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Zuständig. Ob die Mutter oder der Vater im Job kürzertritt, ist nicht nur eine individuelle Entscheidung. Denn Männer verdienen mehr Geld.

© picture alliance / dpa

Serie: Gender in der Forschung (9): Ökonomie fängt im Haushalt an

Warum Frauen trotz Gleichberechtigung stärker für Küche und Kinder zuständig sind als Männer.

Ökonomie ist die Kunst der Haushaltsführung, so hieß es im antiken Griechenland. Das verstaubte Leitbild der Hausfrau und Mutter hat im 21. Jahrhundert längst ausgedient. Aber trotz Emanzipationsideal und der Forderung nach Chancengleichheit der Geschlechter besteht die einseitige Zuständigkeit von Frauen für die unbezahlte Haus- und Sorgearbeit fort.

Die kürzlich erschienene Zeitbudgetstudie des Statistischen Bundesamtes zeigt erneut: Sorgearbeit für Menschen, die noch nicht oder nicht mehr für sich selbst sorgen können, wird in unserer Wirtschaftsordnung weitgehend von Frauen geleistet. Auch wenn Väter von kleinen Kindern sich mehr Zeit für ihre Kinder wünschen, ist die tatsächliche Beteiligung von Männern an Haus- und Versorgungsarbeit nach wie vor gering: Im Schnitt verbringen Männer drei Stunden pro Woche in der Küche, Frauen sieben – ganz ähnlich sieht es beim Putzen und Waschen aus.

Väter spielen hauptsächlich mit ihren Kindern

Väter verbringen täglich durchschnittlich fünfzig Minuten mit ihren Kindern, wobei sie hauptsächlich mit ihnen spielen oder Sport treiben. Mütter kümmern sich in den hundert Minuten des täglichen Zusammenseins mit ihren Kindern um deren Körperpflege, sie beaufsichtigen die Kinder, während gleichzeitig andere Haushaltstätigkeiten erledigt werden, und sie begleiten die Kinder zur Schule oder Freizeitaktivitäten. Auch die Betreuung der Hausaufgaben liegt ganz wesentlich in der Verantwortung der Mütter.

Überholt geglaubte Muster wiederholen sich

Zwar verweist die Zeitbudgetstudie auch auf Veränderungen der Zeitnutzung. Dabei fällt die Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen ohne Kinder besonders ins Auge. Aber sobald Kinder zu versorgen sind, wiederholen sich überholt geglaubte Muster der Arbeitsteilung: Mütter reduzieren ihre Erwerbstätigkeit, Väter verbleiben in der Vollzeiterwerbstätigkeit. Nicht selten erhöhen Väter sogar ihre tägliche Arbeitszeit, um den Verdienstausfall der Partnerin zu kompensieren. Während die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen also direkt abgeleitet ist von der Sorgeverantwortung für andere Menschen, verbringen Männer zwei Drittel der täglichen Zeit mit bezahlter und ein Drittel mit unbezahlter Arbeit – und zwar unabhängig davon, ob sie mit Kindern im Haushalt leben oder nicht.

Männer bleiben die Haupternährer. Das hat Folgen

Die ökonomische Geschlechterforschung fragt danach, wie dieses Muster der geschlechtlichen Arbeitsteilung zu erklären ist. Es entspricht ja keineswegs den Ideen von Gleichberechtigung in den Geschlechterverhältnissen und der Vorstellung von Emanzipation von Frauen durch Erwerbsarbeit und der Emanzipation von Männern durch Beteiligung an der Haus- und Sorgearbeit. Eine der Erklärungen, die sich hier anbieten, liegt im Gender Pay Gap, also der um etwa ein Viertel bis ein Fünftel geringeren Entlohnung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt.

Die Entscheidung, wer im Job reduziert, fällt ökonomisch rational

Auch wenn Kritiker gerne auf methodischen Detailfragen bei der Errechnung des Einkommensunterschieds zwischen Frauen und Männern insistieren, bleibt eines jedoch unbenommen: die systematisch geringeren Einkommen von Frauen im Verhältnis zu Männern und dies durchgängig in allen Industrieländern Europas. Man könnte also sagen, dass die individuellen Verhandlungen von Eltern, welcher der Partner denn nun die Erwerbsarbeit einschränkt, um die Versorgungsarbeit von Kindern zu übernehmen, keine individuellen Ergebnisse erbringt. Im Gegenteil: Der Gender Pay Gap im Erwerbsleben sichert ab, dass es logisch und ökonomisch vernünftig erscheint, dass Frauen ihre Erwerbsarbeit reduzieren. Denn der damit einhergehende Einkommensverlust ist geringer, als wenn Männer auf einen Teil des Haushaltseinkommens durch Reduzierung ihrer Erwerbsarbeit verzichten.

Männer und Hausarbeit - nach allgemeinem Verständnis passt das nicht gut

Dennoch gilt es festzuhalten, dass die Erwerbsarbeit für Frauen unabhängig von ihren Einkommenschancen einen hohen Stellenwert hat und sie trotz ihrer Sorgeverantwortung im Berufsleben verankert bleiben wollen. Ökonomisch gesehen gelten sie jedoch als Zuverdienerinnen, während Männer nach wie vor als Haupternährer der Familie betrachtet werden.

Eine weitere Erklärung dafür, warum sich in der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern so wenig verändert, liegt in der gesellschaftlichen Vorstellung von Männlichkeit. Männer und Hausarbeit, das passt im allgemeinen Verständnis nach wie vor nicht so richtig zusammen. Väter, die ihre Arbeitszeit reduzieren wollen oder mehr als die gesetzlich garantierten zwei Monate Elternzeit in Anspruch nehmen möchten, berichten davon, wie schwierig es ist, dies auch in die Tat umzusetzen.

Teilzeit kann sich negativ auf die Karriere auswirken

Manche Vorgesetzte sprechen sich zwar grundsätzlich für eine gelungene Work-Life-Balance aus. Wenn das aber konkret bedeutet, nicht mehr über die volle Arbeitszeit eines Beschäftigten verfügen zu können, dann kann die prinzipielle Familienfreundlichkeit dieses Vorgesetzten schnell umschlagen und sich negativ auf die Karriere dieses Mannes auswirken. Frauen kennen diese Reaktion des Arbeitsmarktes schon lange. Unzählige Frauen haben erlebt, dass sie nach einer Erwerbsunterbrechung aufgrund von Familienarbeit nicht mehr auf vergleichbare, verantwortungsvolle Posten in ihrem früheren Betrieb oder im vorher ausgeübten Beruf zurückkehren können.

Pendelnde Migrantinnen

So wenig Männlichkeit und Sorgearbeit zusammenzupassen scheinen, so gut ergänzen sich offensichtlich Weiblichkeit und Sorgeverantwortung. Ein deutlicher Indikator dafür ist die globale Versorgungskette, mit der Versorgungslücken in reichen Ländern durch migrierte Frauen aus ärmeren Ländern geschlossen werden. Das können in Berlin Frauen aus Polen, der Slowakei oder der Ukraine sein, die auf diese Weise für den Unterhalt ihrer eigenen Familien aufkommen. Ohne die Arbeit dieser meist zwischen hier und dort pendelnden Migrantinnen wären viele Haushalte in Deutschland im Versorgungsnotstand.

Reinigungsfrauen helfen - so wird die Geschlechterordnung fortgeschrieben

Der Arbeitsplatz Privathaushalt der Mittelschicht ist heute vielfach ein Arrangement aus Reinigungsfrauen, Au-Pair-Mädchen, In-House-Pflegerinnen und einer Haushaltsmanagerin, die Hausarbeiterinnen, Familienangehörige und ihre jeweiligen Arbeits- und Zeitpläne miteinander koordiniert. An diesem privaten Arbeitsort, der der öffentlichen Kontrolle weitgehend entzogen ist, wird die symbolische Geschlechterordnung immer wieder neu bestätigt. Auch wenn im Haushalt Frauen unterschiedlicher Herkünfte mit unterschiedlichen Einkommenschancen und unterschiedlichem Sozialprestige arbeiten, so arbeiten dort eben fast ausschließlich Frauen. Damit wird die Alleinzuständigkeit von Frauen für die Haus- und Sorgearbeit aufrechterhalten und die Privatsphäre als weiblicher Raum fortgeschrieben.

Sorgearbeit gilt für Frauen als ganz natürlich

Warum aber wird Sorgeverantwortung für Menschen, die nicht für sich selbst sorgen können, also Kinder und alte und kranke Menschen, so stark mit Weiblichkeit identifiziert? Die Geschlechterforschung sieht eine Erklärung darin, dass aus der Gebärfähigkeit des Frauenkörpers eine quasi natürliche Zuständigkeit von Frauen für die Beziehungsarbeit mit Menschen abgeleitet wird. Dies gilt im Übrigen nicht nur für die Arbeit im Privathaushalt, sondern auch für sogenannte Frauenarbeitsplätze im Pflege- und Erziehungsbereich.

Dass diese Gebärfähigkeit nur eine Option darstellt, die keineswegs von allen Frauen realisiert wird, gerät dabei anscheinend in Vergessenheit. Kinder bekommen und erziehen findet darüber hinaus auch in Familienzusammenhängen statt, die nicht auf einem für natürlich gehaltenen heterosexuellen Kontrakt beruhen. Auf dem Arbeitsmarkt jedoch wird prinzipiell allen Frauen unterstellt, schwanger werden und temporär als Arbeitskraft ausfallen zu können. Ökonomisch gesprochen sind Investitionen in das weibliche Humankapital also risikobehaftet. Entsprechend werden Frauen geringer entlohnt, womit sich der Kreis beim Gender Pay Gap und bei der Organisation des Arbeitsmarktes entlang der Geschlechterlinie schließt.

Arbeitsmarkt und Familie beeinflussen einander

Familie und Arbeitsmarkt sind Institutionen, die wechselseitig miteinander verschränkt und aufeinander angewiesen sind. Weder Arbeitsmarkt noch Familie lassen sich unabhängig voneinander analysieren, und in ihrer Funktionsweise lassen sie sich nur als vergeschlechtlichte Institutionen verstehen. Der Staat kann diese Verschränkung von Markt und Familie in unterschiedlicher Weise beeinflussen, sei es durch familienpolitische Maßnahmen, sei es durch das Steuerrecht, beispielsweise das Ehegattensplitting, sei es durch die Bereitstellung und ausreichende Finanzierung von sozialen Infrastrukturen der Versorgung und Pflege.

Ökonomie als die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse verstehen

Mit den Regelungen zur Elternzeit, dem Ausbau der Kinderbetreuung oder der Pflegereform wurden Schritte in Richtung einer Entlastung von Frauen von der Alleinzuständigkeit für die Verantwortungs- und Sorgearbeit unternommen. Dass Männer in dieser Arbeitssphäre aber nach wie vor so gut wie abwesend sind, ist bedenklich. Schließlich ist die Sorge für andere Menschen nicht nur individuelle Last, sondern auch Chance für einen anderen gesellschaftlichen Blick auf die Ökonomie: Wenn wir Ökonomie als die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse verstehen, dann liegt in der Sorge für das Wohlergehen von anderen und von sich selbst der Schlüssel für ein anderes Wirtschaften. Auf diesem Fundament beruht ein neues Verständnis gesellschaftlicher Wohlfahrt.

Die Autorin ist Professorin für Gender und Globalisierung an der Humboldt-Universität zu Berlin. - Mit diesem Beitrag endet unsere Serie "Gender in der Forschung". Alle Teile finden Sie hier: Teil 1 -"Keine Angst vorm bösen Gender" (von Ilse Lenz), Teil 2 - "Auch das Biologische ist sozial" (von Kerstin Palm), Teil 3 - "Lernen, wie man Grenzen zieht" (von Heinz-Jürgen Voß), Teil 4 - "Riskante Ideale von Männlichkeit" (von Ahmet Toprak), Teil 5 - "Der moderne Mann sucht - sich selbst" (von Michael Meuser), Teil 6 - "Philosophieren über Gender" (von Susanne Lettow). Teil 7 - "Anders zu sein war immer normal" (von Martin Lücke). Teil 8 -"Gott ist männlich und weiblich" (von Claudia Janssen)

Christine Bauhardt

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