zum Hauptinhalt
Tatkräftige Assistentin: Eine Seite aus dem besprochenen Band.

© Schreiber & Leser

Krimi-Comic „Maggy Garrisson“: Scharfsinn aus der Schule des Lebens

Für den Krimi „Maggy Garrisson“ hat Lewis Trondheim eine Protagonistin erschaffen, wie sie in Comics viel zu selten zu sehen ist. Jetzt ist der erste Band auf Deutsch erschienen.

Ein „Obelix der Kreativität“ – so wurde René Goscinny einst genannt. Heute ließe dieses Prädikat sich auf Lewis Trondheim übertragen. Eigentlich müsste man den Franzosen sogar als Super-Obelix bezeichnen. Denn der 1964 als Laurent Chabosy geborene Trondheim ist nicht nur ungeheuer produktiv, sondern – anders als der Erfinder von „Asterix“ – auch ein sehr guter Zeichner. Als Szenarist fühlt er sich zudem in diversen Sparten zu Hause: Humoristisches und Autobiografisches beherrscht er ebenso wie Fantasy und Science- Fiction. Unterschiede zwischen Autoren- und Genre-Comics kümmern ihn nicht; er schöpft munter aus beiden Bereichen.

Kaltschnäuzige Ermittlerin

Mit „Maggy Garrisson“ hat Trondheim nun eine in London angesiedelte Crime-Serie geschrieben, die in ihrem lakonischen, leicht komödiantisch gefärbten Realismus an das Kino von Mike Leigh und Ken Loach erinnert. Drei Bände, die zusammen einen ersten Zyklus bilden, liegen bereits vor; der erste von ihnen ist gerade auf Deutsch bei Schreiber & Leser erschienen. Die Titelfigur, eine Frau von Anfang dreißig, kommt aus der Provinz nach London. Um der Arbeitslosigkeit zu entfliehen, nimmt sie einen Job bei einem schäbigen Privatdetektiv an, der sich vor allem aufs Trinken versteht und eine tatkräftige Assistentin gebrauchen kann.

Mit Maggy hat Trondheim eine Protagonistin erschaffen, wie sie in Comics viel zu selten zu sehen ist. Ihr Aussehen ist von betonter Durchschnittlichkeit; ein besonders hübsches Gesicht besitzt sie nicht und erst recht keine Modelfigur. Was sie so anziehend macht, sind ihr Mutterwitz, ihr Einfallsreichtum und ihr Scharfsinn, der sich der Schule des Lebens verdankt. In Maggys Innern lauern, gut verborgen, eine tiefe Einsamkeit und Traurigkeit, die sie gerne bereit ist, im Pub mit vielen Bieren hinunterzuspülen.

Das Cover des ersten Bandes.
Das Cover des ersten Bandes.

© Schreiber & Leser

Action gibt es in „Maggy Garrisson“ nicht viel; die Handlung entfaltet sich überwiegend in Gesprächen und Begegnungen. Zwei Linien sind virtuos miteinander verknüpft: einerseits eine Reihe kleiner, alltäglicher Ermittlungen, andererseits ein großer Fall, der erst im letzten Teil seinen Abschluss findet.

So subtil wie die Erzählweise sind auch die Zeichnungen von Stéphane Oiry. Seine Seitenaufteilung ist streng; oft verändert er über mehrere Panels weder Blickwinkel noch Einstellungsgröße. Alle Aufmerksamkeit gilt den Figuren und dem Dekor, in dem sie sich bewegen: Um einen fesselnden Comic entstehen zu lassen, braucht es eben nicht immer grafische Kraftmeierei.

Lewis Trondheim: Maggy Garrisson, Band 1, Schreiber & Leser, 48 Seiten, 14,95 Euro

Christoph Haas

Zur Startseite