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Mit dem "Grossen Dresdner Stollenmesser" lässt sich ein Schuldenschnitt nicht durchführen, aber es passt zur Vorweihnachtszeit.

© dapd

Nach EZB-Entscheidung: Wenn nicht Anleihenprogramm, dann Schuldenschnitt

Die Europäische Zentralbank weitet ihre Staatsanleihen-Ankäufe trotz der ausufernden Schuldenkrise im Euroraum nicht aus. Die Alternative heißt Schuldenschnitt.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kann sich nicht zu einer Ausweitung ihrer Stützungsmaßnahmen durchringen. Das im Mai aufgelegte Programm zum Kauf von Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten wie Griechenland, Irland und Portugal laufe unverändert weiter, sagte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet am Donnerstag in Frankfurt. Er betonte, die Maßnahmen seien vorübergehend: „Wir werden damit fortfahren, dem Markt die Liquidität wieder zu entziehen.“

Nachdem Irland unter den Rettungsschirm von Europäischer Union und Internationalem Währungsfonds geschlüpft war, hatte der Druck auf die Währungshüter zugenommen, neue Milliarden in den Markt zu pumpen und in deutlich größerem Umfang als bisher Staatsanleihen auch von Wackelkandidaten wie Spanien zu kaufen.

Trotz aller Inflationsängste, die mit einer solchen Maßnahme verbunden wären: Eine Ausweitung des Anleihenprogramms erschien als logischer Schritt aus der Euro-Misere. Sparen alleine wird die europäischen Peripherie-Länder nicht retten. Denn Sparen führt nicht zu Wachstum sondern vor allem zu sinkenden Einkommen – und zu einer Verstärkung der Rezession, was in Griechenland zu beobachten ist.

Vieles sprach für Anleihenkäufe

Um ihre Schulden in den Griff zu bekommen, benötigen diese Länder jedoch Binnennachfrage. Dies gilt auch für Deutschland. Den hiesigen Arbeitnehmern nützt es wenig, wenn sie durch Lohnzurückhaltung und Akzeptanz prekärer Beschäftigungsverhältnisse Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen europäischen Ländern erringen, aber letztlich über eine steigende Staatsverschuldung die Rettungsmaßnahmen für diese Länder schultern müssen.

Doch eine Änderung der Umverteilungspolitik der letzten Jahrzehnte ist nicht in Sicht. Der jüngste Verteilungsbericht der gewerkschaftsnahen Hans Böckler-Stiftung zeigt: Der Anteil der Gewinn- und Kapitaleinkommen am Volkseinkommen ist im ersten Halbjahr 2010 wieder deutlich gestiegen, der Anteil der Lohneinkommen ist gesunken. Dies bedeutet anhaltende Belastungen von Binnennachfrage und Wirtschaftswachstum sowie steigende Einkommensungleichheit.

In einer solchen Situation alleine auf Sparen zu setzen ist kontraproduktiv – sowohl in Deutschland als auch in den angeschlagenen Euro-Ländern. Durch eine Ausweitung der Anleihenkäufe durch die Europäische Zentralbank hätte etwaigen gegen einzelne Euro-Staaten spekulierenden Akteuren auf den Finanzmärkten signalisiert werden können, dass die EZB in jedem Fall attackierten Euro-Staaten beispringen wird. Da die Zentralbank theoretisch über unbegrenzte Mittel verfügt, würden die Staatsanleihen dieser Länder wieder zur sicheren Anlage, die Nachfrage nach ihnen würde steigen und die Zinsen sinken.

Jedoch sind Anleihenkäufe durch die EZB nichts anderes als indirekte Rettungsmaßnahmen für die Finanzbranche, die ansonsten herbe Verluste hinnehmen müsste. Gerettet würden erneut die Gewinn- und Kapitaleinkommen einer relativ kleinen Bevölkerungsgruppe. Unabhängig vom Kampf um Unabhängigkeit der Zentralbank würden somit weiterhin Risiken sozialisiert.

Vieles spricht nun für Schuldenschnitt

Doch wer die Anleihenkäufe der EZB ablehnt muss nun die Alternative eindeutig benennen: den Schuldenschnitt. Und tatsächlich spricht vieles dafür, Gläubiger endlich in Haftung zu nehmen. Die privaten Gläubiger müssten dabei einen Teil der Darlehen an Länder wie Griechenland, Irland, vielleicht Portugal und Spanien abschreiben. Dies wäre der normale Gang in einer Marktwirtschaft: Wer sich verspekuliert, verliert.

Verlieren ist die Finanzbrachen jedoch nicht gewohnt - sie will keinen Schuldenschnitt. Insbesondere deutsche Banken würde ein solcher Forderungsverzicht hart treffen. Hiesige Groß- und Hypothekenbanken sind stark in den betroffenen Ländern engagiert. Daher spielt die Finanzlobby ihr bekanntes Spiel und droht mit dem Zusammenbruch der Märkte. So drängt die Branche Politik und Allgemeinheit zu immer neuen Rettungsaktionen. Gleichzeitig treiben sie durch ihre Skepsis gegenüber einzelnen europäischen Ländern die Probleme erst voran, indem sie die Zinsen für die Anleihen der bedrohten Länder steigen lässt. Ein Paradoxon, das durch die beschränkte betriebswirtschaftliche Sicht der Akteure entsteht: Indem jeder nur an sein eigenes, kurzfristiges Wohl denkt, bringt er das Gesamtgebilde und letztlich die eigene Existenz in Gefahr.

Wenn sich die Allgemeinheit aus dieser Geiselnahme befreien möchte, dann muss der Schuldenschnitt möglich werden. Die Folgen indes sind schwer absehbar: Banken könnten erneut in Schieflage geraten, eine Pleite weitere auslösen. Die Politik fürchtet diese unabsehbaren Folgen – ein indirektes Eingeständnis, dass die bisherigen Maßnahmen zur Regulierung und Absicherung der Finanzmärkte unzureichend sind. Doch das Aufspannen von immer größeren Rettungsschirmen hilft auf Dauer nicht weiter. Eine Entscheidung muss fallen, wenn nicht für quasi-staatliche Eingriffe durch die EZB, dann für den „marktkonformen“ Schuldenschnitt. Denn die Finanzmärkte werden es in ihrer Irrationalität von selbst nicht richten.

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