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Verwahrlosung: Mädchen fehlte drei Wochen - Mutter log Schule an

Abfall, Hundekot und Essensreste: Am Dienstag rettete die Polizei eine 13-Jährige aus einer verwahrlosten Wohnung. Obwohl das Kind drei Wochen in der Schule fehlte, musste ein Nachbar einschreiten.

Im Fall des 13-jährigen Mädchens aus Neukölln, das in einer völlig verdreckten Wohnung lebte und mehr als drei Wochen die Schule schwänzte, ohne dass das Jugendamt davon erfuhr, wurden am Freitag weitere Details bekannt. Laut Bezirksstadträtin Franziska Giffey (SPD) hatte ein Mitarbeiter der betroffenen Schule zunächst versucht, Kontakt zur Mutter aufzunehmen – diese log jedoch am Telefon und behauptete, sie sei mit ihrer Tochter im Laufe der Sommerferien von Neukölln nach Erkner im Landkreis Oder-Spree gezogen.

Der Mitarbeiter hatte allerdings Zweifel an dieser Version und stellte daraufhin eine Anfrage ans Einwohnermeldeamt. Durch diese Verzögerung sei es nicht möglich gewesen, wie vorgeschrieben fristgerecht eine Versäumnisanzeige an das Schulamt des Bezirks zu schreiben, sagt Giffey. Als Konsequenz aus dem Vorfall wollen die zuständigen Stellen im Bezirk nun ihre Kommunikationswege verbessern. Unter anderem sollen Schulen künftig Dauerschwänzer nicht mehr nur per Versäumnisanzeige an das Schulamt melden, sondern parrallel auch gleich an das Jugendamt. Bisher wurde das jeweils erst mit zeitlicher Verzögerung vom Schulamt in Kenntnis gesetzt.

Am Dienstagabend hatte die Polizei das Mädchen in einer verwahrlosten Neuköllner Zweizimmerwohnung gefunden. Sie lebte mit ihrer Mutter zwischen Abfall, Hundekot und Essensresten. Jetzt wird der Vorfall zum Politikum. Denn obwohl das Mädchen im laufenden Schuljahr noch keinen einzigen Tag am Unterricht teilgenommen hatte, schlugen nicht etwa die Schule oder das Jugendamt Alarm, sondern ein Nachbar, der sich über den Geruch aus der Wohnung wunderte.

Eigentlich ist die Verfahrensweise klar geregelt: Schwänzt ein Schüler an drei aufeinanderfolgenden Tagen, ruft die Schule bei den Eltern an. Nach zehn Tagen muss eine Versäumnisanzeige an das Schulamt des Bezirks geschickt werden, das wiederum setzt das Jugendamt in Kenntnis und wird auch selbst aktiv. Beim Jugendamt Neukölln ist das Fernbleiben des Mädchens aber bis heute nicht gemeldet worden – zunächst waren die Gründe unklar.

Beim Jugendamt Neukölln kennt man die betroffene Familie schon. Bereits im vergangenen Jahr waren Mutter und Kind als unterstützungsbedürftig eingestuft worden, über mehrere Monate schickte das Amt immer wieder Helfer in die Wohnung. Im Frühjahr wurden die Maßnahmen beendet – der Abschlussbericht fiel positiv aus, anscheinend hatte die Familie ihr Leben dank der Unterstützung in den Griff bekommen. Bezirksstadträtin Gabriele Vonnekold (Grüne) betont, dass bereits beim Abschluss der Hilfsmaßnahmen ein Folgetermin mit einigen Monaten Abstand vereinbart wurde, um bei einem erneuten Hausbesuch nach dem Rechten zu sehen. Dieser Termin stand Ende September an – spätestens dann wäre der Rückfall in die Verwahrlosung wohl aufgefallen.

Pro Jahr verschicken allein Neuköllner Schulen rund 700 Versäumnisanzeigen. Das zuständige Schulamt kann dann Verwarnungen aussprechen oder ein Bußgeldverfahren gegen die Eltern anstrengen. Die Strafe beträgt in der Regel zehn Euro pro geschwänztem Tag, maximal aber 150 Euro. In etwa 40 Prozent der Fälle zeigen die Verwarnungen laut Stephan Haake vom Schulamt sofort Wirkung. Allerdings gebe es auch Fälle, in denen selbst Bußgeld und großes Engagement der Eltern nichts brächten.

Die 35-jährige Mutter und ihre Tochter werden nun zunächst in einer öffentlichen Einrichtung untergebracht. In den nächsten Wochen solle dann entschieden werden, ob die Familie in absehbarer Zeit in ihre Wohnung zurückkehren kann und welche Unterstützung infrage kommt, sagt Bezirksstadträtin Vonnekold. Vermutlich sei es sinnvoll, die beiden nicht auseinanderzureißen.

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