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Joints sind auch auf Schulhöfen keine Seltenheit.

© Kai-Uwe Heinrich

Cannabis-Konsum: Schon Achtklässler beginnen in Berlin mit dem Kiffen

Kiffen am Schultor ist in Berlin weit verbreitet, und viele Lehrer schauen weg. Einige Internate gehen jetzt in die Offensive – und verlangen Urintests von den Schülern.

Die Rauchschwaden mit dem charakteristischen Duft ließen keinen Zweifel: Als die Schulinspekteure kürzlich eine Oberschule in Pankow besuchten, wussten sie bereits vorm Betreten des Gebäudes: Hier wird gekifft. „Die Schüler standen in einer seitlichen Toreinfahrt, die Lehrer schienen nichts zu bemerken“, berichtet ein Elternvertreter. Die Schulleitung habe dann angekündigt, dass der Inspektionsbericht in der Schublade verschwinden werde – um den Ruf der Schule nicht zu gefährden.

Die Angst um das Ansehen bestimmt offenbar in den meisten Schulen den Umgang mit dem Thema „Cannabis“. Umso überraschter waren viele Eltern, als die jüngste Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen die vergleichsweise große Bedeutung der illegalen Droge an Berliner Gymnasien beleuchtete. Vor allem die Bezirke Steglitz-Zehlendorf und Charlottenburg-Wilmersdorf werden unter Schülern immer wieder genannt, wenn es um sogenannte „Kifferschulen“ geht. Ein Schulleiter berichtet, dass der Einstieg immer früher erfolge: „Schon Achtklässler sind dabei.“

Während die betroffenen Gymnasien das Thema mit dem Argument von sich weisen, dass ja stets außerhalb des Schulgeländes und nicht innerhalb der Schule gekifft werde, müssen die Internate eine andere Strategie verfolgen: Da die Jugendlichen auf dem Schulgelände wohnen, hält die Droge automatisch Einzug. Die Folge ist, dass sich Internate schon bei der Aufnahme ihrer Schüler die Genehmigung für entsprechende Urintests holen.

„Da die Internatsschüler bei uns leben, sind auch die Erwartungen unserer Eltern an unsere Fürsorge andere. Daher werden hier jede Woche drei von den rund 50 Internatsschülern nach dem Zufallsprinzip ausgelost, bei denen ein Urintest durchgeführt wird“, berichtet Christoph Schmidt, Internatsleiter der Seeschule Rangsdorf am Berliner Ring. Darüber hinaus würden bei Verdachtsfällen Drogen- und Alkoholtests „auch in größerem Umfang“ angeordnet.

„Wer erwischt wird, fliegt sofort“, beschreibt der Leiter der Reinickendorfer Schulfarm Insel Scharfenberg, Burkhard Ost, die klare Linie im Internat, die aus schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit resultiert. In der Inselschule ist man etwas nachsichtiger: Erst wer zum zweiten Mal erwischt wird, fliegt von der Schule. Urintests werden nicht angeordnet, aber im Verdachtsfall „angeraten“.

Viele Eltern würden sich wünschen, dass nicht nur die Internate so offensiv mit dem Thema umgehen. Sie erfahren von ihren Kindern, dass Ethiklehrer stundenlang über die Gefahren von Alkohol und Zigaretten reden, aber nicht einmal ahnen, dass sich im Park nebenan die eigenen Schüler regelmäßig zum Kiffen verabreden. Viele fragen sich, wie lange es noch dauert, bis auch ihr Kind zu der vermeintlich „coolen“ Gruppe gehören will.

Die Suchtbeauftragte der Bildungsverwaltung, Annett Havemann, rät Eltern, selbst aktiv zu werden, damit Themen wie das Kiffen, aber auch das immer größer werdende Problem von Magersucht und Internetsucht im Unterricht oder beim Elternabend angesprochen werden. Sie verweist auf ein enges Netz von Kontaktlehrern für Suchtprophylaxe, die wiederum von Koordinatoren in jedem Bezirk betreut werden und Tipps geben, aber auch Referenten vermitteln können.

Ein Beispiel nennt die Suchtprophylaxe-Koordinatorin für die Schulen in Marzahn-Hellersdorf, Kerstin Hasse. Sie holt gern Polizisten in die Klassen. Die könnten berichten, dass es die Aussicht auf den Führerschein verschlechtert, wenn man wegen Drogenbesitzes aktenkundig wird.

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