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Update

Überfall in Lichtenberg: Schülern droht Anklage wegen versuchten Mordes

Nach dem Überfall im U-Bahnhof Lichtenberg, bei dem Jugendliche einen Mann ins Koma prügelten, sitzen die vier Verdächtigen in U-Haft. Sie sollen ihre Opfer gezielt ausgesucht haben.

Gegen die vier Jugendlichen, die im Verdacht stehen, im U-Bahnhof Lichtenberg einen 30-Jährigen ins Koma geprügelt und dessen Kollegen ebenfalls verletzt zu haben, ist am Mittwoch Haftbefehl erlassen worden. Den Verdächtigen werde versuchter gemeinschaftlicher Mord in zwei Fällen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Raub zur Last gelegt, sagte der Sprecher der Staatsanwalt, Martin Steltner, am Abend dem Tagesspiegel.

Die Jugendlichen sitzen nun in Untersuchungshaft. „Besonders schockierend für uns ist, dass während der Attacke mehrere Leute vorbeigegangen sind, ohne zu helfen“, sagte ein Beamter dem Tagesspiegel. Es sei nur ein Notruf eingegangen.

Nach den Vernehmungen wissen die Ermittler nun mehr über die Hintergründe: So sollen die drei 17-Jährigen – sie stammen aus Kenia, Albanien und dem Kosovo sowie der 14-Jährige, der aus Bosnien stammt, sich die Opfer gezielt ausgesucht haben: „Sie wollten sie abziehen“, sagte ein Ermittler. Sie hätten es auf Handys und Wertsachen abgesehen. Die Beschuldigten seien geständig, betonten aber, nie die Absicht gehabt zu haben, jemanden zu töten. Sie behaupten, von den späteren Opfern mit Sprüchen wie „Sieg Heil“ provoziert worden seien. In Ermittlerkreisen hieß es, man halte dies für eine abgesprochene Schutzbehauptung. Bisher ermittelte Zeugen hätten kein „Sieg Heil“ gehört. Nach bisherigen Erkenntnissen seien die Männer „offensichtlich ohne Anlass“ angegriffen worden, sagte Martin Steltner.

Mordkommission hat den Fall übernommen

Das Opfer liegt weiterhin im Koma. Nach Hirnschwellungen hatte sich der Zustand des Mannes am Sonntag dramatisch verschlechtert. Dies teilte das Krankenhaus der örtlichen Polizeidienststelle mit. Aufgrund der Gefahr, dass der Mann möglicherweise nicht überleben wird, hat am Montag die Mordkommission den Fall übernommen. „Sollte er aus dem Koma aufwachen, ist zu befürchten, dass er schwere bleibende Schäden zurückbehält“, sagte ein Ermittler.

Der 30-jährige Maler-Geselle kommt aus Spandau. Er war, wie berichtet, am Freitag mit seinem gleichaltrigen Kollegen nach einem Feierabendbier kurz vor Mitternacht auf dem Heimweg, als beide am U-Bahnhof Lichtenberg von den vier Jugendlichen mit Tritten und Schlägen traktiert wurden. Videoaufnahmen der BVG zeigen, wie einer der mutmaßlichen Täter aus vollem Lauf dem Opfer gegen den Oberkörper trat. Sein Kollege konnte zunächst weglaufen, doch auch er wurde anschließend verprügelt.

Nach der Tat soll der Mann nach Rostock gefahren sein, wo er herkommen soll. Warum er nicht die Polizei rief, blieb am Mittwoch unklar. Dass die Öffentlichkeit erst am Montag von der Tat erfuhr, erklärte die Polizei damit, dass die örtliche Dienststelle die Informationen nicht weitergemeldet hatte.

Brutalität von Taten nimmt zu

Die vier Beschuldigten kommen alle aus Lichtenberg. Bisher seien sie nicht als Kriminelle bei der Polizei bekannt gewesen, sondern „im Wesentlichen unbelastet“, hieß es. Dank der Videobilder konnten sie schnell ermittelt werden: Ein Lichtenberger Polizist der „Operativen Gruppe Jugendgewalt“ erkannte einen aus Kenia stammenden 17-Jährigen wieder, weil dieser kürzlich an einer Präventionsveranstaltung seiner Schule, der „Schule am Rathaus“, teilgenommen hatte. Das Anti-Gewalt-Projekt der Polizei „Gemeinsam Leistung zeigen“ läuft dort seit einigen Jahren. Allerdings waren ausgerechnet diejenigen beiden Beamten, die das Projekt initiiert hatten und zu „Bezugspersonen“ für die Schule geworden waren, vor zwei Jahren abgezogen und mit anderen polizeilichen Aufgaben betraut worden, sagte ein Ermittler.

Nachdem der 17-Jährige identifiziert worden war, verriet er die Namen seiner mutmaßlichen Komplizen. Einer von ihnen soll auf dieselbe Schule gegangen sein, die beiden weiteren Verdächtigen besuchen andere Schulen in Lichtenberg.

Im Jahr 2009 – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – zählte die Polizei in öffentlichen Verkehrsmitteln mehr als 31 000 Straftaten, darunter 4566 Fälle von Körperverletzung, 785 Raubtaten und 149 Sexualdelikte. Den größten Teil machten Sachbeschädigungen aus (8175), gefolgt von Taschendiebstahl (6407). Die Zahl der Jugendgewaltdelikte sei zwar rückläufig, sagte eine Polizeisprecherin, die Brutalität der Taten nehme aber zu.

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