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POSITION: Lehrjahre im Labor

Nicht jeder Doktorand braucht eine Stelle – ein Stipendium ist genauso attraktiv. Zur Kritik an Promotionen in der Max-Planck-Gesellschaft

Wut der Doktoranden: Schafft die Stipendien ab!“ – so lautete unlängst die Schlagzeile eines Onlinemagazins. Einzelne Promotionsstipendiaten der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) klagten, gegenüber Doktoranden, die auf einer Stelle promovieren, finanziell benachteiligt zu sein. Die GEW legte nach und warf der Max-Planck-Gesellschaft gar „Tarifflucht“ vor angesichts der Tatsache, dass Doktoranden auf halber Stelle beschäftigt werden. Das laute Getöse lässt dabei leider die eigentlichen Fakten aus dem Blick geraten. Worum geht es bei einer Promotion?

„Das Doktor-Werden ist eine Konfirmation des Geistes“, schrieb einst Georg Christoph Lichtenberg und traf damit den Kern der Promotion: eine Arbeit, bei der man sich über Jahre hineinvertieft in „sein“ Thema, bei der man ein hohes Maß an Motivation aufbringen und intellektuelle Kreativität entwickeln muss und bei der man an wissenschaftliches Arbeiten herangeführt wird.

Die Promotion gilt zu Recht als der authentischste aller akademischen Abschlüsse. Ein „ganzer“ Wissenschaftler ist man zu Beginn noch lange nicht, ein „ganzer“ Wissenschaftler soll man dabei werden. Insofern handelt es sich um „Lehrjahre im Labor“, und als solche werden sie in der Regel auch nicht wie eine „ganze“ Stelle vergütet – und das ist weitgehende Praxis an allen Forschungseinrichtungen und Universitäten.

Dass nur ein Teil der Doktoranden einen Fördervertrag bekommt und ein anderer mit einem Stipendium promoviert, ist auch nicht grundsätzlich abzulehnen. An den Eliteeinrichtungen in den USA und England wie Harvard, Stanford, Cambridge oder Oxford promovieren junge Nachwuchswissenschaftler in der Regel ebenfalls nicht auf einer vollen Stelle, sondern mit einem Stipendium oder Teilstipendium, mit dem sie darüber hinaus noch die Studiengebühren finanzieren müssen. Die Stipendien werden in einem strengen Auswahlverfahren vergeben.

Förderung mit Stipendien ist in der Wissenschaft das Instrument schlechthin.

Das gilt übrigens auch für die jährlich 4000 Promovierenden in Deutschland, die ein Stipendium von einem der zwölf Begabtenförderwerke erhalten. Gesucht werden hier nicht nur „helle Köpfe“, die überdurchschnittliche Leistungen in Schule und Studium erbracht haben, hier wird auch nach gesellschaftlichem Engagement gefragt. Weniger als 20 Prozent der Bewerber schaffen den Sprung in die Förderung.

Sie sind zu Recht stolz auf ihr Stipendium, denn es zeichnet sie als hoch motivierte, qualifizierte und auch außerfachlich engagierte Promovierende aus. Insofern greift der Vorwurf einer Zweiklassengesellschaft in der Promotionsförderung einfach zu kurz – Deutschlands gesamte Begabtenförderung fußt auf Stipendien!

Die Doktoranden fordern auch gar nicht die Abschaffung der Stipendien – hier führt die Schlagzeile des Onlineartikels in die Irre. Das PhDnet, die Interessenvertretung der Doktoranden in der Max-Planck-Gesellschaft, hat sich in den vergangenen Jahren vor allem dafür eingesetzt, dass – unabhängig vom Finanzierungsmodell – die Doktoranden an unseren Instituten eine finanziell vergleichbare Förderung erhalten.

Die Max-Planck-Gesellschaft hat deshalb die Stipendien mit einem Krankenkassenzuschuss, einer attraktiven Kinderzulage sowie weiteren finanziellen Beiträgen für Familien entsprechend aufgewertet.

Viele unserer ausländischen Doktoranden schätzen ein Stipendium der Max-Planck-Gesellschaft als besondere Auszeichnung, die es ihnen ermöglicht, ihre Doktorarbeit frei und unabhängig in einer international anregenden Forschungsumgebung durchzuführen. Unsere jungen Nachwuchswissenschaftler kommen aus 100 Ländern dieser Erde zu uns. Sie können einen entscheidenden Abschnitt ihrer Karriere in einem kreativen Kosmos absolvieren, in dem interdisziplinäre und interkulturelle Ansichten und Denkweisen kluger Köpfe zum Tragen kommen.

Und damit sind wir wieder beim eigentlichen Wesen der Promotion: Die intensive Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist zuallererst eine intellektuelle und nicht eine finanzielle. Die Doktoranden schätzen die sehr gute Betreuung u. a. an unseren International Max Planck Research Schools, aber auch das Training von Soft Skills. Denn – und auch das müssen wir uns klar vor Augen führen – nur ein Teil von ihnen wird in der Wissenschaft bleiben.

Das ist kein Nachteil: Die erfolgreichste Form des Wissenstransfers ist die Ausbildung von hervorragend qualifizierten Nachwuchskräften, die leitende Funktionen eben nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch in Wirtschaft und Gesellschaft übernehmen können.

Eine Förderung mit Stipendien ist in der Wissenschaft – und zwar nicht nur national, sondern auch international – das Instrument schlechthin; sie abzuschaffen, wäre grober Unfug und würde die gesamte Nachwuchsförderung beschädigen.

Der Autor ist Präsident der Max-Planck-Gesellschaft.

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