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Der Gebetsraum im Diesterweg-Gymnasium ist ein kleiner Klassenraum.

© Doris Spieckermann-Klaas

Letzte Instanz: Streit um Gebetsraum vor Bundesgericht

Bundesverwaltungsgericht verhandelt über die Revision eines jungen Muslims, der in den Pausen auf dem Schulgelände beten will. Was meine Sie zum Thema Gebetsräume in Schulen? Diskutieren Sie mit!

Wenn für den Berliner Schüler Yunus M. alles nach Plan läuft, wird er bald nicht nur seine Abi-Klausuren schreiben, sondern zuvor noch ein Stück Rechtsgeschichte. Erstmals verhandelt an diesem Mittwoch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in letzter Instanz über eine Klage, auf dem Schulgelände nach islamischem Ritus beten zu dürfen.

Das Urteil im bundesweit beachteten Streit ist zwar nur für Schule und Schüler im konkreten Fall verbindlich, strahlt aber auf ähnliche Konflikte in Berlin und im Bundesgebiet aus. Sollte das Gericht dem jungen Muslim das Beten in Unterrichtspausen ermöglichen, könnten sich Muslime oder Angehörige anderer Religionen künftig ebenfalls darauf berufen. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin hatte Yunus M. im September 2009 gewonnen, vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) in Mai 2010 hingegen verloren. Dieses Urteil will er nun in der Revision vor Deutschlands höchstem Verwaltungsgericht prüfen lassen.

„Wir erwarten die Zurückweisung der Revision“, sagte Beate Stoffers, Sprecherin der Bildungsverwaltung, dem Tagesspiegel. Der Konflikt sei als Einzelfall vor dem Hintergrund der besonderen Situation am Weddinger Diesterweg-Gymnasium zu betrachten, wo Yunus M. zur Schule geht. Direktorin Brigitte Burchardt hatte dem Jungen das Beten im November 2007 verboten, nachdem der sich mit sieben Freunden im Schulflur mittags nach Mekka verneigt hatte. Sie befürchtete, dass streng religiöse Schüler Druck auf die anderen ausüben könnten; an der Schule mit 90 Prozent Schülern nichtdeutscher Herkunft seien alle Weltreligionen vertreten. Wenn alle Schüler auf ihr Gebetsrecht pochen würden, „könnte ich die Schule schließen“, sagte Burchardt damals.

Trotzdem sprach das Verwaltungsgericht Berlin dem seinerzeit 16-Jährigen ein Betrecht zu. In der Öffentlichkeit wurde dies als „Anspruch auf einen Gebetsraum“ missdeutet, was so nicht entschieden worden war. Gleichwohl urteilte das OVG im Mai 2010 gegen das Recht auf Schulgebet, weil es den Schulfrieden stören und Schüler beeinflussen könne. Es meinte auch, dass ein getrennter Raum als „flankierende Maßnahme“ notwendig sei, wenn man denn Gebete ermöglichen wolle. Dies jedoch würde „die organisatorischen Möglichkeiten sprengen“. Der Schüler hatte bis dahin einen umgewidmeten Computerraum nutzen dürfen, er soll ihn aber nur ein rundes Dutzend Male aufgesucht haben.

Im OVG-Urteil hieß es noch, allein am Diesterweg-Gymnasium habe es fünf Gebetsraum-Anträge gegeben. Doch folgte später kein weiterer Streit. Die Sprecherin der Schulverwaltung betonte, Konflikte würden in Berlin entlang der Lehrer-Handreichung „Islam und Schule“ gelöst. Darin wird keine harte Linie eingefordert. Man plädiert vielmehr für ein Entgegenkommen: Da „das Gebet nicht länger als fünf Minuten dauern muss und theoretisch an jedem Ort verrichtet werden kann, reichen gegebenenfalls eine Schulpause und ein ruhiger Ort hierfür aus.“ Allerdings dürfe der Schulbetrieb nicht gestört und müssten Schülerinnen und Schüler vor Beeinträchtigung oder Druck geschützt werden.

Die Tatsachen gelten als festgestellt; vor dem Bundesverwaltungsgericht geht es jetzt nur darum, ob die Religionsfreiheit des jungen Mannes ausreichend gewürdigt wurde. Schulen sind, anders als viele mutmaßen, auch nach Auffassung der OVG-Richter keine religionsfreien Räume. Die Einschränkung sei allerdings gerechtfertigt, weil einer „durchaus konkreten Gefahr“ für den Schulfrieden zu begegnen sei.

Sollte die Revision zurückgewiesen werden, kann der junge Mann noch vor das Bundesverfassungsgericht ziehen und dort das Urteil anfechten. Sollte dagegen Yunus M. Recht bekommen, steht dem Land Berlin keine Beschwerde zu; das Urteil wäre endgültig.

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