zum Hauptinhalt
Gemeinsam studieren. Der Anteil von Frauen mit ausländischen Wurzeln ist an deutschen Universitäten nach wie vor gering. Spezielle Programme sollen helfen, mehr von ihnen für ein Studium zu begeistern.

© dpa

Migrantinnen an der Uni: Gemeinsam Kaffee trinken – und dann studieren

Ein Viertel der jungen Menschen in Deutschland hat einen Migrationshintergrund, an die Uni gehen aber nur vergleichsweise wenige. Mit besonderen Mentorenprogrammen und Beratungsangeboten sollen sie für das Studium begeistert werden - vor allem Frauen.

Für schwangere Frauen gab es lange Zeit keine geeigneten Sicherheitsgurte. Die ersten Roboter mit Spracherkennung hörten nur auf männliche Stimmen. Und Herzinfarkte bei Frauen konnten oft nicht rechtzeitig bemerkt werden, weil sie sich anders bemerkbar machen als bei Männern. Wie es dazu kommen konnte? Eine Antwort lautet: Die Forscherteams waren männlich, weiß – zu wenig divers, um andere Ergebnisse liefern zu können.

Auch heute sind deutsche Unis noch immer vor allem eins: deutsch. Nur etwa zwölf Prozent der Studierenden haben einen Migrationshintergrund. Außerhalb der Universität sind es bei den unter 25-Jährigen über ein Viertel, in der Gesamtbevölkerung ein Fünftel. Wie sind die restlichen Migrantenkinder den Hochschulen verloren gegangen? Warum lässt sich Deutschland in Zeiten des Fachkräftemangels dieses Potenzial entgehen? Und was kann man dagegen tun? Antworten darauf suchten am Samstag Berlins Integrationssenatorin Dilek Kolat und vier weitere Diskutanten in einer Podiumsdiskussion an der TU Berlin als Abschluss des Projektes „Technik braucht Vielfalt“.

In dem Projekt bauen die TU Berlin sowie Hochschulen in Darmstadt, Stuttgart und Esslingen seit 2012 ein Netzwerk aus regionalen Migrantenselbstorganisationen auf. Sie sollen vor allem Mädchen mit Migrationshintergrund für die MINT-Studienfächer begeistern, also für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik. Dazu wurden unter anderem mit Kulturvereinen wie dem türkischen Elternverein Berlin-Brandenburg Beratungsangebote geschaffen. Mit Erfolg, wie das Projekt zeigt. Die kulturnahe Beratung funktioniert, weil sie mit Vorbildern und Identifikation arbeitet.

Dilek Kolat weiß das aus eigener Erfahrung. Als TU-Studentin arbeitete sie in der Studienberatung und merkte, dass es für türkische Abiturientinnen ein Highlight war, mit einer Person zu sprechen, die den gleichen Hintergrund hat wie sie selbst. „Die Uni wird dadurch zum begehbaren Ort“, sagte sie. Viele würden erstmals denken: „Wenn sie, Dilek, es geschafft hat, dann kann ich, Ayse, das auch.“

Von einer guten Erfolgsquote berichtete auch Gabriele Spengler von der Universität Duisburg-Essen. Dort gibt es ein Projekt, in dem Studenten Mentoren für Schülerinnen und Schülern aus Nichtakademikerfamilien mit und ohne Migrationshintergrund sind. Sie gehen zusammen klettern oder Kaffee trinken. Alle Schüler schafften das Abitur, die meisten studieren nun. „Die Vorbilder verringern die Hemmschwelle der Jugendlichen, sich selbst etwas zuzutrauen“, sagte Spengler.

Gerade Migrantinnen müssen viele Widerstände in den Köpfen überwinden. Die Gesellschaft, inklusive ihrer Eltern, sieht in ihnen oft Friseurinnen, nicht aber Ingenieurinnen. Aber auch sie selbst wagen meist nicht, Plätze in der Gesellschaft einzufordern, die ihnen selbst gefühlt nicht zustehen. „Kästchendenken“ nennt das Gary Pavkovic, der Integrationsbeauftragte der Stadt Stuttgart. „Die Weichen werden allerdings viel früher gestellt“, gibt er zu bedenken. „Man mutet Migranten von Anfang an wenig zu, Mädchen noch weniger als Jungs.“

So endeten mit einer falschen Grundschulempfehlung bereits viele potenzielle Akademikerinnenkarrieren. Beinahe auch die von Dilek Kolat. Ihr wurde einst geraten, auf die Hauptschule zu gehen.

Zur Startseite