zum Hauptinhalt
Auszeit. Experten raten, sich Entschleunigungsoasen zu schaffen und Erholungsphasen zu gönnen, in denen man seine Kräfte regenerieren kann, wenn man einem Burnout vorbeugen will. Das ist oft leichter gesagt als getan. Foto: dpa

© dpa

SEMINARE UND LITERATUR: Ohne Burnout durchs Arbeitsleben Abschalten lernen

Psychische Belastungen im Büro haben zugenommen – und damit auch die Fälle von Burnout. Damit es gar nicht erst so weit kommt, können Arbeitnehmer Kurse und Workshops besuchen – eine Übersicht.

WEITERBILDUNGEN

Volkshochschulen

bieten regelmäßig Kurse an. In Berlin startet etwa am 5. März an der VHS Reinickendorf das Seminar „Die Seele stärken – achtsamkeitsbasierte Selbsthilfe zur Burnout-Prävention“. Es umfasst 16 Unterrichtseinheiten, die Teilnahme kostet 53 Euro. Infos unter www.vhsit.berlin.de/ VHSKURSE/BusinessPages/CourseDetail.aspx?id=328406

Und an der VHS Friedrichshain-Kreuzberg startet am 21. Februar der Kurs „Burnout vermeiden: Beruf und Familie in Balance.“ Der Kurs richtet sich an berufstätige Frauen und kombiniert Wissensvermittlung, Erfahrungsaustausch und Persönlichkeitsanalyse. Die Teilnahme kostet 58 Euro. Informationen unter www.vhsit.berlin.de/VHSKURSE/BusinessPages/CourseDetail.aspx?id=334896

Auch die Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement bietet ein Seminar zur „Burnout-Prophylaxe“ an. Das nächste beginnt am 4. Februar. Es richtet sich insbesondere an Führungskräfte und wird auch als Inhouse-Schulung angeboten. Die Teilnahme kostet 1411, 36 Euro (inkl. Mehrwertsteuer). Omfos www.managerseminare.de/Datenbanken_Seminare/Burnout-Prophylaxe-Burnout-Gefahren-erkennen-und-vermeiden-Zertifikat,828983

LITERATUR

„Top im Job - Ohne Burnout durchs Arbeitsleben“,

Dagmar Ruhwandl, Klett-Cotta (2010), 16,95 Euro.

„Zwanghaft zerstreut oder Die Unfähigkeit, aufmerksam zu sein“, Edward Hallowell, John Ratey, Rowohlt (1999), 11,99 Euro. ley

Nach Dienstschluss fällt die Bürotür ins Schloss, doch die Arbeit begleitet viele Menschen in ihr Privatleben: Das E-Mail-Postfach wird auf dem Smartphone gecheckt, während die Kinder die Zähne putzen. Der Manager will ein paar Tage ausspannen. Sein Chef verlangt jedoch, er müsse auch im Urlaub erreichbar sein. „Die Arbeitswelt hat sich gewandelt: Es fallen weniger schwere körperliche Arbeiten an, dafür nehmen psychische Belastungen zu. Mitarbeiter sind durch moderne Kommunikationsmittel ständig erreichbar", sagt die Psychotherapeutin Dagmar Ruhwandl, die ein Buch zum Thema Burnout geschrieben hat. „Die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit weichen auf, wir können nicht mehr abschalten“, hat die Therapeutin beobachtet. Ein „Burn-out-Syndrom“ ist die mögliche Folge. Dabei gibt es keine klare Diagnose: Allgemein gültig ist, dass es sich um einen mit der Arbeit assoziierten Erschöpfungszustand handelt. Warnsignale seien bei jedem anders, sagt Ruhwandl: Der eine kann nicht mehr schlafen, der andere hat Rückenschmerzen oder ein Rauschen im Ohr.

Ein Burnout-Syndrom schleicht sich oft langsam an. Wer sich über Wochen überfordert fühlt, sollte sich Hilfe holen. Der wichtigsten Tipp der Experten ist es, dem Burnout durch Entspannung vorzubeugen, sich also Erholungsphasen zu gönnen, in denen man seine Kräfte regenerieren kann. Das ist leichter gesagt als getan, aber Seminare und Workshops helfen dabei, „mal einen Gang zurückschalten“, sagt Gabriele Freude. Sie leitet bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin die Arbeitsgruppe „Mentale Gesundheit“. In solchen Kursen verschiedener Anbieter lernten die Teilnehmer, was sie tun können, damit es gar nicht erst zum „ausbrennen“ komme, sagt Freude. Ein Patentrezept gebe es allerdings nicht, fügt sie hinzu.

Deshalb – und auch weil der Begriff „Burnout“ nicht klar definiert ist –sind die Ansätze der Anbieter unterschiedlich: zum Beispiel schulen Achtsamkeitsübungen – ein Begriff, der aus dem Buddhismus stammt und von westlichen Psychologen übernommen wurde – die Wahrnehmung von Warnzeichen, eine Persönlichkeitsanalyse hilft, mal einen Schritt zurückzutreten und die möglicherweise zu hohen Ansprüche zu hinterfragen, die man an sich selbst hat. Teil der Kurse können praktische Anleitungen sein, wie Tipps zum Zeitmanagement. Oder es werden Entspannungstechniken trainiert, zum Beispiel Übungen aus dem chinesischen Qi Gong. Welche Ansätze nun wirklich helfen, darüber sind die Experten uneins. Es muss also jeder für sich selbst entscheiden, was einem liegt.

Wenn Arbeitgeber vorsorgen wollen, damit seine Angestellten nicht ausbrennen, hilft zum Beispiel Stefan Buchner, Geschäftsführer der Unternehmensberatung für Betriebliches Gesundheitsmanagement. Der Erwachsenenpädagoge berät Betriebe in Fragen des Gesundheitsmanagements, analysiert Belastungen. Und erarbeitet Lösungen. Dazu können Rückenschulen, mobile Massagen, Yoga-Kurse oder Personal-Trainer im Betrieb zählen.

Sinnvoll ist es auch, den Umgang mit Diensthandys zu regeln. Smartphones sind quasi ein mobiles Büro. Aber eines kann man dank ihnen schlecht – abschalten. Dabei raten Experten genau das, wenn es um Burnout-Prävention geht. Denn ständige Erreichbarkeit macht krank. „Die Aufhebung der Grenze zwischen Arbeit und Privatleben führe zu einem inneren Stand-by-Modus“, sagt der Psychiater Edward Hallowell, der das Buch „Zwanghaft zerstreut“ verfasst hat. Bei Erhalt eines Firmenhandys sollte man sich nicht automatisch verpflichtet fühlen, nach Feierabend oder im Urlaub E-Mails zu bearbeiten. Sinnvoll ist es, mit dem Vorgesetzten zu klären, wie die Nutzung geplant ist und eine Kompensation von Erreichbarkeitszeiten durch Freizeitausgleich thematisieren. Es sei sinnvoll, in Betriebsvereinbarungen Handy- oder E-Mail-freie Zeiten festzulegen.

Man solle sich „Entschleunigungsoasen schaffen" lautet ein Tipp von Psychiater Hallowell. Damit gemeint sind Zeiten, in denen man explizit nicht erreichbar ist und auch Orte, an denen zu keiner Zeit gearbeitet wird. So rät Hallowell, Smartphones aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Das Thema „Wie wollen wir mit der Erreichbarkeit verfahren?" sollte bei Bürobesprechungen auf die Agenda gesetzt werden. Häufig werden Erwartungen nicht abgestimmt. Ein Beispiel: Der Vorgesetzte schickt am Sonntag eine E-Mail an einen Untergebenen. Dieser versteht das als sofortigen Arbeitsauftrag und wird aktiv. Dabei hatte der Vorgesetzte gar nicht erwartet, dass der Mitarbeiter die Aufgabe noch am Wochenende angeht.

Entspannung, Erwartungen überprüfen, Stressoren identifizieren und reduzieren, Unterstützungssysteme aktiviere – das sind vier Stufen, die eine Burnout-Therapie umfassen kann, wenn es tatsächlich zu spät ist. Über diese vier Schritte spricht Michael Marwitz. Der Psychologe ist Leiter Therapie an der Medizinisch-Psychotherapeutischen Klinik Roseneck am Chiemsee. Doch die vier Schritte können durchaus auch helfen, bevor man ausbrennt – quasi als Präventionsstrategie ohne dass man ein Seminar besucht.

Ein längerer Urlaub wäre zum Beispiel ein guter Beginn, wenn man die vier Stufen anwenden will. Dann sollten Betroffene die Erwartungen, die sie an sich selbst haben, auf den Prüfstand stellen, sagt Marwitz. Er rät, zu hinterfragen was das eigene Handeln antreibt: „Warum glaube ich, das eine oder andere schaffen zu müssen? Oft hilft die bewusste Entscheidung, sich nicht mehr nur über die Arbeit zu definieren. Dann muss ich mich nicht mehr so antreiben und kann mich trotzdem als wertvollen Menschen sehen.“ Als nächstes werden Stressfaktoren identifiziert. Oft helfen Änderungen an bisherigen Abläufen, zum Beispiel Aufgaben zu delegieren. Zu sagen, ‚Es ist mir alles zu viel' falle vielen Betroffenen schwer. Wichtig sei es aber, Rückhalt bei Familie und Freunden zu suchen.

Nach überstandenem Burnout sollte man anfangs nur stundenweise arbeiten, rät Marwitz. Die Regenerationsphase sollte etwa zwei Monate dauern. „Viele Betroffene wollen allerdings so schnell wie möglich wieder voll einsteigen. Chefs nehmen diesen Vorschlag gerne an. Das ist kurzsichtig. Wer zu früh wieder 100 Prozent arbeitet, fällt meist wieder auf die Nase.“ Immer im Hinterkopf solle man haben: Ein guter Angestellter zu sein und nach Feierabend nicht an die Firma zu denken, schließe sich nicht aus. Niemand sollte sich schuldig fühlen, wenn das Diensthandy bei einem Waldspaziergang keinen Empfang hat.

Annette Leyssner

Zur Startseite