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Wirtschaft: Teilzeit, Geld und Babysitter

Wirtschaftssenator Harald Wolf besucht familienfreundliche Unternehmen in Berlin

Von Maris Hubschmid

Berlin - So richtig wohl fühlt sich die fünfjährige Annika nicht, als sie sich neben Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) auf das orangefarbene Kindersofa setzen soll. Schnell flüchtet sie in die Arme ihres Vaters. Der sieht entschuldigend zu Wolf, doch der Politiker versteht die Kleine. Seine Sache ist das auch nicht, fremde Kinder auf den Arm nehmen, bloß weil Wahlkampf ist, das macht er an diesem Tag deutlich. Am Donnerstag besuchte der Senator drei Berliner Unternehmen, die sich durch hohe Familienfreundlichkeit auszeichnen – und das nicht nur mit Teilzeitmodellen und flexiblen Arbeitszeiten. Dabei verzichtete er auf gestellte Bilder: besser enttäuschte Fotografen als weinende Kinder.

Erste Station seiner Tour war die Firma Knauer in Zehlendorf, die Geräte zur Analyse von Flüssigkeiten herstellt. Bei dem Familienunternehmen gibt es für jedes neu geborene Mitarbeiterkind eine Begrüßungsprämie in Höhe von 315 Euro. Für die Kinderbetreuung erhalten Eltern monatlich einen Zuschuss von bis zu 90 Euro. Fällt die Tagesmutter aus, kann jeder sein Kind mitbringen. Und wenn der Nachwuchs krank wird, übernimmt die Firma zehn Tage lang die Babysitterkosten.

Ein Stück östlicher, im Industriegebiet um die Motzener Straße in Marienfelde, haben sich die Betriebe zusammengetan und eine gemeinsame Kita eingerichtet. „Bei einer ersten Befragung hat keiner Bedarf angemeldet. Jetzt wird die Kita von 55 Kindern besucht“, sagt Christiane Horn, Geschäftsführerin der Glaserei Bartelt und Sohn. „Auch, weil einige einfach keinen Platz in ihrer Nähe gefunden haben.“ Bei dem in Mitte ansässigen Software-Hersteller Projektron sind gerade 18 von 49 Mitarbeitern in Elternzeit. „Ich war nur befristet beschäftigt, als ich schwanger wurde“, erzählt eine technische Mitarbeiterin. Ihr Vertrag wurde daraufhin in einen unbefristeten umgewandelt, damit sie entspannt die vollen zwei Jahre Elternzeit nehmen konnte. „Den Standort München haben wir zwischenzeitlich für drei Monate geschlossen“, erzählt Geschäftsführer Maik Dorl – die beiden einzigen Mitarbeiter hatten miteinander ein Kind bekommen und sich gewünscht, gleichzeitig in Elternzeit gehen zu dürfen. Schwierig werde es, wenn die Kinder älter werden, sagt der Geschäftsführer: „Fünft- und Sechstklässler, die vor 16 Uhr aus der Schule kommen, lassen sich nicht einfach in einer Spielecke parken.“

Wolf verspricht, das Problem anzupacken und sich für mehr Ganztagsbetreuung in der Schule einzusetzen. Die Firma Knauer ist schon selbst aktiv geworden: Der Gerätehersteller hat sein Konzept um den „Knauer-Entdeckerklub“ erweitert, in dem Mitarbeiterkinder ebenso wie Schulklassen anhand verschiedener Versuche nachvollziehen können, was die Erwachsenen den ganzen Tag so untersuchen. Wolf möchte das auch erfahren, aber als er mit seinen kräftigen Händen die Pumpe betätigt, löst sich der Gummischlauch und Flüssigkeit spritzt durch den Raum. Eigentlich doch ganz witzig, der fremde Mann, findet Annika da wohl und kichert. Maris Hubschmid

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