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Update

Ermittlungen: Tödliche Attacke am Alex: Polizei setzt Belohnung aus

Nach der tödlichen Prügelattacke am Alexanderplatz hat die Staatsanwaltschaft eine Belohnung von bis zu 15.000 Euro zur Ergreifung der Täter ausgesetzt. Die Gruppe aus sieben Verdächtigen könnte vielen Passanten aufgefallen sein.

Nach der tödlichen Gewaltattacke auf den 20-jährigen Jonny K. am Berliner Alexanderplatz hat die Polizei eine Belohnung von bis zu 15.000 Euro für Hinweise auf die Täter ausgesetzt. "Wir sind dringend darauf angewiesen, dass sich Zeugen melden", sagte die Leiterin der Mordkommissionen, Jutta Porzucek, am Dienstag in Berlin vor Journalisten. Deshalb solle nun "schnell und energisch" ermittelt werden.

Der junge Berliner, der in der Nacht zu Sonntag von unbekannten Schlägern verprügelt und getreten wurde, war am Montag seinen schweren Verletzungen erlegen. Gegen sieben Verdächtige wird wegen Mordes ermittelt. Die Täter sind auf der Flucht. Bislang gebe es noch keine Tatverdächtigen, sagten die Ermittler weiter. Man ist sich aber sicher, dass die tödlichen Szenen von mehreren Personen beobachtet wurden.

Jonny K. starb an Blutungen im Gehirn. Das ergab die Obduktion, wie Oberstaatsanwalt Michael von Hagen am Dienstag sagte. Die Untersuchung habe gezeigt, dass es Gewalt gegen den Kopf gegeben habe.

Wie berichtet hatte sich die brutale Attacke in der Nacht zum Sonntag zugetragen. Den Ermittlungen zufolge waren vier angetrunkene Männer aus der Bar "Mio" unter dem Fernsehturm gekommen. Jonny K. und zwei seiner Begleiter werden von der Polizei als "asiatisch aussehend" beschrieben, die dritte Person aus der Gruppe soll dunkelhäutig sein.

Da einer von ihnen kaum noch gehen konnte, wollte das spätere Opfer einen Stuhl für ihn holen, der vor einem geschlossenen Biergarten in der Rathausstraße stand. Dabei sei ihm nach bisherigen Erkenntnissen von einem Mann der Stuhl weggerissen worden, sagte der Sprecher. Als er fragte, was das solle, sei er von dem Unbekannten und zwei weiteren Männer geschlagen worden. Als er zu Boden ging, sollen die Angreifer auf ihn eingetreten haben.

Sein Begleiter habe versucht, ihm zu helfen, und sei daraufhin von der mittlerweile auf sieben Leute angewachsenen Tätergruppe attackiert und verletzt worden. Er sei bisher der einzige Zeuge, sagte der Polizeisprecher, denn der stark Betrunkene habe von der Attacke ebenso wenig mitbekommen wie der Vierte, der ein Taxi rufen wollte. Alle Tatverdächtigen griffen Jonny K. zunächst mit Faustschlägen an. Den Ermittlungen zufolge standen sie schließlich in einem Kreis um ihr am Boden liegendes Opfer und traten auf ihn ein.

Laut Polizei sind die mutmaßlichen Täter "südländisch aussehend" und kamen aus Richtung des nahe gelegenen Restaurants "Cancun". Dort fand in der Nacht eine Aftershow-Party mit 700 Gästen statt. Falls die Täter zuvor die Party besucht hatten, könnten sie von anderen Gästen identifiziert werden.

Auch durch Überwachungskameras könnten sich Hinweise ergeben. Derzeit würden Aufnahmen ausgewertet, hieß es auf der Pressekonferenz.

22 Kilometer vom Alexanderplatz entfernt, in einer grauen Plattenbausiedlung in Spandau, sitzt Vater Lothar-Günther K. (69) im Kinderzimmer seines Sohnes. „Es ist nicht aufgeräumt“, sagt er leise und es klingt fast wie eine Entschuldigung. Der breitschultrige Mann hat tiefe Ringe unter den Augen. „Ich kann nicht mehr schlafen und nicht mehr essen“, sagt er. Seine Hände hat er zu einer Faust geballt, Tränen rinnen über sein Gesicht, sein Körper wird permanent von Weinkrämpfen geschüttelt. Seit jener Nacht stellt er sich immer und immer wieder die gleiche Frage: Warum Jonny? "Er war so ein lieber, hilfsbereiter Junge und war immer für alle da ."

Am Samstag um 22 Uhr sah Lothar-Günther K. seinen Sohn zum letzten Mal. Als er das Haus verließ, habe er noch zu ihm gesagt: "Pass auf Dich auf!", so wie man es als Vater eines erwachsenen Sohns so sagt.

Jonny war mit seiner Schwester und ihrem Freund zu einer Geburtstagsparty in einem Restaurant am Alex eingeladen. Wenn die Geschwister zusammen unterwegs waren, habe er immer ein gutes Gefühl gehabt. Es soll so eine nette Party gewesen sein, alle haben fröhlich und ausgelassen gefeiert, sagt Lothar-Günther K.

Bis ein paar türkische Jungs ins Restaurant wollten. Tina (28), Jonnys Schwester erzählte hinterher: "Sie haben die hübschen thailändischen Mädchen gesehen und wollten mitfeiern. Doch sie wurden an der Tür abgewiesen und haben laut gepöbelt. Sie waren total sauer."

Anschließend haben sie viereinhalb Stunden vor der Tür gewartet. Gegen vier Uhr morgens wollten Jonny und sein Freund (29), der Freund seiner Schwester, einem Gast helfen. Er saß betrunken auf einem Stuhl vor dem Café. "Da haben sie meinem Jonny einfach den Stuhl weggerissen und ihn tot geprügelt. Mit sieben Mann sind sie auf ihn losgegangen. Jeder hat mal zugetreten, wie eine Zigarettenkippe, die man austritt. Dabei wollte Jonny doch nur helfen"

Lothar-Günther K. schüttelt mit dem Kopf und schluchzt: "Wenn wir uns früher geprügelt haben, haben wir uns hinterher die Hand gegeben und ein Bier zusammen getrunken. Heute haut man sich tot.“

Er selbst habe den Alexanderplatz mit diesen „dunklen Katakomben“ schon immer unheimlich gefunden. „Ich bin dort mal aus der U-Bahn gestiegen und  habe erlebt, wie sie am hellichten Tag einem Mann das Portemonnaie geraubt haben. Seitdem fahr ich da nicht mehr hin. Ein schrecklicher Ort."

Doch mit seiner Schwester und ihrem Freund zusammen habe er seinen Sohn in sicherer Obhut gewusst.  „Nein, nein, mit so was rechnet man nicht. Niemals.“ Was er den Tätern wünsche? Nein, dazu wolle er lieber nichts sagen. Nur soviel: Schon  in den Grundschulen entstünde Gewalt „ An der Schule meiner Tochter wurde erst kürzlich eine Lehrerin angegriffen. Es kann nicht sein, dass die Lehrer Angst haben, zur Schule zu gehen. Den Kindern müssen endlich Grenzen gesetzt werden.“

Lothar-Günther K. streichelt die weiße Siamkatze „Delisia“ seines verstorbenen Sohnes: „Sie war sein ein und alles. Sie hat immer oben in seinem Doppelbett geschlafen und er unten.“

Er zieht ein Fotoalbum aus dem Regal. Ein Foto zeigt Jonny auf dem Fußballplatz. „Als er ein kleiner Junge war, sind wir beide immer zusammen bolzen gegangen“, erinnert sich der Vater. Jonnys Lieblingsverein war Arsenal London.

Zwei Schlaganfälle, einen Herzinfarkt und ein Nierenversagen hat der Rentner schon hinter sich. Eine Plastiktüte auf dem Wohnzimmertisch ist randvoll mit Medikamenten. „Hier gegen, gibt es keins“, sagt Lothar-Günther K. und fasst sich mit der rechten Hand an sein Herz. Wieder fragt er nach dem Warum. „Ich bin 69 Jahre und habe mein Leben gelebt. Mein Jonny war erst 20 und hatte sein Leben noch vor sich. Warum hat der liebe Gott nicht mich geholt?“ (mit dpa)

Die Polizei bittet die Bevölkerung dringend um Hinweise auf die Tat. Anrufer können sich bei jeder Polizeidienststelle melden.

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