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Lagerarbeiter in einem Logistikunternehmen.

© picture alliance / dpa

Pisa für Erwachsene: Rechnen gut, Jobaussichten schlecht

Fehlt ein formaler Berufsabschluss, helfen in Deutschland auch mathematische Kompetenzen nicht. Das zeigt jetzt eine Sonderauswertung zu PIAAC, dem Pisa für Erwachsene.

Sind die Schüler von heute fit für den Arbeitsmarkt von morgen? Diese Frage steht hinter den großen internationalen Bildungsstudien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit der Jahrtausendwende. 2013 wurde dann erstmals auch eine Studie zu den Fähigkeiten von Erwachsenen veröffentlicht. PIAAC (Programme for the International Assessment of Adult Competencies) misst, wie gut weltweit Menschen im erwerbsfähigen Alter lesen, rechnen und mit digitalen Medien umgehen können. Getestet wurden alltägliche Fähigkeiten, wie man sie etwa beim Einkaufen braucht, zur Interpretation von Statistiken oder um sich im öffentlichen Nahverkehr zurechtzufinden.

Doch ob nun 15- oder 35-Jährige untersucht werden, stets liegt dasselbe Kompetenzmodell zugrunde: Wer nur auf der ersten von fünf Kompetenzstufen lesen oder rechnen kann, also nicht in der Lage ist, etwas komplexere Aufgaben zu lösen, gehört der „Risikogruppe“ an, die weder im Alltag noch im Berufsleben gut zurechtkommen kann. In Mathematik gehören aktuell knapp 17,7 Prozent der deutschen Schüler dieser Gruppe an, beim „Erwachsenen-Pisa“ waren es 18,5 Prozent.

Formal gering Qualifizierte profitieren kaum von Mathe-Kenntnissen

Eine Sonderauswertung von PIAAC zeigt jetzt allerdings: Gut rechnen zu können, hilft Erwachsenen nichts, wenn sie nicht gleichzeitig einen formalen Berufsabschluss haben. Das gilt vor allem für Deutschland und die USA, wie aus einer jetzt veröffentlichten Studie von Heike Solga, Bildungsforscherin am Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin (WZB), und ihrem Kollegen Jan Paul Heisig hervorgeht. Auf dem deutschen Arbeitsmarkt profitierten formal gering qualifizierte Männer – also solche ohne Berufsausbildung oder Hochschulabschluss, unabhängig vom Schulabschluss – kaum von höheren mathematischen Kompetenzen, heißt es.

Solga und ihr Team haben im Auftrag des Bundesbildungsministeriums die PIAAC-Daten hinsichtlich der Fähigkeiten und Arbeitsmarktchancen Geringqualifizierter neu ausgewertet. Dabei konzentrierten sie sich auf die alltagsmathematischen Kompetenzen, wobei sie betonen, dass die Ergebnisse für die Lesefähigkeit ähnlich ausfallen würden. Ausgewertet wurden nur Daten zu Männern zwischen 24 und 54 Jahren, weil die Erwerbstätigkeit von Frauen ohne erlernten Beruf „stark von ihrer familiären Situation abhängt“.

Fit für anspruchsvolle Jobs, trotzdem nur angelernt

Aufgefallen ist den WZB-Forschern vor allem die Gruppe der guten Rechner unter den Geringqualifizierten: Immerhin 17 Prozent erreichen Kompetenzstufe 3 und haben damit ein ausgeprägtes Zahlenverständnis und räumliches Vorstellungsvermögen, sie können etwa Daten und Statistiken in Texten, Tabellen und Grafiken interpretieren und analysieren. Das reiche gemeinhin, um anspruchsvollere Tätigkeiten auszuüben, schreiben Solga und Heisig. Das gute Abschneiden der 17-Prozent-Gruppe innerhalb der formal Geringqualifizierten ist leicht erklärt: Zumeist handelt es sich um Männer mit Realschulabschluss oder Abitur. Gleichwohl zahlten sich ihre guten mathematischen Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt kaum aus, heißt es. Sie hätten zwar ein geringeres Risiko, nur einen un- oder angelernten Job zu finden, als die Männer, die lediglich die unteren beiden Stufen erreichen. Gleichwohl liegt aber das Risiko der mathematisch Kompetenten, arbeitslos zu sein, mit 30 Prozent ebenso hoch wie bei den anderen Gruppen. International seien Deutschland und auch die USA damit Sonderfälle, betonen die Forscher. In allen anderen 22 Ländern, die an PIAAC teilgenommen haben, hätten Männer mit niedriger Qualifikation, aber besseren alltagsmathematischen Fähigkeiten, mehr Erfolg auf dem Arbeitsmarkt.

Viele sind bislang von Weiterbildung ausgeschlossen

Für die Wissenschaftler vom WZB liegt auf der Hand, dass der deutsche Arbeitsmarkt auf formale Qualifikationen fixiert ist. Daraus leiten sie Empfehlungen für die Weiterbildung ab: Es reiche nicht, nur die allgemeinen Kompetenzen Geringqualifizierter zu erhöhen. Dies müsse mit beruflichen Nachqualifizierungen verbunden und mit entsprechenden Zertifikaten honoriert werden. Bislang seien Menschen ohne formalen beruflichen Abschluss aber meist von betrieblicher Weiterbildung ausgeschlossen – und selber wenig motiviert, sich zu verbessern.

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