompt die Kündigung. Das Vorgehen der LBS Nord nennt er „skrupellos“.

Solange der Vertragszweck nicht erfüllt ist, darf nicht gekündigt werden

Monika Grave, Pressesprecherin der LBS Norddeutsche Landesbausparkasse Berlin-Hannover, bestätigte den Vorgang auf Anfrage: „Die LBS Nord hat mit der Kündigung von Verträgen, die mehr als zehn Jahre zuteilungsreif sind und bei denen die Kunden die Zuteilung nicht angenommen haben, zwischenzeitlich eine weitere Maßnahme eingeleitet.“ Ihr Unternehmen halte es für „rechtlich gesichert“, den Bausparvertrag nach Ablauf dieses Zeitraums zu kündigen und verwies auf die BGB-Paragrafen 488 („Vertragstypische Pflichten beim Darlehensvertrag“) und 489 („Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers“). Schließlich habe sich der Kunde nicht für eine konkrete Verwendung seines Bausparvertrages entschieden. Die LBS Nord könne als Darlehensnehmerin den Bausparvertrag – erstmals – zehn Jahre nach dem erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife mit einer Frist von sechs Monaten kündigen, schreibt Grave.

„Kann sie nicht“, sagt auf Anfrage Markus Feck, in der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen (Düsseldorf) zuständig für Bankrecht. „Ich halte die Kündigung nach nicht angenommener Zuteilung ohne vollständige Besparung der Bausparsumme nicht für zulässig.“ Schließlich habe der Kunde Wolfgang Nestor noch Gelegenheit, ein Darlehen in Anspruch zu nehmen.

Er empfiehlt, gegen Kündigungen dieser Art vorzugehen. Denn der Beschluss des Oberlandesgerichtes Stuttgart unter dem Aktenzeichen 9U 151/11 zu den Kündigungsrechten von Bausparkassen gelte auch im Umkehrschluss: Wenn – wie vom OLG Stuttgart beschlossen – in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang der Bausparsumme unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt werden könne, bedeute das auch, dass noch nicht gekündigt werden könne, wenn die Summe noch nicht komplett angespart sei. „Solange der Vertragszweck noch nicht erfüllt ist, darf auch nicht gekündigt werden“, sagt Feck.

Die Bausparkasse Schwäbisch Hall erklärte auf Anfrage: „Alle SchwäbischHall-Kunden können ihren Vertrag bis zu 100 Prozent besparen.“ So deutlich wollte die Wüstenrot & Württembergische AG auf Anfrage dieser Zeitung nicht werden und teilt mit: „Wenn der Kunde im Fall der Zuteilungsreife die ihm zustehende Option wählt, die Zuteilung des Bauspardarlehens zunächst nicht anzunehmen, erhält er dann im weiteren Vertragsverlauf immer wieder eine Information über seinen Vertragsstatus und die resultierenden Handlungsoptionen.“ Fortsetzung folgt.

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