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Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und die neuen Senatoren.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Berlins neuer Senat: Der Bürgermeister und seine neuen Senatoren

Berlins neue rot-rot-grüne Regierung ist im Amt. Aber wer sind die Frauen und Männer im Senat? Wir stellen sie vor.

Als Sieger ging Michael Müller 2014 aus dem Mitgliederentscheid der Berliner Sozialdemokraten hervor und folgte Klaus Wowereit als Regierender Bürgermeister nach. Am Donnerstag wurde Müller, der am heutigen Freitag seinen 52. Geburtstag feiert, mit einer deutlichen Mehrheit wiedergewählt. Als Regierender Bürgermeister bestimmt Müller die Richtlinien der Regierungspolitik, er hat Richtlinienkompetenz und das Recht, über alle Amtsgeschäfte von seinen zehn Senatoren Auskunft zu verlangen. Müller vertritt außerdem die Regierung nach außen. Sein Amtsbereich ist in der Senatskanzlei, in der er auch die Geschäfte als BER-Aufsichtsratsvorsitzender führt. In dieser Legislaturperiode soll der BER nun endlich eröffnen. Wann, ist weiterhin unklar. Zur Chefsache hat Michael Müller die Flüchtlingsunterbringung gemacht. Er will zügig die Turnhallen freiziehen lassen – auch in der Weihnachtszeit. Und er will die Investitionsprogramme, die Rot-Rot-Grün verabschiedet hat, so schnell wie möglich auf den Weg bringen.

Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, bei der Ernennungszeremonie des neuen Senats.
Michael Müller (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin, bei der Ernennungszeremonie des neuen Senats.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Müller wird sich als Regierungschef auch daran messen lassen müssen, ob und wie schnell das Chaos in den Bürgerämtern beseitigt wird, und wann die Verwaltung wieder als guter Dienstleister für die Bürger funktioniert. Rot-Rot-Grün hat angekündigt, im Bund aktiver zu sein und Bundesratsinitiativen anzuschieben. Es wird die Aufgabe der Senatskanzlei sein, dafür Mehrheiten in den Ländern zu finden.

Müller, der Wissenschaftssenator

Am wichtigsten sind die Verhandlungen über die neuen Hochschulverträge für 2018 bis 2022, die in Kürze beginnen. Die Hochschulen fordern mehr Geld, etwa für zusätzliche Studienplätze in der Lehrerbildung. Außerdem müssen sie ihre alarmierend knappen Rechnerkapazitäten erweitern. Gut möglich, dass dem Senat dies einleuchtet. Wird der Regierende Bürgermeister "sein2 Wissenschaftsressort finanziell fortan generell bevorzugen? "Wir hoffen es, wir sind aber natürlich Realisten", sagt FU-Präsident Peter-André Alt. Den Unis ist klar, dass auch Müller für sein Ressort im Senat ringen und sich mit dem Finanzsenator auseinandersetzen muss.

Weitere Themen, die Staatssekretär Steffen Krach für die Legislaturperiode auf seiner To-Do-Liste hat: Wege müssen gefunden werden, wie mehr Wissenschaftler sichere Jobs bekommen. Außerdem muss das Uni-Med-Gesetz wegen eines Gerichtsurteils geändert werden. Und die Integration des Herzzentrums in die Charité muss unterstützt werden. Krach bleibt für die Hochschulen der erste Ansprechpartner. Die Hochschulpräsidenten haben damit sicher kein Problem. Sie schätzen Krachs Engagement.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres

Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und die neuen Senatoren.
Der Regierende Bürgermeister Michael Müller und die neuen Senatoren.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Die Bildungssenatorin

Die größte personelle Kontinuität gibt es rund um Schule und Kita: Neben dem Finanzsenator ist Sandra Scheeres die einzige SPD-Ressortchefin, die ihren Bereich weitgehend behält; nur die Wissenschaft muss sie abtreten. Auch auf ihre bewährten Staatssekretäre kann sie weiterhin bauen: Sigrid Klebba hatte schon in der vergangenen Legislatur den Kita-Ausbau erfolgreich vorangetrieben, und Mark Rackles ist seit fünf Jahren der Vordenker und Problemlöser für alles Schulische. Mit dieser Besetzung kann der Quotenfrau Scheeres theoretisch nicht viel passieren. Allerdings gibt es in der Praxis noch viele Risiken, wozu das jährliche Bangen um die Besetzung der Lehrerstellen gehört. Um diese Personalnot in den Griff zu bekommen, will die Koalition mehr Lehrer ausbilden und weitere "Anreizinstrumente" prüfen. Ob dazu auch eine bessere Alterssicherung gehören könnte, ist offen.

Ebenfalls drängend ist die Frage der Schulsanierung. Sie steht in der Koalitionsvereinbarung ganz oben. Alle Parteien und auch Scheeres haben bereits Konzepte vorgelegt, so dass hier mit raschen organisatorischen Schritten zu rechnen ist. Wenn die Schulen etwas vom Schwung des Neuanfangs merken sollen, müsste sich Scheeres mit der beschlossenen Einstellung von Verwaltungsleitern und Fachcoaches beeilen. Letztgenannte sind ein möglicher Hebel zur Vermeidung von Schulabbrechern – dem größten Problem der Berliner Schule.

Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen

Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), Finanzsenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Matthias Kollatz-Ahnen (SPD), Finanzsenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Der Finanzsenator

Glücklich der Kämmerer, der nicht sparen muss. Ist nicht von Goethe, stimmt aber. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) kam zur rechten Zeit nach Berlin. Solange die Überschüsse weiter sprudeln, kann er den Spagat zwischen wachsenden Ausgaben und der gesetzlich verankerten Schuldenbremse vollziehen. Sobald die Annahme der Finanzverwaltung, jedes Jahr rund 600 Millionen Euro zusätzlich ausgeben zu können, von der realen Entwicklung Lügen gestraft wird, ist es mit dem Glück vorbei. Die Koalition möchte den Großteil der Mehreinnahmen in die Sanierung von Schulen, Gebäuden, Brücken und Straßen investieren, außerdem sollen die Landesbeamten höhere Lohnzuwächse erhalten als im Durchschnitt der Länder. Die Tilgung der Landesschulden, derzeit knapp 60 Milliarden Euro, wird auf 80 Millionen Euro pro Jahr heruntergefahren.

Ist das noch solide? Der Berliner Steuerzahlerbund reagiert moderat. "Der Investitionsrückstau ist ja da, im weitesten Sinne sind das auch Schulden, die abgebaut werden müssen. Wenn man nicht saniert, wird es noch teurer", sagt Steuerzahlerbund-Chef Alexander Kraus. In dieser Aussage verberge sich "ein Stück weit Resignation". Dennoch kritisiert er, dass nicht mal versucht werde, kleine Sparbeträge zur Gegenfinanzierung zu finden. Und dass ein Teil der Investitionen über Kredite landeseigener Gesellschaften finanziert werden soll – also am Haushalt vorbei.

Gesundheitssenatorin Dilek Kolat

Dilek Kolat (SPD), Gesundheitssenatorin, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Dilek Kolat (SPD), Gesundheitssenatorin, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Die Gesundheitssenatorin

Wenn sich Dilek Kolat an ihren Schreibtisch in der Senatsgesundheitsverwaltung setzt, werden zuerst die Klinikleiter anrufen – noch vor den Ärzten, Kassenchefs, Patientenvertretern. Zwar versuchte schon Ex-Senator Mario Czaja (CDU), mehr Fachkräfte an die Kliniken zu holen, doch Berlin wächst schnell, die Rettungsstellen sind voll, kein Krankenhaus, in dem das Personal nicht tausende Überstunden gesammelt hätte. Problem: Pro Diagnose und Fall zahlen die Kassen den Kliniken eine Pauschale – das reicht nicht für mehr Personal. Das Pauschalensystem wurde auf Bundesebene festgelegt.

Von SPD-Frau Kolat erwarten die Kliniken aber, Druck auf die Kassen zu machen, damit wenigstens die Regionalkomponente – der Landesbasisfallwert – steigt. Von diesem Wert leiten sich die Höhen der Pauschalen ab. In Berlin liegt er bei 3278 Euro – unter dem Bundesdurchschnitt. Die Kassen sagen, der Senat solle erstmal die Kliniken sanieren, laut Gesetz ist das Staatsaufgabe: Höhere Pauschalen ergäben erst Sinn, wenn damit nicht OP-Säle modernisiert, sondern tatsächlich Fachkräfte bezahlt würden. Politisch sollten die knappen Pauschalen übrigens dazu beitragen, dass unwirtschaftliche Kliniken pleitegehen. In Berlin aber wurden genug gestrichen: Nach der Wende gab es 40 000 Krankenbetten, heute sind es 21 000. Wen Kolat nun sicher gut gebrauchen kann? Ihren Staatssekretär Boris Velter – seit Jahren ein Fachmann für Kliniken.

Innensenator Andreas Geisel

Andreas Geisel (SPD), Innensenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Andreas Geisel (SPD), Innensenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Der Innensenator

Die Berliner Polizei bräuchte mehrere Milliarden Euro, um technisch und personell auf den neuesten Stand zu kommen, sagt der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft Berlin, Bodo Pfalzgraf. Im Koalitionsvertrag sind nur 50 Millionen Euro eingeplant, als Soforthilfe für die maroden Wachen und Schießstände der Polizei. Trotzdem findet Pfalzgraf den Vertrag insgesamt in Ordnung, "etwas blumig" geschrieben, aber auch mit "etlichen guten Ansätzen" für eine bessere Polizeiarbeit bestückt. Für den neuen Innensenator Andreas Geisel werde es ein "harter Job", diesem verbrieften Anspruch gerecht zu werden.

Geisel hat sich bislang als Wohnungsbausenator profiliert, mit den Ressorts Inneres und Sport hatte er nichts zu tun. Egal. Pfalzgraf kennt Geisel als jemanden, "der sich beraten lässt und zuhört", zusammen mit einem erfahrenen Staatssekretär könne er schon etwas erreichen. Im Vergleich zur Amtszeit von Frank Henkel sei da noch "Luft nach oben". Die Koalition hat sich verpflichtet, 1000 neue Polizeibeamte einzustellen und die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Die Zahl der Fuß- und Fahrradstreifen soll "spürbar" erhöht werden. Die Beamten sollen auch besser ausgestattet werden, mit Bodycams und einem digitalen Funk, der überall erreichbar ist. Das werde den "Technikstau" aber nicht auflösen, sagt Pfalzgraf. Der Digitalfunk sei bislang das einzige digitale Instrument in der Polizeiarbeit.

Bausenatorin Katrin Lompscher

Katrin Lompscher (Die Linke), Bausenatorin, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Katrin Lompscher (Die Linke), Bausenatorin, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Die Bausenatorin

Der Schock sitzt tief in der Wohnungswirtschaft: Erst geht die Stadtentwicklung an die Linke, jetzt übernimmt Mietenaktivist und Gentrifizierungsgegner Andrej Holm den Schlüsselposten als Staatssekretär. Der erste Coup von Senatorin Katrin Lompscher: Sie hat die Stimme der außerparlamentarischen Opposition ins Haus geholt, nun wird sie selbst als praktisch veranlagte verwaltungserfahrene ehemalige Gesundheitssenatorin moderierend den Linksschwenk in der Wohnungspolitik voranbringen. Die Strategie ist nicht ohne Risiko, zumal der Koalitionsvertrag ein großer Wunschzettel ist: Klimaschutz, Smart City und Solar-Hauptstadt und nicht mehr als 30 Prozent vom Einkommen für die Miete bei landeseigenen Firmen – man darf gespannt sein auf die Dialektik zur Aufhebung dieser Widersprüche.

Arglos will Lompscher ferner die Mitsprache der Bezirke stärken, muss andererseits den Neubau ankurbeln. Ihr Vorgänger zog dazu Siedlungsprojekte an sich, gab Bezirken Weisungen und den Hütern eigener Vorgärten Kontra. Bricht jetzt der Neubau wieder zusammen? Ach ja, und Regula Lüscher darf ewige Baudirektorin werden. Wendig genug ist sie, eckt mit ihrem harmlosen Modernismus nicht an und gewann das Vertrauen der Linken wohl am Alex, wo sie DDR-Architektur unter Schutz stellte. Das zeigt aber auch: Das Soziale und nicht der Städtebau ist Lompschers neues Leitmotiv.

Kultursenator Klaus Lederer

Klaus Lederer (Die Linke), Kultursenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Klaus Lederer (Die Linke), Kultursenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Der Kultursenator

Die Volksbühne, natürlich. Hier muss sich Klaus Lederer mit dem designierten Intendanten Chris Dercon verständigen. Den hält er nicht für den Richtigen, aber auch Politiker sind nicht immer direkt vom Fach, wenn sie ein Amt übernehmen. Das Amt des Kultursenators hat sich Lederer gewünscht. Die Diskussion um die Volksbühne zu einem guten Schluss zu bringen, wird kein leichtes Spiel, denn dazu gehört die Frage, wie der angestrebte Spielort auf dem Flughafen Tempelhof funktioniert und finanziert wird. Im Lauf des Jahres wäre es angenehm, wenn das Deutsche Theater erfährt, ob es dort mit Ulrich Khuon weitergeht. Wenn Lederer Glück hat, hat er im Herbst einen schönen Termin. Dann will die Staatsoper wieder Unter den Linden einziehen, in ihr sündhaft teuer renoviertes Stammhaus.

Ähnlich wie bei der Volksbühne besteht beim Staatsballett Gesprächsbedarf. Sasha Waltz und Johannes Öhman, die kommenden Leiter, brauchen Planungsicherheit. Und die Tänzer auch. Im Koalitionsvertrag ist viel von der freien Szene die Rede. Mehr Geld soll es da geben, aber Lederer und sein Staatssekretär Torsten Wöhlert – ein in der Kulturverwaltung erfahrener Mann, er war Sprecher von Senator Thomas Flierl – brauchen eine Idee, wie man die freie Szene fördert. Immer nur mehr Geld, das bringt es nicht. Das Wichtigste: Berlin muss eine weltoffene Stadt bleiben.

Senatorin für Arbeit und Soziales, Elke Breitenbach

Elke Breitenbach (Die Linke), Senatorin für Arbeit und Soziales, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Elke Breitenbach (Die Linke), Senatorin für Arbeit und Soziales, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Die Senatorin für Arbeit und Soziales

Zehntausende von Arbeitsplätzen sind in den vergangenen Jahren geschaffen worden, aber die Arbeitslosen und Armen in Berlin profitieren nicht wirklich davon. Selbst wenn sie einen Job finden, brauchen sie oft aufstockende Sozialleistungen. Die Gestaltungsspielräume eines Senats bei der Bekämpfung der Armut sind eingeschränkt. Arbeitsmarktmaßnahmen beruhen vor allem auf Bundesgesetzen. Dennoch haben der Senat und die künftige Arbeits- , Sozial- und Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) Möglichkeiten, Schwerpunkte zu setzen und im Rahmen von Bundesratsinitiativen aktiv zu werden. Konkret sollen etwa Minijobs und befristete Arbeitsverhältnisse begrenzt werden.

Und natürlich kann Breitenbach, die sich in den vergangenen Jahren als Abgeordnete einen Namen als Sozialpolitikerin gemacht hat, in Zusammenarbeit mit den Bezirken und Wohlfahrtsverbänden die soziale Infrastruktur ausbauen. Den Berlinpass, mit dem Angebote im Kultur- und Freizeitbereich genutzt werden können, und das Berlin-Ticket S für die öffentlichen Verkehrsmittel soll es weiterhin geben. Eine Herausforderung liegt in der Flüchtlingspolitik; noch immer leben Tausende in Turnhallen und den Flughafenhangars. Außerdem läuft das neue Amt für Flüchtlingsangelegenheiten alles andere als rund. An ihrer Seite hat Breitenbach die Staatssekretäre Alexander Fischer (Arbeit und Soziales) und Daniel Tietze (Integration).

Justizsenator Dirk Behrendt

Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen), Justizsenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Dirk Behrendt (Bündnis 90/Die Grünen), Justizsenator, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Der Justizsenator

Jahrelang hat er kein Mikrofon ausgelassen, das man ihm hinhielt, er hat kritisiert und angegriffen und gefordert; nun kann und muss Dirk Behrendt zeigen, dass er es ernst meint. Er übernimmt viele Baustellen. Das Justizressort ist schwierig zu führen, es gibt eigensinnige Behördenleiter, Intrigenspinnerei und eine Verwaltung, die mit dem Senator Schlitten fahren kann, wenn dieser ihr nicht genehm ist. Das hat Amtsvorgänger Thomas Heilmann (CDU) des Öfteren zu spüren bekommen.

Besonders dringlich sind die Themen Personal, Besoldung und Informationstechnik (IT). Heilmann hat zwar schon für mehr Personal gesorgt, doch wird das nicht reichen, alleine ein Drittel der Staatsanwälte geht in den kommenden fünf Jahren in Pension. Die da sind, fühlen sich zu schlecht besoldet, was demotivierend wirkt. Und dann ihre Arbeitsbedingungen: fehleranfällige IT, groteske Ineffizienz bei der Strafverfolgung, unzureichende Räume. Am Verwaltungsgericht kommen jetzt die vielen Asylverfahren an; schnell müssen mehr Richter her.

Die Flüchtlinge beschäftigen auch Familien- und Betreuungsgerichte, die ebenfalls Entlastung brauchen. Zugleich ächzt das Kammergericht unter einem drastischen Anstieg großer Strafverfahren mit terroristischem Hintergrund. Hier muss die Sicherheit hochgefahren werden. Und all dem wird derzeit mit launischen Computern und maroder IT begegnet. Viel zu tun also für den Neuen.

Senatorin für Verkehr und Umwelt, Regine Günther

Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen), Senatorin für Verkehr und Umwelt, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Regine Günther (Bündnis 90/Die Grünen), Senatorin für Verkehr und Umwelt, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Die Senatorin für Verkehr und Umwelt

Mit Verkehr und Umwelt haben sich die Grünen ein attraktives Ressort ausgesucht. Und ein schwieriges. Jahrelang hat die Partei eine aus ihrer Sicht bessere Verkehrspolitik gefordert. Jetzt ist sie in der Bringschuld. Und die Erwartungen sind hoch. Nicht nur beim Ausbau des Straßenbahnnetzes, bei dem sich die Koalition ehrgeizige Ziele gesetzt hat. Umsetzen soll es die in diesem Bereich völlig unerfahrene Regine Günther, eine ausgewiesene Energieexpertin. Bereits ihrem Vorgänger Andreas Geisel (SPD), der ein bekennender Fan der Straßenbahn ist, war es nicht gelungen, beim Ausbau Fahrt aufzunehmen. Schlau war es, auf den Pankower Stadtrat für Stadtentwicklung, Jens-Holger Kirchner, zurückzugreifen. Er war vorübergehend sogar als Senator gehandelt worden.

Günther muss nun aufpassen, dass Kirchner ihr als Staatssekretär nicht die Schau stielt. Das Talent dazu hat er. Dagegen ist der zweite Staatssekretär Stefan Tidow politisch noch nicht aufgefallen. Als Büroleiter von grünen Bundespolitikern kennt er aber die Abläufe. Allen kann es Günther nicht recht machen. Der ADAC befürchtet in der Verkehrspolitik einseitige Einschränkungen für den Autoverkehr. Der zweitgrößte Autoclub Deutschlands, der ACE, spricht von erstrebenswerten Zielen für fast alle Verkehrsbereiche. Der ACE werde die Koalition an ihren Taten messen. Er wird nicht der Einzige sein.

Wirtschaftssenatorin Ramona Pop

Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen), Wirtschaftssenatorin, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.
Ramona Pop (Bündnis 90/Die Grünen), Wirtschaftssenatorin, bei der Ernennung der neuen Berliner Senatoren im Roten Rathaus in Berlin.

© Bernd von Jutrczenka/ dpa

Die Wirtschaftssenatorin

39 Jahre jung, keine Regierungserfahrung: Trotzdem ist Wirtschaftssenatorin Ramona Pop ein politisches Schwergewicht. Seit 15 Jahren sitzt sie im Abgeordnetenhaus, zuletzt als Ko-Chefin der Grünen-Fraktion. Sie ist das Gesicht ihrer Partei. In Kreisen der Berliner Wirtschaft, in denen Pop seit Jahren Kontakte pflegt, kennt und schätzt man sie als pragmatische Ansprechpartnerin – wenngleich einzelne Pläne der Grünen, speziell in der Verkehrspolitik, Entsetzen bei Unternehmen, Verbänden und Kammern auslösen. Pop war so klug, mit CDU-Mann Henner Bunde einen Staatssekretär von Vorgängerin Cornelia Yzer zu übernehmen.

Der kennt die Verwaltung, was Anlaufschwierigkeiten begrenzen könnte. Pops längerfristige Agenda ist, nimmt man den Koalitionsvertrag als Maßstab, relativ konventionell: Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben, Gründerszene pflegen, Einzelhandel und Geschäftsstraßen stärken, Fachkräftebedarf sichern.

Und: eine aktive Industriepolitik weiterentwickeln. Erfolge auf letztgenanntem Gebiet wird aber Michael Müller für sich reklamieren wollen. Und bei den wichtigen Fragen rund um Energie- und Klimaschutz wird Pop eng mit Finanzsenator Kollatz-Ahnen kooperieren müssen. Der muss Rechtsgrundlagen für eiIF MSO 9]n mögliches Berliner Stadtwerk schaffen. Man darf gespannt sein, ob sich Pop bei den schillerndsten Themen von den erfahreneren SPD-Herren im Senat die Show stehlen lässt.

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