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Eileen Alex ist gerade erst aus Recklinghausen nach Berlin-Schlachtensee gezogen.

© Mike Wolff

Erstsemester-Serie, Teil 1: Die Neuen kommen

„Gespannt aufs Sezieren“: Drei Erstsemester berichten über ihren Start an der Uni. Teil 1 der neuen Tagesspiegel-Serie.

Als Abiturienten auf dem Schulhof waren sie eben noch die souveränen Kenner. Das ist nun vorbei. An der Uni fangen sie wieder als Neulinge an. Sie müssen die MensaCard ausprobieren, Raum KL 29/235 finden, das erste Referat vorbereiten und nette Kommilitonen kennenlernen. Wir begleiten drei Studierende durch ihr erstes Semester. Regelmäßig werden sie berichten, wie es ihnen ergangen ist.

Eileen Alex, 19, studiert Veterinärmedizin an der Freien Universität

Da komme ich her
In meiner Familie bin ich die Erste, die studiert. Meine Eltern arbeiten beide bei der Sparkasse, in Recklinghausen im Ruhrgebiet. Sie wollten schon, dass ich – genauso wie mein kleiner Bruder – das Abitur anpeile, aber richtig im Nacken haben sie mir deswegen nicht gesessen. Jetzt sind sie sehr stolz, dass ich an die Uni gehe. Für sie ist das auch aufregend, weil sie sich da ja überhaupt nicht auskennen. Ich bin selber erst in der vergangenen Woche aus Recklinghausen nach Berlin gezogen. Erst einmal wohne ich im Studentenwohnheim am Schlachtensee.

Da will ich hin
Dass ich Tierärztin werden will, steht für mich fest, seitdem ich ein kleines Kind bin. Das habe ich früher schon immer in Freundschaftsalben geschrieben. Ich bin sehr naturverbunden, ich liebe es, mit meinem Hund durch den Wald zu laufen. In der Schule war ich immer die Naturwissenschaftlerin, mit Biologie und Mathematik als Leistungskursen, und dafür eine Sprachniete. Auf jeden Fall will ich später praktisch am Tier arbeiten. In die Forschung zu gehen, kann ich mir im Moment nicht vorstellen. Aber vielleicht kommt das noch.

So lief die Bewerbung
Ich bin volles Risiko gegangen und habe mich nur für Tiermedizin beworben – auch wenn ich wusste, dass es mit meinem Abischnitt von 2,0 knapp werden könnte. Man muss sich dafür zentral über „Hochschulstart.de“ bewerben. Nur fünf Unis bieten das Fach in Deutschland überhaupt an, keine davon im Ruhrgebiet, so dass ich auf jeden Fall von zu Hause wegziehen muss. Meine Wunschunis waren München, Gießen und Berlin, wobei Berlin mein Favorit war. Ich kenne die Stadt von Besuchen, ich mag sie sehr. Gut gefiel mir an der FU, dass man dort Pluspunkte sammeln konnte, wenn man einen Persönlichkeitstest absolviert. Die Zeit, bis endlich die Zusage kam, war nervenaufreibend. Hätte ich nur Absagen bekommen, stände ich jetzt vor einem Nichts, weil ich keine Zeit hatte, mich auch noch um einen Ausbildungsplatz zu kümmern.

Das erwarte ich von der Uni
Am gespanntesten bin ich auf das Sezieren. Wir sollen gleich in einer der ersten Veranstaltungen einen eingefrorenen Hund oder eine eingefrorene Katze sezieren. Das steht auf dem Stundenplan, den ich schon im Internet runtergeladen habe. Natürlich freue ich mich auch darauf, meine Mitstudenten kennenzulernen und zu hören, was die von sich zu erzählen haben. Große Sorgen habe ich nicht. Ich bin neugierig: Wie gehen die Professoren mit uns Studenten um, wie läuft das mit den Prüfungen ab? Das Einzige, was mir Probleme bereiten könnte, ist Physik. Ich konnte das Fach nicht in der Oberstufe belegen, weil ich so viele andere Naturwissenschaften hatte.

Julius Wolf, 24, studiert Anglistik, Amerikanistik und Geschichte an der Uni Potsdam - lesen Sie mehr auf Seite 2.

Julius Wolf ist in Berlin aufgewachsen. Um in seiner Heimatstadt bleiben zu können, hat er sich nur an nahe gelegenen Unis beworben - und ist in Potsdam gelandet.
Julius Wolf ist in Berlin aufgewachsen. Um in seiner Heimatstadt bleiben zu können, hat er sich nur an nahe gelegenen Unis beworben - und ist in Potsdam gelandet.

© Doris Spiekermann-Klaas

Sophie F. sorgt mit der Wahl ihres Studienfaches immer wieder für Staunen. Die 19-Jährige will Physikerin werden.
Sophie F. sorgt mit der Wahl ihres Studienfaches immer wieder für Staunen. Die 19-Jährige will Physikerin werden.

© Doris Spiekermann-Klaas

Julius Wolf, 24, studiert Anglistik, Amerikanistik und Geschichte an der Uni Potsdam

Da komme ich her
Ich bin in Berlin aufgewachsen, hier soll auch in Zukunft mein Lebensmittelpunkt sein. Deshalb kamen nur nahe gelegene Unis infrage. Hier sind alle meine Freunde und so gerne ich reise – es ist gut zurückzukommen. Zur Schule gegangen bin ich am humanistischen Goethe-Gymnasium in Wilmersdorf mit den Leistungsfächern Altgriechisch und Deutsch. Nach dem Abitur habe ich ein halbes Jahr in der Küche einer Kneipe gearbeitet, dem Koch zur Hand gehen, das Essen rausbringen, solche Sachen. Als genug Geld zusammen war, ging es nach Australien. Am Ende wurden eineinhalb Jahre Work & Travel daraus. Ich habe sieben Monate Wassermelonen auf einer Farm gepflückt, danach Rinder gehütet, in Sydney habe ich als Roadie gearbeitet, einfach Jobs gemacht, die sich ergeben haben. Nach Australien ging es für einen Monat nach Indien. Beides war toll, ich würde es jederzeit wieder tun.

Da will ich hin
Neben dem Journalismus interessiert mich auch Literatur, vor allem wenn die Helden „Unterwegs“ sind, wie in dem gleichnamigen Buch von Jack Kerouac. Auch Andreas Altmann und Helge Timmerberg lese ich gerne. Im nächsten Jahr will ich selbst wieder reisen. Außerdem will ich parallel arbeiten, ich hatte schon aus Australien für den Tagesspiegel geschrieben. Einen festen Plan oder ein striktes Ziel habe ich aber nicht.

So lief die Bewerbung
Beworben habe ich mich neben Potsdam an der HU und der FU, mit ähnlichen Fächerkombinationen. Dort wurde ich nicht genommen, mein Abiturschnitt von 3,2 hat nicht gereicht. In Potsdam war vor allem mein Englisch gefragt. Nach erfolgreichem Test konnte ich mich einfach einschreiben, einen NC gab es für Anglistik und Amerikanistik nicht. Mein Nebenfach werde ich, wenn möglich, zum nächsten Wintersemester wechseln, von Geschichte zu Philosophie. Dass es zunächst Geschichte wurde, ist aber nicht schlimm, das interessiert mich auch.

Das erwarte ich von der Uni
Mein Vater hat viel „querfeldein“ studiert, das würde ich auch gerne machen, aber mit dem Bachelor geht das ja nicht mehr ohne Weiteres. An der Uni möchte ich neue Leute kennenlernen und ein tieferes Verständnis für Sprache und Texte bekommen. Ob das klappt, kann ich im Moment noch gar nicht abschätzen, der Beginn war chaotisch. Professoren, Tutoren und die Leute von der Fachschaft erklären einem viel, oft erzählen sie aber gegensätzliche Sachen. Trotzdem könnte ich mir vorstellen, in den Fachschaftsgremien aktiv zu werden. Zunächst müsste ich mir aber angucken, was da genau passiert. In den ersten Einführungstagen konnte ich mich noch nicht so viel mit den Leuten unterhalten, weil man ja zuhören musste, um die organisatorischen Dinge nicht zu verpassen. Hoffentlich spielt sich das alles schnell ein.

Sophie F., 19, studiert Physik an der Technischen Universität - lesen Sie mehr im dritten Teil.

Sophie F., 19, studiert Physik an der Technischen Universität

Da komme ich her
Physik? Als Mädchen? Die meisten gucken da komisch, auch in der Schule ist das ja ein Jungsfach. Aber ich habe mich schon immer für Naturwissenschaften interessiert, Mathe war einer meiner Leistungskurse. Meine Eltern haben mich da unterstützt, auch wenn sie damit gar nichts zu tun haben: Meine Mutter arbeitet bei einer Krankenkasse, mein Vater bei der Deutschen Rentenversicherung. Die haben aber immer gesagt, ich soll das machen, was mir Spaß macht. Dass ich nur in Berlin studieren will, stand für mich fest. Meine Familie wohnt in Zehlendorf. Ich schwimme sehr viel, im Sportverein sind meine Freunde, schon deswegen wollte ich nicht woanders hinziehen.

Da will ich hin
Mein Ziel ist, im Master Luft- und Raumfahrttechnik zu studieren. Das klingt interessant, in dem Bereich Sachen weiterzuentwickeln und neu zu erfinden. Vielleicht kommt es auch daher, dass ich selber schon so viel geflogen bin. Als Bachelorfach wäre Physikalische Ingenieurwissenschaften besser gewesen, da bin ich aber am NC gescheitert. Jetzt versuche ich, da nach einem oder zwei Semestern hinzuwechseln. Irgendwann will ich auch ins Ausland gehen. Das habe ich bewusst nicht nach der Schule gemacht, weil ich dachte, dass es im nächsten Jahr mit dem doppelten Abijahrgang in Berlin noch schwieriger wird, hier einen Studienplatz zu bekommen.

So lief die Bewerbung
Ich habe einen Abiturschnitt von 1,8. Da hatte ich schon gehofft, dass ich in Physikalische Ingenieurwissenschaften an der TU reinkomme, weil der NC im letzten Jahr bei 2,0 lag. Aber ich wusste auch, dass es schwer werden wird. Und tatsächlich: Diesmal liegt der NC bei 1,7, und ich kam nur auf den 15. Warteplatz. Leider hat keiner abgesagt, daran sieht man schon, wie hart umkämpft es dieses Jahr war. In Physik konnte ich mich dann so einschreiben, weil es dieses Jahr keinen NC gab. An der FU und der HU hatte ich mich auch für Lehramt Physik und Biologie beworben und sogar Zusagen bekommen. Aber letzten Endes habe ich mich dagegen entschieden, weil Lehramt nicht wirklich mein Fall ist.

Das erwarte ich von der Uni
Mathematik könnte schwer werden. Ich habe einen „Early-Bird-Kurs“ für Studienanfänger in den vergangenen Wochen in Mathe mitgemacht, und der Unterschied zur Schule war ziemlich groß. Das geht alles viel schneller an der Uni, man muss den Stoff sofort verstehen und anwenden können. Da wurde schon klar, dass man an der Uni sehr viel stärker für sich selbst verantwortlich ist als an der Schule. Das finde ich aber eigentlich gut. Positiv ist auf jeden Fall, dass ich mit einem zusammen studiere, mit dem ich zur Schule gegangen bin. Wir können uns hoffentlich gegenseitig ein wenig unterstützen.

Anmerkung der Redaktion: Da sich das Studium von Sophie inzwischen in eine andere Richtung entwickelt hat, verzichten wir anders als in der ursprünglichen Version des Textes hier auf ihren vollen Nachnamen.

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