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Eine Gruppe von Mädchen, eines sitzt im Rollstuhl, ist lachend in einer Schulturnhalle zu sehen.

© Andreas Arnold/dpa

Kritik an uneinheitlichen Modellen zur Inklusion: Nur ein bisschen Gemeinsamkeit

Bundesweit gelten viele Maßstäbe für den gemeinsamen Unterricht von Behinderten und Nichtbehinderten. Die Inklusionsquoten der Länder seien kaum aussagekräftig, kritisiert eine Berliner Bildungsforscherin.

Wie Kinder und Jugendliche mit Behinderungen integrativ oder inklusiv unterrichtet werden, gleicht einem Flickenteppich. Auch sechs Jahre, nachdem Deutschland die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen ratifiziert hat, gibt es von Land zu Land große Unterschiede beim geforderten „Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen“. Die Inklusionsquote, die die Bundesländer ausweisen, sage wenig über die bislang erzielten Fortschritte aus, schreibt Jonna M. Blanck, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung in ihrer jetzt veröffentlichten Analyse „Die vielen Gesichter der Inklusion“. In den 16 Bundesländern hat Blanck aufgrund von Schulgesetzen und Berichten der Kultusministerien 80 verschiedene Integrationsformen identifiziert.

Das Spektrum beginnt mit Kooperationen zwischen Sonder- und Regelschulen, bei gemeinsamen Ausflügen oder Unterricht von Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Die Kooperation gilt in der Hälfte der Länder als ein Schritt zur Inklusion, Blanck kritisiert sie aber als „am stärksten segregierende Form“. In elf Ländern können Kinder mit Förderbedarf darüber hinaus auf Regelschulen in Sonderklassen unterrichtet werden – nach Lehrplänen der Sonderschulen. Dabei sollen Schüler und Lehrkräfte innerhalb und außerhalb des Unterrichts mit einer Regelklasse kooperieren.

Wie oft wie viele Sonderpädagogen helfen, ist offen

Doch auch die Integration von Schülern, die etwa lernbehindert sind oder deren geistige Entwicklung verzögert ist, in Regelklassen ist überaus heterogen, stellt Blanck fest. Gemeinsam ist ihnen nur, dass die Lehrkräfte von Sonderpädagogen unterstützt werden. Wie viele Stunden dafür zur Verfügung stehen, ist nicht einheitlich festgelegt – mal richtet sich die Unterstützung nach dem individuellen Förderbedarf der Kinder, mal wird sie pauschal zugewiesen.

Gleichzeitig wird nur in wenigen Ländern vorgegeben, in welchem Umfang die Schüler gemeinsam unterrichtet werden sollen. Hier haben Schulen von der „umfassenden Teilnahme“ bis zu gesonderten Kursen, Lern- und Kleingruppen oder der Einzelförderung viele Möglichkeiten. Für die Zahl der Inklusionsschüler in einer Klasse dagegen gibt es in der Regel Mindest- und Höchstvorgaben – je nach Integrationsform von einzelnen Kindern bis zu „maximal einem Drittel“. Dem Ideal der Inklusion am nächsten kommt aus Blancks Sicht indes die Prävention. Dabei werden all die Kinder an Regelschulen sonderpädagogisch unterstützt, bei denen die Lehrkräfte einen Förderbedarf vermuten – auch ohne offizielle Diagnose. In den meisten Ländern sind sonderpädagogische Dienste für die Prävention zuständig, sie kommen beispielsweise als „Mobiler Dienst“ in die Schule, oder die Schulen haben eigene Sonderpädagogen.

Höhere Inklusionsquote, weil Regelschulen mehr Schüler melden

Um die Fortschritte der Inklusion tatsächlich messbar zu machen, brauche es deutschlandweit vergleichbare statistische Angaben, fordert Blanck. Ihre Beschreibung verschiedener Typen von Integrationsformen – von Prävention über Integration in Regelklassen bis zur Kooperation – könne eine Grundlage dafür bieten.

Die Statistik ist auch aus einem anderen Grund irreführend: Die Zahl von Kindern, die ohne Inklusionsmaßnahmen an Sonderschulen unterrichtet werden, ist trotz steigender Integrationsquoten stabil. Denn mehr und mehr Schüler an Regelschulen würden als förderbedürftig eingestuft. Welche der vielen Integrationsformen am besten seien, müsse durch Studien in den Schulen untersucht werden, schreibt Blanck.

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