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Und wohin jetzt? Weiterhin kommen täglich zahlreiche Flüchtlinge in Berlin und Brandenburg an, viele davon am Bahnhof in Schönefeld.

© Patrick Pleul/dpa

Update

Flüchtlinge in Berlin: Bezirke beklagen fehlende Absprachen bei Plänen für Modulbauten

Der Senat will hundert Grundstücke für Flüchtlinge bebauen. In den Bezirken wird der Widerstand immer größer. Die Standorte seien nicht mit ihnen abgestimmt.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Gegen die Pläne des Senats zur Unterbringung von bis zu 45.000 Flüchtlingen in Containern und "Modularen Unterkünften" (MUF) regt sich Widerstand in den betroffenen Bezirken. Spandaus Bürgermeister Helmut Kleebank (SPD) fürchtet, dass nach den neuesten Senatsplänen die Zahl der in Spandau untergebrachten Flüchtlinge auf bis zu 18.000 steigen könnte.

Diese Bauten seien nicht mit den Bezirken abgestimmt, kritisiert Kleebank vehement. „Mit uns wurde kein einziger Standort endgültig abgestimmt. Der Bezirk wurde aber vorab informiert. Die notwendige fachliche Prüfung zu den jeweiligen Standorten ist noch nicht erfolgt. Erst wenn diese erfolgt ist, kann zu den geplanten Standorten Stellung genommen werden.“

Auch der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), kündigte entschiedenen Widerstand seines Bezirks gegen einige vom Senat ausgesuchte Grundstücke für neue Flüchtlingsunterkünfte an. Die aktuellste Liste mit sieben Grundstücken für "modulare Bauten" und zwei Flächen für Container, die dem Bezirksamt am Dienstag zugeschickt wurde, sei "vom grünen Tisch her" zusammengestellt worden. "Offenbar hat da jemand bei Google Earth nachgeschaut", sagte Igel dem Tagesspiegel.

Weil die Standorte teilweise streitbefangen sind, wollte der Bürgermeister sie nicht nennen. "Wir wollen nicht die Pferde scheu machen." Bei einem Standort soll es sich um die Fürstenwalder Allee handeln. Das Bezirksamt Treptow-Köpenick wird sich in der nächsten Woche mit der Senatsliste befassen.

"Die offizielle Auswahl habe ich noch gar nicht"

Pankows Bürgermeister Matthias Köhne hat die neue Liste noch gar nicht zu sehen bekommen. "Die offizielle Auswahl habe ich noch gar nicht", sagte Köhne (SPD) dem Tagesspiegel. In einer ersten Zwischenstandsliste von Mitte Dezember war Pankow mit elf Standorten für Modulbauten vorgesehen, davon lagen alleine acht im Ortsteil Buch. Gegen diese Ballung wehrte sich der Bezirk. Bei der ursprünglichen Standortfindung war er gar nicht beteiligt worden. "Ich hätte mir gewünscht, dass damals nicht die Liste auf einer Pressekonferenz vorgestellt worden wäre, noch bevor die Bezirke gefragt wurden", sagt Köhne.

Für Pankow gebe es drei wichtige Kriterien, an denen man sich orientiere: die ausgewogene Verteilung der Flüchtlinge in der Stadt und im Bezirk, die verkehrsmäßige Anbindung an die Stadt, und dass der Flächenbedarf des Bezirks für seine eigene soziale Infrastruktur berücksichtigt werde. Schließlich sei Pankow ein stark wachsender Bezirk, der auch Flächen für neue Schulen und Kitas brauche.

Ähnliches hört man aus Lichtenberg. "Die aktuelle Liste ist mit uns nicht abgestimmt", kritisiert die Bürgermeisterin von Lichtenberg, Birgit Monteiro (SPD). Aus Sicht des Bezirks seien von den sieben Flächen für Modulbauten nur vier geeignet, von den acht Containerflächen kämen nur drei in Frage. Es habe zwar Gespräche gegeben, "aber für uns ist es schwer zu erkennen, welche Senatsverwaltung eigentlich zuständig ist". Monteiro wünscht sich eine gerechte Verteilung der Standorte auf alle Bezirke, außerdem müssten nicht nur Wohnplätze, sondern auch Schulen, Kitas, Sportstätten und Kultureinrichtungen für die Flüchtlinge geschaffen werden. Und es müssten sozial gemischte Quartiere entstehen, in denen nicht nur Flüchtlinge wohnen.

Durchmischung der MUFs

Im Bezirk Mitte wurde kein Grundstück zur Errichtung eines MUFs gefunden, wie Bürgermeister Christian Hanke (SPD) am Mittwoch erneut bestätigte. Ihn treiben andere Sorgen um, etwa die Frage, wie man Ghettos verhindert und eine gute soziale Durchmischung schafft. Im Klartext heißt das: Statt die Modulbauten ausschließlich mit Flüchtlingen zu belegen, sollte man vielleicht auch Studenten, Senioren oder Geringverdiener dort einziehen lassen - selbst wenn dies dann die Platzzahl für Flüchtlinge reduziere.

Hanke rechnet mit einer weiteren Million Flüchtlinge in Deutschland in diesem Jahr; gegen Herbst werde auch in die Familiennachzüge deutlich Bewegung kommen. Pro Person sei dann mit weiteren drei bis vier Familienmitgliedern zu rechnen.

In Friedrichshain-Kreuzberg wird derzeit über zwei Standorte diskutiert, auf denen der Senat modulare Bauten errichten möchte: Ein Grundstück an der Alten Jakobstraße und das Areal zwischen Reichenberger Straße, Landwehrkanal und Ratiborstraße. Auf Initiative der bezirklichen SPD-Fraktion wird grundsätzlich bezweifelt, ob der Bau modularer Unterkünfte der richtige Weg sei. Es wäre besser, auf beiden Grundstücken normalen Wohnungsbau zu betreiben. Berlin dürfe seine Flächen nicht "ungeplant für vermeintlich kurzfristige Lösungen" einsetzen, heißt es in einem Antrag, der zurzeit debattiert wird.

Drei mögliche Standorte in Friedrichshain Kreuzberg

Die Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), lobt die Zusammenarbeit mit dem Senat, räumt aber ein, dass ihr Bezirk nach aktuellem Stand nur drei Standorte zur Verfügung stellen muss. „Wir leiden nun mal unter einem akuten Flächenmangel.“ Der Bezirk sei trotzdem bereit, weitere Flächen zu prüfen, etwa Parkplätze oder Bauland, die erst mittelfristig benötigt werden und für Container geeignet sind. In Friedrichshain-Kreuzberg kommen die Franz-Künstler-Str./Alte Jakobstr., die Vorhalteflächen für die Stadtautobahn A 100 und der Standort der Traglufthalle der Kältehilfe in Friedrichshain als künftige Flüchtlingswohnorte in Frage.

Der Senat muss jetzt den sozialen Wohnungsbau massiv vorantreiben. Wir brauchen dringend Wohnraum, der zum dauerhaften Zuhause für Neu- und Altberliner gleichermaßen werden kann, ein nachbarschaftliches Miteinander fördert und damit entscheidend zur erfolgreichen Integration beiträgt.

schreibt NutzerIn bonoberlin

In Neukölln waren bisher drei Grundstücke für modulare Unterkünfte vorgesehen: Der Schlosserweg, die Gudschmidtstraße und die Kiefholzstraße. Gegen den Standort Schlosserweg hat der Bezirk bereits schwere Bedenken erhoben, weil auf dem vorgesehenen Areal der Mitmach-Zirkus "Mondeo", ein integrationspolitisches Leuchtturmprojekt Neuköllns, beheimatet sei. Dafür müsse eine geeignete Ersatzfläche gefunden werden. Auf dem Grundstück in der Kiefholzstraße befindet sich die Wagenburg "Schwarzer Kanal". Deren Bewohner, so befürchtet das Bezirksamt, würden sicher eine Ersatzfläche fordern.

In Mitte prüft das Bezirksamt, auf Beschluss der Bezirksverordnetenversammlung, ob sich das Grundstück Erna-Samuel-Straße / Ellen-Epstein-Straße / Wilhelmshavener Straße oder eine Fläche am Unionsplatz für eine modulare Bebauung eignen. Auf der Senatsliste steht der Bezirk Mitte bisher offenbar nicht.

Die ersten Ausschreibungen sind raus

Einige Wohnungsbaugesellschaften haben bereits Aufträge für den Bau von modularen Unterkünften ausgeschrieben. So will die Howoge am Hagenower Ring und in der Seehausener Straße (beide in Lichtenberg) Wohnplätze für jeweils 500 Menschen errichten. Die Gewobag plant Modulbauten Am Springebruch (Reinickendorf) und in der Freudstraße / Ecke Kraepelinweg (Spandau). Auch die Gesobau sucht Generalübernehmer, die in den nächsten drei Jahren an verschiedenen, noch nicht benannten Standorten drei- bis fünfgeschossige Wohnhausgruppen in modularer Bausweise bauen. Die ersten Wohnplätze für insgesamt 1000 Flüchtlinge, die Gesobau spricht von einem Pilotprojekt,  sollen bis Ende 2016 schlüsselfertig übergeben werden.

Der Senat hatte am Dienstag erklärt, man habe hundert geeignete Grundstücke gefunden, auf denen bis zu 30 000 Flüchtlinge in „Modularen Unterkünften“ und weitere 15 000 Menschen in Containern untergebracht werden können. Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) verkündete am Dienstag das Ziel, die Unterkünfte „einigermaßen ausgewogen“ auf die Bezirke zu verteilen. Aber das wird wohl nicht funktionieren. In den Innenstadtbezirken seien nur sehr begrenzte Flächen vorrätig, räumte der Senator selbst ein.

Erste 26 Grundstücke sollen nächste Woche besprochen werden

Die Hauptlast tragen Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Spandau. Im Bezirk Mitte wurde kein Grundstück gefunden. Ein großer Teil der Standorte ist mit den Bezirken bereits abgestimmt. Zehn Flächen sind noch streitbefangen, weil die Bezirke dort andere Ziele verfolgen, etwa den Bau „normaler“ Wohnungen.

In einer Woche befasst sich der Senat mit einer ersten Tranche von 26 Grundstücken für die Modulbauten. Davon liegen acht in Marzahn-Hellersdorf, der Bezirk veröffentlichte am Dienstag die Adressen: Martha-Arendsee-Straße, Wittenberger Straße, Buckower Ring und Pöhlbergstraße. In der Albert-Kuntz-Straße und Rudolf-Leonhard-Straße werden jeweils zwei Flächen belegt.

81 landeseigene Grundstücke

Bezirksbürgermeister Stefan Komoß lobte die Zusammenarbeit mit dem Senat und sprach von einem „Gebot der Menschlichkeit“. Die Versorgung und Integration der Flüchtlinge, vor allem die Betreuung und Beschulung der Kinder und Jugendlichen, sei aber eine „Herausforderung in bisher unbekanntem Ausmaß“. Senatsintern hieß es, dass der Abstimmungsprozess zwischen Senat und Bezirken und die öffentliche Diskussion „noch sehr schwierig werden wird“.

Von den hundert Grundstücken sind 81 landeseigen. Weitere elf gehören dem Bund und acht Flächen stellt der „Evangelische Friedhofsverband Stadtmitte“ zur Verfügung. 60 Standorte sind den Modulunterkünften (MUFs) vorbehalten. Dort sollen jeweils bis zu 500 Menschen wohnen.

Die Bauten werden aus Stahlbeton- Fertigteilen zusammengebaut und sind laut Ausschreibung hundert Jahre haltbar. Der Senat denkt längerfristig an eine Nachnutzung beispielsweise für Studierende oder für Frauen mit Kindern, die in Frauenhäusern betreut werden.

Temporäre Bauten an 30 Standorten

Die zweite Tranche von 34 MUF-Grundstücken soll in spätestens vier Wochen festgelegt werden. Für den Bau dieser Unterkünfte, den teilweise die städtischen Wohnungsbaugesellschaften und die landeseigene Berlinovo übernehmen, stehen im Landeshaushalt 600 Millionen Euro zur Verfügung. Zusätzlich muss das Land Berlin für die Container 75 bis 80 Millionen Euro locker machen.

Für diese „temporären Bauten“ wurden etwa 30 Standorte ausgewählt. Dazu zählen das Tempelhofer Feld mit vier Flächen südlich und östlich des Flughafenvorfeldes, die Buckower Felder in Neukölln und die Elisabeth-Aue in Pankow. Pro Liegenschaft können 500 Flüchtlinge untergebracht werden.

Die Aufträge für die Container sollen in der nächsten Woche erfolgen, die ersten Standorte sollen im Juni bezugsfertig sein. Bis zum Jahresende will der Senat alle 15 000 neuen Wohnplätze belegen. Dann können vielleicht auch die Sporthallen wieder freigezogen werden. Auch die teuren Übernachtungsplätze in Hostels will der Senat weiter verringern. Zurzeit sind noch knapp 650 Betten in Berliner Hostels belegt.

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