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Ungeliebtes Zweitfach. Die Humboldt-Uni rät Studienanfängern, die mit der Zuweisung nicht leben können, sich im ersten Semester voll aufs Kernfach konzentrieren.

© ddp

Studium: Theologie für Atheisten

Wer an Berliner Universitäten keinen Platz im gewünschten Zweitfach erhält, bekommt ein anderes aufgedrückt. Erst später, meist im dritten Studiensemester, kann man versuchen zu wechseln.

Eine Berliner Abiturientin will Spanischlehrerin werden. Die Berufsaussichten sind gut. Spanisch ist überaus beliebt bei den Schülern, und an den Schulen fehlen Lehrkräfte. An der Humboldt-Universität bekommt die junge Frau auch auf Anhieb einen Platz im Bachelorstudiengang Spanisch. Große Freude, alle gratulieren. Doch einige Wochen später kommt der Schock: Als zweites Fach bietet ihr die Uni nicht wie gewünscht einen Platz in Biologie, Geografie oder Geschichte an, sondern in Evangelischer Theologie. Inakzeptabel für die Abiturientin, sie ist Atheistin. Doch bei der Studienberatung erfährt sie: Entweder sie akzeptiert die Zuweisung der Uni oder sie kann ihr Studium gar nicht antreten.

Die angehende Spanischlehrerin ist mit ihrem Problem nicht allein. Wie viele Studienanfänger betroffen sind, weiß die Humboldt-Universität nicht. Aber in studentischen Foren im Internet wird das Thema seit Wochen diskutiert, und die Studienberatung sagt, dass es in einem großen Teil der Anfragen, die die Hotline erreichen, um ungewollte Zweitfächer geht.

Warum weist die Uni ihren Bewerbern Fächer zu, für die sie sich gar nicht beworben haben? Warum sollen Atheisten Theologie studieren oder Mathemuffel Mathematik? Der Grund liegt in den lokalen Zulassungsbeschränkungen, die für die meisten Fächer gelten. Wer etwa stark nachgefragte Fächer wie Biologie, Geografie oder Geschichte studieren will, braucht einen sehr guten Abidurchschnitt. In den vergangenen Jahren lag der Numerus clausus (NC) in diesen Fächern zwischen 1,5 und 1,8. Die Studierenden, die in ihrem Kernfach einen Platz sicher haben, bei denen es aber nicht für eines ihrer drei angegebenen Wunschfächer reicht, werden in Fächer verschoben, in denen noch Plätze frei sind. Für Lehramtsstudierende ist das Angebot besonders klein. Infrage kommen nur wenig nachgefragte Fächer wie Evangelische Theologie, Slawistik, Mathematik oder Informatik.

Wer sein Studium an der HU aufnehmen will, muss also das ungeliebte, ihm zugewiesene Zweitfach in Kauf nehmen. Erst später, meist im dritten Studiensemester, kann man versuchen zu wechseln. Zum Wintersemester 2011/2012 – und in einigen wenigen Fächern auch zum kommenden Sommersemester – können sich die Studierenden erneut um einen Studienplatz im Zweitfach bewerben. Dabei konkurrieren sie allerdings mit allen übrigen Bewerbern, alten und neuen. Der Vizepräsident für Studium, Uwe Jens Nagel, empfiehlt darum, sich beim zweiten Mal auf ein Fach zu bewerben, das im Vorjahr zulassungsfrei war oder einen weichen NC hatte, aber den eigenen Interessen eher entspricht. Die Spanischstudentin könnte es etwa mit Latein versuchen, in dem der NC zuletzt nur bei 2,1 lag.

Ein Quereinstieg ins Zweitfach, wie er in den alten Magisterstudiengängen praktiziert wurde, sei heute nicht mehr möglich, betonen Studienberater an der HU. Zwar könnten Studierende im Rahmen des Wahlbereichs im Kernfach auch eine Lehrveranstaltung im gewünschten Zweitfach belegen. Leistungsnachweise würden aber nicht für einen Einstieg im zweiten oder dritten Fachsemester anerkannt.

Die HU rät Studienanfängern, die sich gar nicht mit ihrem Zweitfach anfreunden können, sich in den ersten beiden Semestern voll auf ihr Kernfach zu konzentrieren, dort so viele Studienpunkte wie möglich zu sammeln, erklärt Nagel: Niemand solle gezwungen werden, ein Fach zu studieren, das nicht seiner Neigung oder Eignung entspricht.

Auch an der Freien Universität behindert der NC Wunschkombinationen. Das Verfahren ist aber etwas offener. Wer keinen Platz in seinem gewünschten Zweitfach erhält, bekommt nicht einfach ein Ersatzfach zu gewiesen, sondern kann unter vier Ausweichfächern wählen. Bei Lehramtsstudierenden sind das Informatik, Physik, Griechische Philologie und Katholische Religion. Zum Wintersemester 2006/7 hat die FU außerdem die Bewerbungsbedingungen umgestellt. Seitdem man nur noch eine Kombination von Kern- und einem gewünschten Zweitfach (an der FU Modulangebot genannt) und nicht wie vorher von drei Fächern angeben kann, gebe es nicht mehr so viele Beschwerden, sagt eine Sprecherin. Das dann aus der Liste der freien Zweitfächer gewählte Fach kann man aber auch an der FU nur zum nächsten oder übernächsten Semester loswerden – wenn die Neubewerbung erfolgreich ist.

Eingeschränkt werden angehende Lehramtsstudierende an Berliner Universitäten in ihrer Fachwahl nicht nur durch den NC. In den Hochschulverträgen hat Wissenschaftssenator Jürgen Zöllner beliebte Fächerkombinationen von vornherein ausgeschlossen, für die er in Zukunft keine hohe Nachfrage an Berliner Schulen sieht: Lehramtsstudierende dürfen nicht mehr Deutsch, Geschichte und Sozialkunde miteinander kombinieren. Eine Einschränkung der in der Verfassung garantierten freien Berufswahl kann Zöllner darin nicht erkennen: „Der Staat spielt bei den Lehramtsstudiengängen nun mal eine Sonderrolle, weil er selbst Abnehmer der Absolventen ist“, sagt er auf Anfrage. Bestimmte Kombinationen seien angesichts des Lehrermangels in manchen Bereichen nun einmal von besonderem Interesse, andere nicht. Die Studierenden seien ja nicht generell daran gehindert, ihre Wunschkombination zu studieren – sondern nur im Lehrerstudium.

Die angehende Spanischlehrerin mit dem atheistischen Hintergrund will nun an der HU erst mal Spanisch studieren und sich später für ein neues Zweitfach bewerben. Denn eines sei klar, schreibt sie in einem Internetforum: „Ich werde niiie Religion unterrichten können.“

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