zum Hauptinhalt

Educon-Hochschule: Um die Bildung betrogen

Das Aus für Educon-Hochschule hat eine Vorgeschichte.

Der Fall ist bisher einzigartig für Berlin: In der vergangenen Woche hat Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner (SPD) einer in Berlin-Adlershof gelegenen Fachhochschule des privaten Bildungsdienstleisters Educon die staatliche Anerkennung entzogen. Zöllner begründete dies mit einer nicht funktionierenden Hochschulleitung und ungenügender Infrastruktur für Studium und Lehre. Im Interesse der zwölf Studenten habe man einen „klaren Schnitt“ machen müssen.

Gestartet war die private Design-Fachhochschule im April mit neun Studierenden. Von Anfang an seien die Bedingungen chaotisch gewesen, berichtet ein Lichtdesignstudent, es habe wenig Lehrmaterial gegeben, häufig seien Seminare ausgefallen. Im August habe er sich bei der Senatsverwaltung beschwert, sagt der junge Mann, der anonym bleiben will. Jetzt habe er sich einen Anwalt genommen, fordere die Gebühren von 600 Euro pro Monat zurück, die er für das erste Studienjahr im Voraus zahlen musste.

Das Aus für die Berliner Hochschule ist der Tiefpunkt der Educon-Affäre, die Behörden und Staatsanwaltschaft in Brandenburg schon seit Monaten beschäftigt. Von dort aus hatte sich die Unternehmensgruppe zunächst bundesweit ausgebreitet, man warb mit „topaktuellen Ausbildungen“ vor allem in Berufsfachschulen, hatte für Ende dieses Jahres mit 2500 Schülern geplant. Seit dem Frühjahr aber mehrten sich die Negativschlagzeilen: Erst gab es eine Razzia der Staatsanwaltschaft am damaligen Hauptstandort in Potsdam. Gegen vier Personen aus der damaligen Educon-Spitze werde wegen Betrugsverdachts ermittelt, es gehe auch um den Verdacht der Insolvenzverschleppung, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

Bald nach der Razzia schloss das Bildungsministerium drei Schulen der Educon-Gruppe in Potsdam und Cottbus. Es ging unter anderem um den Verdacht, Educon habe im Schuljahr 2009/10 in mehr als 500 Fällen Schülerzahlen gefälscht, um staatliche Zuschüsse von 4500 Euro pro Schüler zu erschleichen. Parallel mehrten sich die Auflösungserscheinungen an allen Standorten. „Als die Schulen in Potsdam und Cottbus geschlossen wurden, erhielten auch viele Dozenten bei uns kein Geld mehr, immer mehr Stunden fielen aus“, sagt Marie Nagel, die seit März an einer Educon-Schule in Berlin eine Ausbildung zur Assistentin für Modedesign machte. Kosten: 200 Euro im Monat. Nach den Sommerferien habe ihre Schule den Betrieb eingestellt. Auf eine Teilnahmebescheinigung für ihr Schulhalbjahr warten sie und 15 Mitschüler noch immer, sagte die 19-Jährige.

Ähnlich geht es Nicole Schröter aus Berlin und Bonnie Raabe aus Kuhbier in der Prignitz, denen nur noch ein halbes Ausbildungsjahr an der Potsdamer Educon-Schule für Hotel- und Gastgewerbe fehlte. Seit September ist ihre Schule geschlossen. Bei der Industrie- und Handelskammer haben die beiden jetzt eine Abschlussprüfung für sich organisieren können, doch bislang warten sie vergeblich auf ihre Zeugnisse von Educon.

Unterdessen soll ein britischer Investmentfonds das Unternehmen erworben haben. Auf der einzigen Educon-Internetseite, die noch in Betrieb ist, wird eine GmbH aus Kassel als Inhaberin genannt, der angegebene Telefonanschluss ist jedoch nicht erreichbar. Henri Kramer

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false