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Hat er die wirklich? Matthias Platzeck, neulich beim Karneval.

© dpa

Platzecks Kursänderungen: Helmpflicht in Brandenburg

Kritik gibt’s für Regierungschef Matthias Platzeck (SPD) von allen Seiten, denn 2014 wird gewählt. Und dabei geht es um weit mehr Probleme als die am BER. Die Stimmung im Land kippt.

Potsdam - Mit seiner Anti-Nachtflug- Volte hat Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) selbst eigene Genossen überrumpelt. „Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass sich Brandenburg vom Acker macht“, schimpfte gestern Berlins Regierender Klaus Wowereit, der den Job als BER-Aufsichtsratchef erst vor wenigen Wochen an Platzeck abgetreten hat. „Ich bedaure es außerordentlich, dass die Brandenburger Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen die bisherige Position aufgeben.“ Ein Abweichen von den Vereinbarungen zu Flügen in Randzeiten wäre „fatal und falsch“. Doch Platzecks Kehrtwende, das mit 106 000 Unterschriften erste erfolgreiche Volksbegehren anzunehmen, fügt sich in sein Regierungsmuster der letzten Zeit. Im Herbst 2014 wird in Brandenburg gewählt. Für Platzeck, 59, der wieder antritt, kann das BER-Fiasko gefährlich werden. Im Januar waren nur noch 50 Prozent der Märker mit seiner Arbeit zufrieden, aber 40 Prozent unzufrieden – der Tiefstwert seit Amtsantritt 2002. Da die Stimmung kippt, versucht Platzeck überall Brände zu löschen, rechtzeitig vor der Wahl. Ein Überblick.

Bildung. Bildungsministerin Martina Münch (SPD) kündigte jetzt das gemeinsame Zentral-Abitur mit Berlin auf. Vorher gab es Proteste, weil märkische Abiturienten neuerdings weniger Unterricht als Berliner haben, aber die gleichen Prüfungen ablegen sollten. Aus Sorge vor neuem Krach wurde Münch von Platzeck und dem Linke-Koalitionär gestoppt, weil sie gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Kindern zu schnell einführen wollte: Ein Gesetzentwurf, mit dem ab 2015 Förderschulen auslaufen sollten, wurde auf Eis gelegt. Nach den mit 10 000 Teilnehmern größten Lehrer-Protesten seit 1990 will Platzeck an den Schulen nicht noch mehr Unruhe.

Hochschulen. Brandenburgs Hochschulen waren nach einem Gutachten seit 1990 noch nie ausfinanziert. Nun besserte Rot-Rot mit dem im Dezember beschlossenen Haushalt 2013/2014 erstmals nach, gestern wurde plötzlich eine jährliche Etatsteigerung angekündigt. Platzeck half Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (parteilos), die umstrittene Fusion der unprofilierten Technischen Universität Cottbus (BTU) mit der Fachhochschule Lausitz durchzuziehen. Beide machten der BTU Zugeständnisse. Vergeblich. Ein Volksbegehren nach BER-Vorbild ist angelaufen. Und die Universität verklagt das Land.

Innere Sicherheit. Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat die rigide Polizeireform seines Vorgängers abgeschwächt. Intern ist klar, dass keine 1900 Polizeistellen abgebaut werden. Wegen der steigenden Grenzkriminalität, dem Diebstahl von Baumaschinen, Traktoren und Autos, wurden drei Polizei-Hundertschaften nach Ostbrandenburg verlegt. Platzeck und sein Minister Woidke sind regelmäßig präsent. Für Polizisten und Justizvollzugsbeamte wurde die Rente mit 67 Jahren, die Rot-Rot für das Landespersonal beschloss, kürzlich zurückgenommen.

Personal und Finanzen. Die Regierung baut weniger Landesstellen ab als im Koalitionsvertrag vereinbart. Die Zielzahlen wurden 2012 nach oben korrigiert, der Zeitplan in die nächste Legislaturperiode gestreckt. Im Haushalt 2013/2014, der bis zur Landtagswahl gilt, wurde kein Rotstift angesetzt. Noch ist geplant, ab 2014 ohne neue Schulden auszukommen. Immer neue Belastungen drohen aber durch den BER. Schon der letzte BER-Nachschlag über 440 Millionen Euro war mehr als der Jahresetat aller Hochschulen im Land. Eine Expertenkommission des Landtages nimmt zwar die aufgeblähten Kreis- und Verwaltungsstrukturen unter die Lupe. Einen Reformvorschlag für eine Kreisreform, die das Land in Aufruhr versetzt, wird es vor der Wahl nicht geben.

Energie und verrostete Spree. In der Energiepolitik zieht Platzeck seine Doppelstrategie, auf die „schmutzige“ Braunkohle und auf erneuerbare Energien zu setzen, trotz wachsender Bevölkerungsproteste bislang durch. Hier ist keine Bewegung erkennbar. Dafür im Spreewald, wo wegen der „verrosteten“ Spree ein Aufstand droht. Da die Brühe eine Spätfolge von Tagebauen ist, droht wiederum eine neue Dynamik in der Braunkohle-Debatte. Platzeck, der bislang abgetaucht war, hat sich eingeschaltet. Für den heutigen Freitag hat der Regierungschef ein Krisentreffen zur „Klaren Spree“ anberaumt, die jetzt ebenfalls Chefsache ist.

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