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Umweltskandal: Millionenklage gegen Berliner Gewobag

Das Tochterunternehmen Gewobag EB wurde bereits wegen arglistiger Täuschung vom Bundesgerichtshof verurteilt. Berliner wurden beim Kauf von Eigentumswohnungen in Reinickendorf nicht über Altlasten des Grundstückes informiert. Am Dienstag verhandelt das Landgericht den Fall erneut. Es geht um viele Millionen Euro.

Für Zehntausende prozessierende Anleger steht seit langem fest, dass das Land Berlin in der Vergangenheit kein zuverlässiger Geschäftspartner ist. Die Anleger investierten in die Fonds der Landesbank Berlin oder Berlins sozialen Wohnungsbau. Seit einigen Tagen ist nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) auch klar: Wohnungskäufer im Berliner Bezirk Reinickendorf sind Opfer einer "arglistigen Täuschung" einer Tochter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag geworden.

Einer von ihnen ist Hans-Gerd Heyne. Der 66-jährige Rentner hatte 1999 eine Wohnung von der Gewobag-Tochter Gewobag EB in der Stockumer Straße als Alterssitz erworben. Von der öffentlichen Hand zu kaufen, dachte Heyne damals, sichere einen fairen Preis und einen zuverlässigen Partner. Doch Heynes Traum vom Wohnidyll brach Ende 2002 zusammen. Damals erfuhr er, dass die Anlage, auf der sich seine Wohnung befindet, auf dem ehemaligen Gelände des Gaskraftwerks Tegel liegt. Solche Areale sind normalerweise vom Boden bis zum Grundwasser kontaminiert. Die Wohnanlage in Tegel war keine Ausnahme.

"Altlastenfläche 13" - völlig verseuchtes Baugelände

Das Gelände wird im Vermessungsamt als "Altlastenfläche 13" geführt. Laut einer Reihe von Gutachten überschreiten die Schadstoffmengen vielerorts die einschlägigen Richtwerte. Das betrifft vor allem die hochgiftigen polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) sowie auch giftige Stoffe wie Blei, Quecksilber oder Arsen.

Heyne war empört und geschockt. Nicht nur, weil die Belastung beim Kauf seiner Wohnung verschwiegen worden war, sondern weil er für die Boden- und Grundwassersanierung haften sollte. Für den Rentner wäre das der Ruin. "Solche Forderungen würde ich und wahrscheinlich auch kein anderer hier in der Anlage finanziell überstehen", meint Heyne. Damit begann eine juristische Odyssee.

Mitarbeiterin des Umweltamtes deckte Skandal auf

Dass die Bewohner der Anlage überhaupt von der Verseuchung erfuhren, verdanken sie einer Mitarbeiterin des Umweltamtes in Reinickendorf. Im Zusammenhang mit einer Ermittlung gegen Manager der Gewobag und ihrer Tochterfirma sagte sie gegenüber der Staatsanwaltschaft aus. Schon im März 1999 sei ihr ein Schild der Gewobag EB zum Verkauf von Eigentumswohnungen auf der kontaminierten Fläche aufgefallen. Sie habe sich damals gefragt, wer eine Wohnung auf verseuchten Boden erwerben wolle.

Sie schrieb den Käufern. Daraufhin stellte sie fest, dass die Käufer von der Verseuchung nichts wussten. Als sie die Gewobag EB darauf hinwies, behauptete die Geschäftsführung, nichts von der Verseuchung gewusst zu haben. Das Unternehmen verwies auf den Kaufvertrag, mit dem sie die Immobilie vom Mutterkonzern erworben hat. In der Tat stand dort nichts von Verseuchung.

Eine erstaunliche Tatsache. Denn die Gewobag EB ist eine hundertprozentige Tochter der Gewobag und sitzt im Hauptgebäude des Mutterkonzerns. Führende Mitarbeiter hatten sogar gleichzeitig Stellen in beiden Unternehmen inne. Warum wird bei einem Geschäft in zweistelliger Millionenhöhe nicht kontrolliert, ob die Immobilien unbelastet sind? Zumindest kann die fehlende Kontrolle als höchst ungewöhnlich gelten.

Bundesgerichtshof: Arglistige Täuschung

Heyne witterte dahinter Betrug: "Dadurch wollen sich das Land Berlin und dessen Wohnungsbaugesellschaft Gewobag klammheimlich aus der Haftung für eine Boden- und Grundwassersanierung stehlen. Dafür stehen die Gewobag EB, die sowieso als GmbH kaum Geld hat, und die Eigentümer - nämlich wir - heute gerade."

Heyne schloss sich mit anderen Käufern zusammen und klagte auf eine Rückabwicklung der Wohnungskäufe. In den vergangenen fünf Jahren haben sie sich mit dieser Forderung bereits in Prozessen vor dem Berliner Land- und Kammergericht durchgesetzt. Die Gerichte stellten anhand einer Reihe von Unterlagen fest, dass Gewobag und Gewobag EB über die Bodenverseuchung lange vor den Verkäufen bestens informiert waren.

Die Kläger seien arglistig getäuscht worden, waren alle beteiligten Richter einig. Bei Heyne und einem anderen Käufer prozessierte die städtische Wohnungsbaugesellschaftstochter bis zum BGH. In seinem ersten Urteil Ende 2007 bestätigte dieser das Urteil der anderen Gerichte. Auch hier machte die Gewobag EB nicht halt und reichte Beschwerde ein. Auch diese wurde Ende Februar abgeschmettert.

Fondsgesellschaft klagt auf einen Schadensersatz von 43 Millionen Euro

Die bisherigen Prozesse waren für die Gewobag unter finanziellen Gesichtspunkten harmlos. Ein ganz anderes Kaliber dagegen haben weiter anhängige Klagen. Das Unternehmen hatte zwei Wohnkomplexe auf dem Gelände als Fonds vermarktet. Die Zeichner dieser Fonds klagen jetzt ebenfalls gegen die Gewobag . Auch sie waren über die Verseuchung der Grundstücke aufgeklärt worden.

Laut Christian Naundorf aus der Kanzlei Schirp, Schmidt-Morsbach, Apel, der rund 200 Anleger der Fonds vertritt, geht es insgesamt um einen Schadenersatz von rund 43 Millionen Euro. "Wir haben einen unabhängigen auswärtigen Sachverständigen zunächst die alten Gutachten und Akten auswerten lassen. Er kam zu dem Schluss, dass der Altlastenverdacht nicht ordnungsgemäß ausgeräumt wurde. Aufgrund eigener Probenahmen im Februar 2008 stellte er nunmehr auf dem Grundstück noch immer flächenhaft verteilte Schadstoffbelastungen oberhalb der Eingreif- und Gefahrenwerte fest", sagte Naundorf.

Das erste Urteil im Fondsprozess wird am kommenden Dienstag vom Landgericht Berlin verkündet. Die Gewobag und Gewobag EB wollten aufgrund der laufenden Gerichtsverfahren keine Stellungnahme abgeben. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz war nicht erreichbar.

Mathew D. Rose[ddp]

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