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Franz Kiraly. Derzeit entwickelt der Hochbegabte an der TU Berlin mathematische Lernmethoden, die in der Medizintechnik etwa Querschnittsgelähmten helfen könnten.

© TU Pressestelle/Dahl

Franz Kiraly: Der Weg des Wunderkindes

Mit 14 hatte Franz Kiraly Abitur, mit 25 zwei Doktortitel. Jetzt forscht der Mathematiker und Mediziner an der TU Berlin. Der Weg dorthin war nicht immer einfach.

Der Mann weiß, was er tut, und mit wem er es zu tun hat: Zeitungsporträts von Hochbegabten, das falle ja gern mal in die Gattung „Porträts von Irren, Komischen und sonstigen Kuriositäten“, sagt Franz Kiraly und lacht. Kiraly kennt sich aus mit der Gattung. Vor 11 Jahren, im Frühjahr 2000, war der damals 14-Jährige der jüngste Abiturient der deutschen Nachkriegsgeschichte, mit einem Notendurchschnitt von 1,2. Jetzt, elf Jahre, drei Abschlüsse und zwei Doktortitel später, ist der gebürtige Schwabe Neu-Berliner. Seit rund einem halben Jahr arbeitet der heute 25-Jährige im Fachgebiet „Maschinelles Lernen“ an der TU Berlin.

Dass das für die Öffentlichkeit interessant sein könnte, davon hat sich zum Glück auch Kiraly überzeugen lassen – und sitzt nun da in einem schmucklosen Seminarraum und lässt sich geduldig Fragen stellen. Tatsächlich erscheint der Sohn ungarischer Einwanderer mit nussbraunem gewellten Haar und Schnurrbart im noch kindlichen Gesicht ein bisschen wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Einer Welt, von der Kiraly so entspannt erzählt wie einer, der sich des Paralleluniversums, in dem er aufgewachsen ist, schon von frühester Kindheit an bewusst war.

Bereits vor der Einschulung habe ein Psychologe den Eltern geraten, ihren Sohn, der bereits im Kindergartenalter fließend lesen und im vierstelligen Bereich dividieren und multiplizieren konnte, noch ein Jahr von der Schule fernzuhalten. „Lasst ihm noch seine Kindheit. Das wird später schlimm genug.“

Ob es tatsächlich so schlimm wurde? Kiraly, fröhlich und reflektiert im Hier und Jetzt, mag darauf keine klare Antwort geben, nur so viel: Es habe harte Zeiten gegeben, „von allen Boshaftigkeiten etwas“. Mit sieben Jahren wurde er direkt in die zweite Klasse eingeschult, fühlte sich fremd unter Kindern, die ihm gnadenlos unterlegen waren und ihn – das Kind von „Ausländern“ – doch als einen Geringeren behandelten.

Von da an ging es in Riesenschritten voran, das Wunderkind übersprang nahezu jede ungerade Klasse, suchte nach einer sozialen Heimat, fand sie schließlich in der achten Klasse eines kirchlichen Gymnasiums, wo sich der zehnjährige Technikfreak erstmals richtig akzeptiert fühlte. Sein größter Fehler: in dieser Situation vom Ehrgeiz gepackt zu werden, trotz der Bedenken der Eltern weiterzuspringen, in eine Klasse, in der er nicht zurechtkam. „Man merkt erst, was einem fehlt, wenn man es nicht mehr hat“, sagt Kiraly und dann noch auf Englisch, dass man nie ein funktionierendes Team verändern solle. So heiße es ja auch in der Informatik. Franz Kiraly fand durch den Wechsel an ein staatliches Gymnasium doch noch sein schulisches Glück. An der Uni in Ulm habe es eh nie Probleme gegeben, weder beim Studium der Informatik noch bei dem der Medizin und der Mathematik, Fächer, in denen Kiraly auch promovierte. Wer mit ihm über sein Leben spricht, merkt dennoch schnell, dass Hochbegabung auch eine Bürde sein kann, gerade für einen Heranwachsenden.

Wer mit ihm über seine Interessen spricht, merkt aber auch, welches Geschenk in einer exzeptionellen Begabung liegt für den, der etwas mit ihr anzufangen weiß: Heute scheint Franz Kiraly angekommen, nicht nur in Berlin, wo er nun zum ersten Mal fernab seines Elternhauses wohnt, sondern auch bei sich selbst. Franz Kiraly besitzt die Gabe, sein abstraktes Interessenfeld zu veranschaulichen: Um zu illustrieren, wie der Mathematiker die Forschung auf dem Feld der intelligenten Algorithmen bereichert, wählt Kiraly das Bild einer Matratze. Um deren tiefsten Punkt zu finden, habe man bisher eine Kugel, Sinnbild für eine Suchfunktion, auf ihr herumrollen müssen. Als Mathematiker könne er den Punkt bestimmen, ohne die Matratze berührt zu haben. „Man braucht nur die richtige Sprache für ein Problem. Wenn man die gelernt hat, sieht man manchmal ganz unvermittelt, wie man Probleme lösen kann.“

Die Probleme, die Kiraly in Berlin lösen helfen möchte, gehen die gesamte Gesellschaft etwas an: Er will durch die Entwicklung mathematischer Lernmethoden medizinisch Leid lindern helfen, Grundlagen schaffen für intelligente Prothesen etwa für Patienten mit Querschnittslähmung oder Locked-In-Syndrom. Hier kommen für Kiraly sein früherer Traumberuf Arzt und seine Lieblingsbeschäftigung, das analytische und kreative Denken, zusammen.

Als naiver Idealist möchte Kiraly, der selbstbewusst Familie, einen Lehrstuhl und „gute Forschung“ als Lebensziel nennt, dabei nicht gelten: „Mittlerweile bin ich nicht mehr so blauäugig zu glauben, dass allein neues Wissen die Welt verbessert. Wissenschaftliche Erkenntnis ist ethisch neutral.“ Trotzdem: Gefragt nach etwas, das ihn sentimental macht, sagt Kiraly nach langem Überlegen: „Wenn ich sehe, dass Leute – unter Abwägung der Konsequenzen – ihr Bestes tun für das Wohl aller.“ Das finde er großartig.

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