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Anstrengen statt Urlaub. Flatow-Schüler und Ruderer Max Brosche (mit Basecap) und sein Teamkollege Malte Scharf beim Training auf der Spree im Olympiastützpunkt in Grünau.

© Thilo Rückeis

Schule: Immer schön in Übung bleiben

In der Flatow-Oberschule in Köpenick machen künftige Olympiasieger Abitur. Urlaub haben die Jugendlichen allerdings nur selten. Turniere durchkreuzen das Schuljahr, im Sommer sind sie im Trainingslager. Ein alternativer Ferienkalender soll helfen.

Ein normaler Schultag beginnt für Ruderer Max Brosche mit dem Morgentraining um 7.15 Uhr. Dann ist er bis Nachmittag in der Schule und ab 16 Uhr zurück im Bundesruderstützpunkt Grünau. Auf der Spree oder im Messbecken, wo eine blaue Kontrolllinie auf einer Leinwand vor seinem Boot ihm hilft, seinen Ruderschlag zu perfektionieren. Zwei Mal 50 Minuten mit kurzer Pause. Hinten in den Ecken des Trainingsraums hängen zwei Lautsprecher für Musik. Doch wer fragt, ob Max während des Trainings mit seinem Co-Ruderer auch mal reden kann, kassiert verwunderte Blicke. Das Rudertraining erfordert höchste Konzentration.

Urlaub, den haben ihre 333 Schüler, junge Leistungssportler wie Max Brosche kaum, sagt Kerstin Gießler. Sie ist Schulleiterin der Flatow-Oberschule in Köpenick, die sich auf Rudern, Kanurennsport, Segeln, Surfen, Fußball und Radsport spezialisiert; eine der drei Eliteschulen des Sports in Berlin. An der Wand in ihrem Büro hängen Postkarten aus vielen verschiedenen Ländern. Die Schüler haben sie von ihren Wettbewerben geschickt. Die Seglerin Karoline hat in den Sommerferien eine Woche Urlaub. Ansonsten segelt sie Regatten, trainiert und bereitet sich auf die Jugendweltmeisterschaft vor, die direkt mit dem neuen Schuljahr beginnt. Sie würde ihren Schülern wünschen, dass sie auch mal das Handy ausschalten können, über das sie mit Trainern und der Schulleitung Termine koordinieren, sagt Gießler. Ein eigener Ferienkalender für die Schule in Abstimmung mit den Sportverbänden soll helfen, die Schüler zu entlasten. Die rechtliche Grundlage dafür ist in Berlin schon geschaffen, im Schuljahr 2014/2015 will die Schule den eigenen Kalender umsetzen.

Die Flatow-Oberschule will ihren Schülern ermöglichen, Sport und Schule zu vereinbaren, und auch Wissen über Sport und Sporttheorie zu sammeln. An den Wänden zwischen Biologie- und Chemiesaal hängen zahlreiche anatomische Abbildungen. Dass für die Schüler zwei Leistungssysteme zusammenkommen, kann man erkennen, wenn sie im Unterricht sitzen und ihre kräftigen Arme verschränken. Es gab schon Jahre, erzählt Gießler, in denen der Mathelehrer mit den Rennkanutern zu ihrem Wettkampf nach Duisburg gefahren ist, damit seine Schüler zur gleichen Zeit wie die anderen in Berlin ihre MSA-Prüfung schreiben können. Wettkampf ist nicht nur körperlich erschöpfend, sagt Gießler, sondern erfordert genauso wie eine Klausur einen freien Kopf. Wenn beides zusammenkommt, sagt Gießler, ist das „eine große mentale Belastung“.

In anderen Schulen stehen die Leistungssportler vor einem Entweder-Oder. Sie müsse sich entscheiden, hatte der Lehrer einer Reinickendorfer Schule der Kanuterin Saskia gesagt. Jetzt wohnt die Berlinerin im Internat der Flatow-Oberschule und muss morgens nur die Treppe hinunter, um sich in ihr Kanu zu setzen.

Lehrer und Trainer. Jürgen Worms begleitet die Ruderer auf der Spree im Motorboot.
Lehrer und Trainer. Jürgen Worms begleitet die Ruderer auf der Spree im Motorboot.

© Thilo Rückeis

Um Sport und Schule zu vereinbaren, ist die Oberstufenzeit auf sieben statt vier Semester gestreckt. Manche Wahlfächer wie Kunst werden in Modulen in Projektwochen angeboten. Der Schultag ist verdichtet mit kurzen fünfminütigen Pausen und einer langen mittags. Wenn die Schüler im laufenden Jahr an einem anderen Standort trainieren, bekommen sie die Schulaufgaben per E-Mail geschickt und müssen sie selbstständig abends nach dem Training erledigen. Das erfordert viel Disziplin, sagt Saskia. Sportlich hinter ihren Zielen her zu sein, können sich die Schüler nicht leisten.

Die Flatow-Oberschule kann nur besuchen, wer über Verbände professionellen Sport betreibt. In der 8. und 10. Klasse werden die Schüler getestet. Wer nicht besteht oder seine leistungssportliche Karriere etwa wegen einer andauernden Verletzung beendet, muss gehen.

Alle Schüler werden an der Schule angeregt, ihren Plan B vorzubereiten. Denn nur in wenigen Sportarten können Profis vom Sport leben. Weil Sponsorengelder fehlen, zahlen die Schüler die Startgebühren für viele Regatten selbst. Wenn ehemalige Flatow-Oberschüler nicht gerade wie bei den Olympischen Spielen in London zu den wenigen deutschen Athleten gehören, die Gold holen, gibt es für Kanurennsport, Segeln, Rudern wenig Aufmerksamkeit. „Wir produzieren hier nicht nur Sport“, sagt Schulleiterin Gießler. Erfolgreiche Sportler informieren an der Schule über Berufsausbildung oder ein begleitendes Studium. Viele arbeiten im Sport- und Gesundheitsmanagement, viele gehen später an Schulen und kombinieren als Lehrer Mathe und Erdkunde mit Sport. Am Sonnabend, den 10. August, von 9.30 bis 14 Uhr veranstaltet die Flatow-Oberschule den 20. Flatow-Cup: Ruder-, Kanu- und Segelregatten für alle jungen Vereinssportler; Regattastrecke Berlin-Grünau, Regattastraße 191-197, 12527 Berlin

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