zum Hauptinhalt
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD, rechts) begrüßt Stephan Abel (Vize-Präsident DOSB, links) und Eric Schweitzer (Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Berlin, Mitte)

© dpa

Jan Eder (IHK) Im Interview: „Olympia kann uns mental einen Schub geben“

Feinstes wurde aufgetischt, als fünf Wirtschaftsverbände - darunter auch die Berliner IHK - Funktionäre des DOSB ins Bode-Museum luden. Im Interview erklärt Jan Eder von der IHK, warum der Termin so kurzfristig bekannt gegeben wurde, warum er Olympia will und warum auch die Berliner die Spiele wollen sollten.

Wolfsbarsch mit Schwarzwurzeln, Duo vom flämischen Rehrücken, geflammte Apfeltarte mit Butterkekseis komplettierte den Dreisprung am Montagabend im Unesco-geschützten Bode-Museum. Unter den 80 Gästen waren Funktionäre des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die am 21. März 2015 entscheiden sollen, ob Hamburg oder Berlin für Deutschland um die Olympischen und Paralympischen Spiele 2024 oder 2028 ins Rennen geht. Die Rechnung übernehmen die Gastgeber, fünf führende Wirtschaftsverbände Berlins: die Industrie- und Handelskammer (IHK), die Handwerkskammer, der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) und die Standortförderagentur Berlin Partner. Der Tagesspiegel sprach mit IHK-Hauptgeschäftsführer Jan Eder über den Sinn der Veranstaltung und den der Spiele generell.

Herr Eder, warum ist es nötig, dass ausgerechnet die Wirtschaft Sport und Politik zusammenbringt?
Wir fünf Verbände haben dazu eingeladen, weil wir denen, die im März abstimmen, vermitteln wollen, wie groß die Zustimmung in der Berliner Bevölkerung ist. Schließlich repräsentiert die Wirtschaft – wenn man die vielen Beschäftigten der Unternehmen einbezieht – den größten Teil der Bevölkerung. Wir wollen unseren Gästen vor Augen führen, was diese Stadt infrastrukturell, sportlich, aber auch kulturell alles zu bieten hat. Das Echo auf die Einladung war hervorragend. Uns wurde auch gesagt, dass man auf so ein Signal aus Berlin gewartet hat.

Wer bezahlt diesen Abend im Museum?
Unsere fünf Wirtschaftsorganisationen teilen sich die Rechnung auf.

Warum haben Sie den Termin vorab erst kurz vorher kommuniziert? Aus Angst vor kritischer Öffentlichkeit?
Nein, die Veranstaltung richtet sich an eine spezielle Gruppe – und nicht an die Öffentlichkeit. Unsere Botschaft braucht keine Streuverluste. Die Veranstaltung soll bei den Menschen wirken, die am Ende für Berlin oder für Hamburg stimmen. Da ist man gut beraten, nicht alles vorher an die große Glocke zu hängen. Mancher Gast hätte sich auch düpiert fühlen können, wenn er vorher alles in der Zeitung gelesen hätte, was wir ihm am Abend ja erst noch persönlich sagen wollten.

Sie und die vier anderen Verbandschefs haben „Wir-wollen-die-Spiele“-Flaggen vor dem Ludwig-Erhard-Haus gehisst. Warum ist es wichtig, dass Sie Flagge zeigen?
Ich hoffe und gehe davon aus, dass die noch eine ganze Weile vor unserem Haus wehen. Im Ernst: Wir zeigen gemeinsam Flagge, weil Olympia aus mindestens drei zentralen Gründen wichtig für uns ist. Zum einen wegen der Infrastruktur: Die operativen Kosten der Spiele werden zwar letztlich vom IOC getragen, aber nötig sind natürlich hohe Investitionen in die Infrastruktur. Dieses Thema ist seit jeher wichtig für die Wirtschaft. Wir Berliner hätten die Chance, mit eigenem Geld und übrigens auch mit Bundesmitteln, zu überlegen, wie unsere Stadt für die kommenden Jahrzehnte gestaltet werden soll. Zum zweiten würden wir international noch mehr Aufmerksamkeit gewinnen, wir bekämen zusätzliche Touristen – wenn auch nicht in dem Jahr der Spiele selbst, aber in den Folgejahren. Das konnte man nach 2012 in London oder nach der Fußball-WM 2006 auch hierzulande erleben.

Und drittens…
…täte so ein großes Ziel unserer Stadtgemeinschaft gut! Wir Berliner könnten für die Olympischen Spiele und deren Ideale einstehen. Das kann uns mental einen echten Schub geben. Auch hier sei an die WM erinnert: Die hat bei uns Berlinern dauerhaft einen Schalter umgelegt, davon bin ich bis heute überzeugt.

Kritiker sagen, es gehe nur ums Geschäft. Olympia könne auch noch schneller steigende Mieten bedeuten und würde nur Unruhe in die Kieze bringen.
Ich finde, man muss sich ernsthaft und seriös mit dieser Kritik auseinandersetzen. Das ist Politik: der Kampf um den richtigen Weg. Ich finde: Wir sind eine Weltmetropole. Ich finde: Hier kann und soll es unruhig sein. Ich finde: Wir sollen uns entwickeln und weiterhin die jungen Menschen der Welt anziehen. Wer es ruhig haben will, sollte überlegen, aufs Land oder an den Rand der Stadt zu ziehen.

Aber wenn Olympia-Gegener sagen, die Stadt habe kein Geld, ist das doch ein Punkt, oder?
Richtig, wir haben wenig Geld. Aber immerhin etwas mehr als vor Jahren. Auch das hat ganz nebenbei etwas mit Wirtschaft zu tun. Dann wird ja auch immer gesagt, man solle das wenige Geld für Schulen und Straßensanierung ausgeben. Da sage ich: Das ist keine Alternative, sondern etwas Zusätzliches. Olympia treibt die Bautätigkeit und die Konjunktur an, das generiert zusätzliche Steuereinnahmen in der Stadt. Investitionen in die Spiele bringen auch den Schulen und Straßen etwas. Wer das nicht versteht, den lade ich ein, nach London zu blicken.

Was kann man da lernen?
Ich war zwei Jahre vor den Spielen 2012 im East End. Man kann sich heute nicht mehr vorstellen, wie es dort damals aussah. Jetzt ist dort ein neu belebter Stadtteil entstanden. London hatte also einen ganz klaren Plan, einen sehr nachhaltigen übrigens. Alle, die sagen, Olympia bringt die Stadt durcheinander und zersiedelt sie, der sollte dort mal hinfahren.

Dass Hotels und der Handel von Spielen profitieren, leuchtet jedem ein. Aber was hätte die Industrie davon?
Die Bauindustrie kann natürlich profitieren, die anderen Branchen wohl nur mittelbar. Aber wenn sich die Aufmerksamkeit auf Berlin richtet, werden auch Berlins Unternehmen leichter von Investoren entdeckt. Speziell für den Technologie-, Forschungs- und Industriepark Tegel, der dann bis 2024 oder 28 errichtet ist, würde die unmittelbare Nachbarschaft zu den Sportstätten sehr fruchtbar sein. Aber ich mache mir auch keine Illusionen: Die Zeit vor den Spielen könnte durchaus schwierig werden.

Wieso?
Es kostet zunächst Geld, man hat viele Baustellen. In London war die Stimmung im Jahr vor den Spielen ziemlich am Boden. Die Londoner mussten eine Olympic Tax zahlen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, was in Berlin oder wohl auch in Hamburg los wäre, wenn hier so eine Sondersteuer eingeführt würde.

Klingt in der Tat nicht motivierend.
Stimmt. Aber ich erinnere mich gut an ein Gespräch mit dem ehemaligen Londoner Bürgermeister Ken Livingston und den Organisatoren der Spiele dort. Die sagten: International gibt es keine andere Stadt, die so sehr für Jugendlichkeit und Nachhaltigkeit, für die Green Economy steht, wie Berlin. Ihr müsst Euch bewerben! Tatsächlich sind Image und das Konzept, über das übrigens viel zu wenig geredet wird, doch entscheidend im internationalen Wettbewerb – jedenfalls viel wichtiger als ein paar Prozent mehr oder weniger Zustimmung in einer Telefonumfrage. Wenn man sich das klar macht, kann es eigentlich nur einen Sieger in Deutschland geben. Und der wird es gegen internationale Konkurrenz schon noch schwer genug haben.

Es fällt auf, dass vor allem landeseigene Unternehmen wie die BVG sich an der Olympia-Werbekampagne beteiligen. Warum tun sich Privatfirmen damit so schwer?
Ganz so ist es ja nicht. Die Unterschriftenaktion von unseren Partnerverbänden und uns war sehr erfolgreich, da haben Chefs wie Sekretärinnen gleichermaßen mitgemacht. Viele Unternehmer haben auch das „Wir wollen die Spiele“ ans Ende Ihrer E-Mails gehängt. Nur großes Geld für Werbung auszugeben, das ist schwierig: Natürlich ist die Hamburger Wirtschaft reicher. Noch jedenfalls. Man kann dort vielleicht etwas lässiger sagen: Wir übernehmen die gesamten Bewerbungskosten. Aber die sind bekanntlich der kleinste Teil. Wenn der deutsche Zuschlag einmal erteilt ist, dann stehen auch die Deutschen Konzerne von internationalem Rang bereit, die nationale Bewerbung voll zu unterstützten.

Angenommen, Berlins Bewerbung scheitert,…
…was durchaus passieren kann. Dann würden wir Hamburg unterstützen, so wie Hamburg uns hoffentlich auch.

Welche andere Idee haben Sie für den Fall? Woran sonst kann sich Berlin mittel- und langfristig aufrichten?
Gute Frage, um die wir uns als IHK unabhängig von Olympia in diesem Jahr kümmern wollen. Berlin braucht tatsächlich eine erneuerte Vision. Das ist das Thema, das wir von Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur immer wieder gespiegelt bekommen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false