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Erklären, nicht zeigen. Mit Bildern von Katastrophen und von Opfern gehe man in Schulbüchern grundsätzlich vorsichtig um, heißt es bei Cornelsen. Foto: Reuters

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9/11 und Schule: Im Schulbuch nur am Rand

Die brennenden Türme werden möglichst klein gezeigt. In den Texten geht es um Hintergründe und Folgen.

Die Bilder würde er am liebsten ganz rausnehmen. „Brennende Wolkenkratzer transportieren ja auch die Erfolge der Terroristen“, sagt Uwe Andrae, Referatsleiter Geschichte des Cornelsen-Verlags. In den Schulbüchern seines Verlags werden die zwar noch gezeigt, aber möglichst klein, in einer Randspalte. Der Rest des Textes bleibt ohne Bebilderung. „Es ist ein Balanceakt“, sagt Andrae. „Da hat sich auch die Bebilderung in den vergangenen zehn Jahren sehr verändert.“ Wenige Themen in den Geschichtsbüchern der Schulen sind derart emotional aufgeladen wie die Terroranschläge des 11. Septembers 2001. Wie stellt man so ein Ereignis dar?

„Man muss grundsätzlich vorsichtig umgehen mit Katastrophenbildern und Opferbildern“, sagt Andrae. Teilweise wird der 11. September in Ethik- und Religionsbüchern, in denen der Umgang mit Gewalt und Fundamentalismus Thema sind, behandelt, teilweise in den Politik- Lehrwerken der Sekundarstufen I und II. Meist sind die Terroranschläge aber Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Dort werden sie meist in den Zusammenhang der internationalen Beziehungen und der Weltordnung des 21. Jahrhunderts gestellt oder im Rahmen der Nahost-Problematik behandelt.

Der Spielraum der Verlage ist allerdings gering, da die Lehrpläne von den Landesregierungen vorgegeben werden. Da Geschichte in der Sekundarstufe I chronologisch unterrichtet wird, kommt der 11. September fast durchgehend in der zehnten Klasse vor.

Es fällt auf, dass die tatsächlichen Ereignisse in den Schulbüchern kaum zur Sprache kommen: die entführten Passagierflugzeuge, die Anzahl der Toten, ein Absatz zu Al Qaida, aber kaum Einzelheiten. Wesentlich intensiver behandelt werden die Folgen und die Tatsache, dass die Anschläge später als Argument für den Afghanistankrieg oder den Irakkrieg verwendet wurden. Eingerahmt wird das häufig von Definitionen des Islamismus in Abgrenzung zum Islam als Religion.

Zusätzlich zu dem, was von den Lehrplänen vorgegeben ist, bringen die Verlage Themenhefte heraus, die Lehrkräfte individuell im Unterricht einsetzen können. Unmittelbar nachdem die Türme des World Trade Centers in sich zusammengefallen waren, wusste Ilas Körner-Wellershaus, dass er reagieren musste. „Uns war sofort klar, dass der 11. September die westliche Welt ist in ihren Grundfesten erschütterte“, sagt der Leiter des Bereichs Geisteswissenschaften im Klett-Verlag. „Wir haben am nächsten Tag reagiert und Arbeitsblätter auf die Homepage gestellt.“ Hintergrundinformationen zu den Anschlägen, aber auch zu Fundamentalismus, den Weltreligionen und verschiedenen Strömungen des Islam. Die Themenhefte sind auch deswegen wichtig, weil es einige Jahre dauern kann, bis die neuen Bücher in den Schulen ankommen. Zwar hat beispielsweise der Klett-Verlag noch im Jahr 2001 mit der Neubearbeitung der ersten Geschichtsbücher begonnen, jedoch hält es Ilas Körner-Wellershaus für möglich, dass Schulen noch immer mit Exemplaren arbeiten, in denen der 11. September nicht vorkommt.

„Welche Bücher eine Schule anschafft, liegt nicht in unserer Hand“, sagt er. Allerdings gibt es auch Bücher, in denen die Terroranschläge gar nicht auftauchen. Zum Beispiel in der Sekundarschule in Sachsen-Anhalt. Wenn am Ende der Lehrplan-Chronologie die Deutsche Einigung oder die Europäischen Einigung stehen, geht die internationale Weltordnung inklusive der Terroranschläge unter. Bestenfalls wird das Thema dann im Politikunterricht aufgegriffen.

In der großen Mehrzahl der Schulbücher aber gehören die Anschläge zum obligatorischen Repertoire. Dadurch haben sich auch die Prioritäten der anderen Themen verschoben. Bei Klett wurde beispielsweise das Kapitel zum Kalten Krieg gekürzt, bei Cornelsen hat der 11. September andere klassische Nahost-Themen verdrängt. „Vorher haben der zweite Golfkrieg und Saddam Hussein eine größere Rolle gespielt“, sagt Andrae. Heute wird der Schwerpunkt eher auf Fundamentalismus und Terrorismus gelegt.

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