zum Hauptinhalt
Geld verbrannt: Jedes Jahr prangert der Steuerzahlerbund Staatsversagen an.

© M. Schuppich - stock.adobe.com

Update

Steuerzahlerbund: Wie der Staat das Geld der Steuerzahler verprasst

Der Bund der Steuerzahler prangert in seinem neuen „Schwarzbuch“ 118 Fälle von Verschwendung. Darunter viele kuriose Fälle aus Berlin und Brandenburg.

Einmal im Jahr schlägt die große Stunde des Bundes der Steuerzahler. Dann rechnet der Lobbyverband mit unfähigen Politikern, überforderten Verwaltungen oder allzu reisefreudigen Abgeordneten ab. So wie mit den 14 Parlamentariern des Bayerischen Landtags, die eine Woche durch Mexiko reisten, um die bayerisch-mexikanischen Beziehungen zu stärken – auf Kosten des Steuerzahlers. Rund 40.000 Euro hat der Polittourismus gekostet. „Da gibt es auch günstigere Wege der Informationsbeschaffung“, sagte Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, am Donnerstag in Berlin bei Vorstellung des jüngsten „Schwarzbuchs“ über „die öffentliche Verschwendung“.

118 Fälle aus der gesamten Republik hat der Verband zusammengetragen. Von der Sanierung der Schwimmhalle in Leuna, die wegen ständiger Sonderwünsche statt 7,6 Millionen Euro nun mindestens 19,4 Millionen Euro verschlingen wird, über den High-Tech-Mülleimer „Solar-Presshai“, der Potsdam Mehrkosten von tausenden Euro einbrockt, bis hin zur 8,4 Millionen Euro teuren Umgehungsstraße im ostfriesischen Bensersiel. Dort fährt heute kein Auto, weil die Behörden zu spät gemerkt haben, dass die Strecke durch ein Vogelschutzgebiet führt.

Pleiten, Pech und Pannen? Holznagel sieht ein grundsätzliches Problem in Deutschland. Mit dem Geld der Steuerzahler werde viel zu leichtfertig umgegangen, meint er. Die gute Kassenlage verschlimmere das Problem eher noch. „Die Staatskassen sind voll, und wir haben so viele Fälle von Verschwendung wie nie“, kritisiert der CDU-Mann.

Holznagel fordert Konsequenzen. Nicht nur Steuerhinterziehung müsse strafbar sein, meint der Lobbyist, auch die Steuerverschwendung. Denn das Geld, das zum Fenster herausgeworfen werde, könne viel besser angelegt werden, meint der Verbandschef und fordert im Sinne seiner Mitglieder Steuerentlastungen bei der Einkommensteuer und die Abschaffung des Solis ab dem Jahr 2019.

Neben der Sammlung von Einzelfällen übt der Verband aber auch grundsätzliche Kritik – etwa an der mangelnden Digitalisierung in Deutschland. Obwohl sich Politiker aller Parteien die Digitalisierung auf die Fahnen geschrieben haben und öffentliche Einrichtungen jedes Jahr zwischen 21 und 23 Milliarden Euro für Informationstechnik ausgeben, liegt Deutschland in der EU gerade einmal auf Platz 20. „Um den Hund für die Hundesteuer oder das Auto anzumelden, muss man immer noch aufs Amt“, ärgert sich Holznagel. Für den teuersten Digital-Flop hält der Steuerzahlerbund die elektronische Gesundheitskarte. Bis Ende 2017 wird sie 1,7 Milliarden Euro gekostet haben, in den kommenden fünf Jahren sollen weitere 1,5 Milliarden Euro investiert werden – für „eine veraltete Technik“, die nur die Stammdaten der Versicherten speichert, so sagt Holznagel.

Für Geldverschwendung hält der Verband auch die Sozialwahl, bei der in diesem Sommer Versicherte ihre Vertreter für die Gremien in den Krankenkassen und der Rentenversicherung gewählt haben. Lediglich 169 von 3421 Mandaten seien über die Wahl selbst besetzt worden, die anderen 3252 Mandate seien über vorher abgestimmte Wahllisten bestimmt worden. Bei Gesamtkosten von rund 50 Millionen Euro habe jedes einzelne frei vergebene Mandat 300.000 Euro gekostet, hat der Steuerzahlerbund ausgerechnet – und fordert Reformen. Reformbedarf sieht Holznagel aber auch beim Parlament selbst. Im neuen Bundestag sitzen 111 Parlamentarier mehr als in der vergangenen Legislaturperiode, weil sich die Politik nicht auf ein Wahlgesetz verständigen konnte. Das kostet: Für die Abgeordneten und deren Mitarbeiter müssen die Steuerzahler allein im nächsten Jahr 75 Millionen Euro mehr ausgeben. „Wir brauchen eine Obergrenze“, fordert Holznagel – für die Mandate.

BER und Staatsoper tauchen nicht auf

Der BER und die Staatsoper Berlin tauchen im neuen „Schwarzbuch“ des Steuerzahlerbunds nicht auf, sie gelten quasi als Altfälle von Verschwendung. Doch eine Bemerkung zum Flughafen Tegel hat Verbandspräsident Reiner Holznagel dann aber doch – oder besser gesagt zum Volksentscheid. Den sieht der Lobbyist zutiefst kritisch. Die Bürger hätten weder gewusst, was der Schallschutz für Tegel kostet, noch der Umbau. Die Entscheidung für die Offenhaltung sei damit eher eine „Bauchentscheidung“, meint der Verbandschef.

Dennoch kommen Berlin und Brandenburg in der neuen Verschwendungsliste nicht zu kurz. Die geplante Fußgängerbrücke, die in der neuen „Europacity“ am Hauptbahnhof die Spree überqueren soll, wird nun schon vor Baubeginn teurer. Statt knapp zwei Millionen soll der Bau jetzt mindestens drei Millionen Euro kosten, kritisiert der Steuerzahlerbund und fordert, die Pläne nochmals zu überprüfen.

Kein glückliches Händchen hatte auch der Bezirk Schöneberg, als er die Maaßenstraße mit bunten Betonwürfeln zur Begegnungszone machen wollte. 835.000 Euro hat der Spaß gekostet, genutzt wird die Fläche nicht. Dennoch wertet Holznagel die Geschichte als Erfolg. Der Regierende Bürgermeister habe nämlich inzwischen erklärt, dass es keine weiteren Begegnungszonen geben soll.

In Neukölln mokieren sich die Steuerzahlerschützer über die Kampagne des Bezirksamts zur Sauberkeitserziehung seiner Bürger. 174.000 Euro haben Flyer und Aufkleber gekostet, dennoch war Neukölln 2016 Spitzenreiter bei illegalen Müllablagerungen. Mit dem Kampagnengeld hätte man über 2300 Stunden „Kiezstreifen“ der Ordnungsbehörden finanzieren können, rechnet der Verband vor.

Auch mit dem Geld für die Anti-Kaninchen-Zäune, die Blumenbeete im Tiergarten vor den Nagern schützen sollen, hätte man nach Meinung des Verbands Sinnvolleres anstellen können: Mit den rund 60.000 Euro hätte man etwa einen Zaun um das Französische Gymnasium bauen können, um Schüler vor benutzten Kondomen und Spritzen aus dem benachbarten Drogen-Straßenstrich zu schützen.

Aber auch Mecklenburg-Vorpommern kommt nicht ungeschoren davon. Zu viel Geld für den Flughafen bemängelt der Verband und meint den Flughafen Parchim. Den hat der chinesische Investor Jonathan Pang gekauft – und dabei nach Meinung des Steuerzahlerbundes gut verhandelt. Denn der Landkreis und die Stadt sind dem Unternehmer finanziell weit entgegengekommen, haben ihm einen Teil des Kaufpreises erlassen – nun hat Pang sogar Kapazitäten, um für Air Berlin zu bieten.

Brandenburg sichert sich einen Platz in der Verschwenderliste wegen eines peinlichen Fehlers in einem politischen Werbeflyer. Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter hatte einen Werbeflyer zur Kommunalreform drucken lassen – leider ohne Impressum. 300.000 Exemplare mit dem Titel „Weil wir später nicht sagen wollen, dass früher alles besser war“ wurden vernichtet, 27.380 Euro in den märkischen Sand gesetzt.

Hinweis: In der aktualisierten Fassung ist Parchim, das in der Ursprungsfassung versehentlich in Brandenburg angesiedelt worden war, jetzt richtigerweise Mecklenburg-Vorpommern zugeordnet. Wir bitten um Entschuldigung.

Zur Startseite