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Frank Odois "Akokhani".

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Comic-Ausstellung „Ink & Pixels“: Kampf um Unabhängigkeit

Mythen, Mau-Mau-Kriege, Manga-Einflüsse: Eine Ausstellung des Goethe-Instituts führt in den kenianischen Comic ein, jetzt ist sie in Bremen zu sehen.

Einen Einblick in die „wilde und wundersame Geschichte des kenianischen Comics“ gewährt die derzeit in Bremen gastierende Ausstellung „Ink & Pixels“ des Goethe-Instituts. Noch mehr Erkenntnisse gewinnt man im Gespräch mit dem Preisträger der CNN Multichoice African Journalist Awards 2015, Paul „Maddo“ Kelemba. Kelemba wurde nämlich nicht nur als erster Comicjournalist in der Geschichte des vom Nachrichtensender ausgelobten Preises ausgezeichnet, anlässlich des ersten Ausstellungswochenendes begleitete er die Veranstaltung mit einer Führung und einem Vortrag. Hierbei offenbarte sich mancher Schatz des kenianischen Comicschaffens, welcher einem anderweitig verborgen geblieben wäre.

So ist beispielsweise der im Lichtbildvortrag von Kelemba gezeigte Frank Odoi und sein im Genre des in der kenianischen Mythologie verwurzelten JuJu-Comic-Epos „Akokhan“ eine echte Perle, die es obendrein schaffte, von einer der drei sie in Kenia veröffentlichenden Zeitungen, dem „Standard“, wegen übermäßiger Brutalität abgesetzt zu werden.

 Von der Arche zum Deutschlehrbuch

Warum man ihn allerdings als den „Hergé Afrikas“ bezeichnet, mag sich dem Betrachter seiner intensiv kolorierten und plastisch im Stile eines Manfred Deix, Das Pastoras oder Richard Corben daherkommenden Panels kaum erschließen; die urwüchsige und in heimischen Mythen verwurzelte Brutalität lässt eher an die in den 1970erJahren an bundesrepublikanischen Kiosken erhältlichen Auswüchse von Sezgin Burak und seines thematisch ähnlich gelagerten „Tarkan“ denken. Vielleicht rührt diese im stilistischen Sinne Verwirrung stiftende Benennung des Künstlers, der seine Arbeiten zeitweise mit „Versenker von Noahs Arche“ signierte, aus seiner Serie „Golgoti“ über einen Weißen in Afrika, hier jedoch aus der Perspektive eines Schwarzen beschrieben.

Der in Kenias Comicszene wirkende Odoi stammte ursprünglich aus Ghana, hatte seinen Lebensmittelpunkt bis zu seinem Tod im Jahr 2012 aber in der kenianischen Hauptstadt Nairobi.

Seinen Unterhalt verdiente er, und das ist ein unter Comickünstlern weltweit verbreitetes Phänomen, mit Auftragsarbeiten. Darunter war übrigens ein Deutschlehrbuch, das in kenianischen Schulen eingesetzt wurde.

In Kenia waren Comics zwar durch Importe europäischer und amerikanischer Zeitungen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreitet, ihre kreative Autonomie erfuhr die Kunstform aber erst in den 1950er Jahren, welche zeitlich mit den Mau-Mau-Kriegen gegen die britische Kolonialherrschaft zusammenfällt wobei zumindest Letztere zur Unabhängigkeit Kenias führten.

Pionierarbeit leistete „Juha Kalulu“ von Edward G. Gitau in der Tageszeitung „Taifa Leo“. Der Strip erschien täglich über sechzig Jahre hinweg, damit schlägt er sogar die „Peanuts“ von Charles M. Schulz, die es auf fünfzig Jahre Laufzeit brachten.

Die Mau-Mau-Kriege brachten zudem, wenn auch erst Jahrzehnte später, Chief Nyamweyas „Emergency“ hervor; einen mehrere hundert Seiten umfassenden Comic, der versucht, die historischen Hintergründe der damaligen Aufstände zu beleuchten. Ursprünglich als Webcomic erschienen, folgte später eine Printversion des Werkes, was sowohl bezüglich des Formates sowie des Erfolges ungewöhnlich ist. In Kenia werden Comics weitestgehend in Zeitungen oder Magazinen in Häppchen publiziert; manchmal, jedoch nicht immer, erscheint dann noch ein Sammelband der einzelnen Folgen.

 Keep On Rockin' In The Free World

Comicläden, in denen man diese kenianischen Versionen von Tradepaperbacks erwerben könnte, gibt es nicht, auch ist der Abverkauf über den Zeitschriftenhandel unüblich. Lediglich als Segment innerhalb von Buchhandlungen fristen kenianische Comics ihr Dasein, wobei sie sich zudem die Aufmerksamkeit mit franko-belgischen Erfolgsschlagern wie „Asterix“ oder „Tim und Struppi“ teilen müssen. Das früher ebenfalls recht populäre Superheldengenre ist nach seiner Blütezeit in den 1970er und 1980er Jahren jedoch in Kenia kein Umsatzgarant mehr.

Wie fast überall in der Welt ist die jüngste Generation kenianischer Comicschaffender von Manga und Fantasywelten beeinflusst, was sich auch in teilweise austauschbarem Artwork widerspiegelt.

Mit eigener Note - Just A Band.
Mit eigener Note - Just A Band.

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Für den kenianischen Comic ist das ein Hindernis, um international wahrgenommen zu werden, denn die Konkurrenz auf diesen Feldern ist riesengroß. Die Situation ist mit der auf den Philippinen vergleichbar, wo eine Rückbesinnung auf die Mythologie ebenfalls den Versuch darstellt, sich von der globalen Eintopfkultur abzuheben und ein Alleinstellungsmerkmal auszuformen.

In dieser Hinsicht stellen die Arbeiten des Künstlerkollektivs Just A Band einen Lichtblick dar, dessen Arbeiten sich durch einen sehr klaren und Freiräume einräumenden Stil als locker-luftig empfehlen. Da man neben dem Produzieren von Comics noch gleichberechtigt das Musik machen inklusive auf Tournee gehen praktiziert, ist die Unfähigkeit, über den eigenen Horizont hinauszublicken, hier nicht so stark gegeben und eine gute Voraussetzung für eine eigene Note und thematische Diversität.

Das schreckliche Kind

Gleiches gilt für Msingi Sasis, dem laut den unter den Werken angebrachten Infotäfelchen in der Ausstellung der Ruf eines Enfant Terrible vorauseilt. Seine Selbstinszenierung und Fotocollagen nutzenden Comics wirken wie eine Bewerbung für ein von Rapper Kanye West und Art-Comics-Phantom Blaise Larmee geplantes Remake der drei Musketiere. Zum Infotext: Dieser liest sich derart superlativartig, dass selbst Stan Lee noch davon lernen könnte. Vielleicht erstellte ihn Sasis aber auch höchstpersönlich; werkskonform wäre das allemal. Leider hat sich der Künstler mittlerweile vom Comic verabschiedet und macht nun in Fotografie ohne narrativen Aspekt - zumindest im sequentiellen Sinn. Kenias Polizei scheint das anders zu sehen und verhaftete Sasis wegen terroristischer Umtriebe, die man aus seinen Bildern herauszulesen glaubte.

Der Mangaeinfluss ist bei Eric Zoe Muthoga noch erkennbar, mündet aber in einer neuen Ausdrucksform.
Der Mangaeinfluss ist bei Eric Zoe Muthoga noch erkennbar, mündet aber in einer neuen Ausdrucksform.

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Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass die Probleme des kenianischen Comics in vieler Hinsicht internationale und comicimmanente Probleme sind, wenn auch in unterschiedlicher Gewichtung .

Die Distributionsproblematik durch eine quasi nicht-existente Vertriebsstruktur versuchen medienübergreifende Verbünde wie das 2010 gegründete Shujaaz zu beheben. Dort macht man multimediale Kompetenz nicht nur zum Inhalt der Comics; diese Thematik wird über Plattformen wie WhatsApp, YouTube oder das Fernsehen sowie Comics vorgelebt. Darüber hinaus wird versucht, die Interaktion mit der Zielgruppe als zusätzlichen Anziehungsaspekt zu nutzen.

An wagemutigen Verlegern und einfallsreichen Autoren fehlt es obendrein, aber dafür muss man nicht extra auf Kenia blicken; das bekommt Deutschland selbst gut hin. Nur bei der Frauenquote stehen wir besser da: Celeste Wamiru, immerhin „First Female Newspaper Editorial Cartoonist in East Africa“, war innerhalb der Ausstellung der solitäre Leuchtturm inmitten einer Flut von XY-Chromosomen.

 Ink & Pixels – Die wilde und wundersame Geschichte des kenianischen Comics, Zentralbibliothek Bremen, Am Wall 201, 28195 Bremen, bis zum 8. Oktober 2016. Mehr über den kenianischen Comic und die einzelnen Künstler auf der Website des Goethe-Instituts.

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