zum Hauptinhalt

Brandenburg: Für die Sache der Sorben

Zehn Aktivisten trafen sich in Cottbus zur Gündungsversammlung der Wendischen Volkspartei

Von Sandra Dassler

Cottbus - Wer in Deutschland eine Partei ins Leben rufen will, braucht sieben Gründungs- und drei Vorstandsmitglieder, ein Statut und viel Geduld. Allein die Verlesung des Statuts für die gestern Abend in Cottbus gegründete Serbska Ludowa Strona (SLS), die Sorbische oder auch Wendische Volkspartei, nahm drei Stunden in Anspruch. Geklärt werden musste unter anderem die Frage, wer im Fall des Falles bei der nächsten Bundestagswahl für die Partei in Koalitionsverhandlungen treten darf: Nur der Generalsekretär? Oder auch der Bundesvorsitzende? Angesichts der zehn Anwesenden, von denen sich die Hälfte anfangs nicht als Gründungsmitglieder sondern versehentlich als Gäste eingetragen hatte, mutete das schon etwas grotesk an.

Aber am Ende war es geschafft: Der 34-jährige Anlageberater Hannes Kell wurde zum Vorsitzenden gewählt. Er und und seine Mitstreiter hatten ihr Vorhaben schon vor Wochen angekündigt. Aber selbst unter den Sorben glaubten nur wenige daran. Schließlich hatte die sorbische Dachorganisation Domowina der neuen Partei eine klare Absage erteilt. Einige Funktionäre werteten sie gar als Angriff auf ihren bislang zwar explizit nie erhobenen, de facto aber bestehenden Alleinvertretungsanspruch für die slawische Minderheit in Brandenburg und Sachsen. Kell sieht die SLS nicht als Konkurrenz zur Domowina, sondern als ihren „politischen Arm“, der sich klar zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekenne.

Der Domowina-Vorsitzende Jan Nuck gab sich gelassen. „Wir wären schlechte Demokraten, wenn wir solche Aktivitäten nicht respektieren würden“, meinte er. Er bezweifele allerdings, ob die neue Partei angesichts von 20000 in der brandenburgischen Niederlausitz und 40000 in der sächsischen Oberlausitz lebenden Sorben genug Stimmen bekomme, um politisch wirksam zu werden.

Parteigründer Hannes Kell argumentiert dagegen, viele Sorben hätten schonseit längerem das Gefühl, von der Domowina nicht ausreichend vertreten zu werden. Die Möglichkeiten des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW), der die dänische und friesische Minderheit in Schleswig-Holstein vertritt, hätten ihnen vor Augen geführt, dass sie eine politische Partei brauchten, um ihre Interessen durchzusetzen. Dass der Einfluss des SSW nach dem Scheitern von Heide Simonis bei der Ministerpräsidentenwahl nun wieder gesunken ist, sei kein Grund auf eine eigene Partei zu verzichten.

Die Geburt der Partei war genau genommen eine Wiederbelebung. Denn schon 1919 etablierte sich eine Lausitzer Volkspartei, die 1924 in Wendische Volkspartei (sorbisch: Serbska Ludowa Strona) umbenannt und später von den Nazis verboten wurde. „Endlich führen wir weiter, was schon unsere Großväter wollten“, sagt der 76-jährige Fritz Krüger. Lange habe er darauf gewartet.

Im Entwurf des Parteiprogramms, das in den kommenden Wochen öffentlich diskutiert werden soll, heißt es, die SLS unterstütze alle Bemühungen, die sich für die Erhaltung der kulturellen, vor allem der sprachlichen Identität des sorbischen Volkes einsetzen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sei die Sicherung des Siedlungsgebietes. Das geht an die Adresse der brandenburgischen Landesregierung, die nach Meinung vieler Sorben die Abbaggerung des sorbischen Dorfes Horno nie hätte erlauben dürfen. Ein weiteres Ziel der SLS ist die Erhaltung der sorbischen Bildungseinrichtungen. In Sachsen hat die Domowina nicht verhindern können, dass Schulen mit Sorbisch- Klassen aufgrund von Schülermangel geschlossen wurden.

Weil sich die SLS für die Lausitz als Wirtschafts-, Wissenschafts- und Tourismusstandort einsetzen will, sei sie auch von Nicht-Sorben wählbar, sagt Hannes Kell. Die Gründer gingen noch weiter: In die Partei sollen auch Nicht-Sorben aufgenommen werden. Trotzdem hofft der Vorstand, dass sie als Partei einer nationalen Minderheit anerkannt werden (was wahrscheinlich ist) um die Fünf-Prozent-Hürde umgehen zu können. Nationalistische Töne waren gestern nicht zu vernehmen. Keine blau-rot-weiße Fahne der schmückte den Raum. Und Sorbisch gesprochen wurde nur zu Begrüßung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false