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Schüler stellen für einen Film eine Szene einer Rangelei nach.

© dpa

Mobbing: Tägliche Demütigung in Berliner Schulen

Wer sich wehrt, muss mit Schlägen rechnen: Pausenhof und Klassenzimmer werden für Schüler immer häufiger zu Orten der Demütigung. Die Zahl der Mobbingtaten steigt. Neuköllns Bezirksbürgermeister Buschkowsky spricht von einem "erzwungenen Dienerverhalten".

Die offizielle Zahl der Mobbingfälle an Berliner Schulen steigt. 78 Fälle meldeten die Schulen im vergangenen Schuljahr, teilte die Senatsverwaltung für Bildung jetzt mit. Im Schuljahr zuvor wurden 21 Fälle gemeldet – die meisten, jeweils vier, in Mitte und Lichtenberg. 2007/08 waren es noch 31 Fälle. Da lagen Mitte mit neun sowie Neukölln und Steglitz-Zehlendorf mit jeweils fünf gemeldeten Fällen an der Spitze.

Die Dunkelziffer der Mobbingtaten ist vermutlich hoch. Beate Stoffers, Sprecherin der Bildungsverwaltung weiß, dass Opfer die Taten aus Angst vor mehr Ärger oft nicht melden. Rose-Marie Seggelke, Berliner Vorsitzende der Lehrer-Gewerkschaft GEW, glaubt, dass Schulen um ihren Ruf fürchten und die Taten deshalb nicht anzeigen. Dabei sei das Gegenteil der Fall: Wenn die Schule die Vorkommnisse melde und aufarbeite, wirke das vertrauenschaffend. Seggelke fordert mehr Lehrer mit Migrationshintergrund und Sozialpädagogen. Das will auch der Grünen-Abgeordnete Özcan Mutlu, der nach den Zahlen gefragt hatte. Dem Senat sei der Ernst der Lage nicht bekannt, beklagt er. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) appellierte an die Schulen, Gewalt und Mobbing aufzuarbeiten. Der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer warf dem Senat eine „Unkultur des Wegschauens“ vor.

Opfer müssten den Laufburschen spielen und Essen oder Zigaretten besorgen, die Schultasche tragen oder Hausaufgaben erledigen, sagen Betroffene. Wer sich dagegen wehrt, müsse mit Schlägen rechnen. „Körperliche Gewalt, bis hin zur schweren oder gefährlichen Körperverletzung – ganz zu schweigen von verbaler oder psychischer Gewalt –, ist keine Seltenheit. Auch Erpressungen und Nötigungen sind an Schulen nahezu an der Tagesordnung“, berichtete kürzlich der Polizeihauptkommissar Christian Horn. Er und 15 weitere Beamte arbeiten in den Bezirken Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg im Arbeitsgebiet Integration und Migration. Bei der Arbeit seien ihnen „selbst Fälle von regelrechter Versklavung von Mitschülern“ aufgefallen. Die Gewalt richte sich „gegen Mitschüler ebenso wie gelegentlich auch gegen Lehrer“.

Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) bestätigte, dass es unter Schülern „ein mit Repressionsandrohung erzwungenes Dienerverhalten“ gebe. Schulstadträtin Franziska Giffey weiß von „Schülern, die zu Dienstleistungen gezwungen wurden“. Mobbing sei aber kein typisches Neuköllner Problem. Sie forderte die Schulen auf, jeden Fall zu melden, und kritisierte ein Schreiben der Senatsbildungsverwaltung, wonach Beleidigungen nur gemeldet werden müssen, wenn es die Schule für nötig erachtet. „Das verwischt die Ergebnisse.“ Wie oft die Polizei wegen Mobbing an die Schulen kommen muss, werde übrigens nicht erhoben, sagte ein Polizeisprecher.

Dass Deutschenfeindlichkeit hinter dem Mobbing steht, glaubt man bei der Senatsverwaltung nicht. Von den im Jahr 2009 gemeldeten 78 Fällen von Schüler-Mobbing seien nur elf von Schülern mit Migrationshintergrund begangen worden. Der Polizist Horn allerdings betonte, dass vor allem „Kinder mit türkischem oder arabischem Migrationshintergrund mit Gewalterfahrungen aufwachsen“. Er sprach von offener Deutschenfeindlichkeit im Unterricht.

Allerdings können Schüler ja noch lernen – auch von positiven Beispielen. Am Freitag verlieh Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) den Integrationspreis. Auf den geteilten zweiten Platz kamen der Polizeiabschnitt 32 mit dem Frauenprojekt „Mitte(n)drin“ und das Internetprojekt „www.muslimische-stimmen.de“ des gleichnamigen Vereins.

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