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Nah am Wasser: Eine Doppelseite aus „Schwere See, mein Herz“.

© Suhrkamp

„Schwere See, mein Herz“ von Olivia Vieweg: Geliebter Seebär

Obskures Objekt der Begierde: In Olivia Viewegs neuem Comic „Schwere See, mein Herz“ verliebt sich eine 13-Jährige in einen bärbeißigen Kutter-Kapitän.

Erwachsen werden ist kein Zuckerschlecken. Erst recht nicht für Heidi: Sie wird 13 und kann mit Boygroups wenig, dafür mit Buddelschiffen viel anfangen. So oft sie kann, pilgert sie an den Pier ihrer Heimatstadt Cuxhaven, wo einer der letzten deutschen Hochsee-Kutter regelmäßig anlegt. Dessen Kapitän hat weder für sie noch für jemand anderen gute Worte übrig. Doch sie schwärmt für ihn – und bleibt auch dabei, als er ihr attestiert: „Dem Mädel hat doch einer ins Hirn geschissen.“

Das alles könnte in eine Coming-of-Age-Klamotte abgleiten. Aber hier erzählt Olivia Vieweg, und die hat schon in ihren Graphic Novels „Huck Finn“ und „Antoinette kehrt zurück“ bewiesen, wie gut sie die Welt der Teenager versteht. Ihre Heidi muss sich noch mit ganz anderen Problemen herumschlagen. Das Geld sitzt knapp in ihrer Familie, sie hasst die Schule und vor allem drängen ihre Freundinnen sie zu Dingen, die ihr zuwider sind. Wunderbar, wie Olivia Vieweg (die alle vier Wochen auch einen Strip für den Tagesspiegel zeichnet) auf nur einer Seite einfängt, wie sehr ihre Heldin sich in der Disco als Fremdkörper fühlt: richtig zu sehen ist sie nur im kleinsten Panel unten rechts. Und auch nur angeschnitten.

Knapp vorbei an der Tragödie – das Leben geht weiter

Tiefernst wird „Schwere See, mein Herz“ (eigentlich ein Element-of-Crime-Song) schließlich durch die Figur des Kapitäns. Anstatt ihn als Idol zu zeichnen, gibt Olivia Vieweg ihm eine verunglückte Ehe und jede Menge Verbitterung mit aufs Meer. Auch erwachsen sein ist kein Zuckerschlecken.

Buddelschiffe statt Boygroups: Die Hauptfigur Heidi auf dem Buchcover.
Buddelschiffe statt Boygroups: Die Hauptfigur Heidi auf dem Buchcover.

© Surkamp

Beide, Heidi und ihr Kapitän, steuern in ihre persönliche Katastrophe hinein und gleichzeitig an ihr vorbei, weil sie im entscheidenden Moment über sich hinauswachsen. Dabei hilft ihnen Olivia Viewegs lakonischer Stil (nur 116 Seiten!): wo jedes Einzelbild und jeder Satz sitzen, bleibt Raum fürs Tragische, aber nichts fürs Melodram. Außerdem wirken Viewegs Bilder wegen ihres verwackelten Strichs im besten Sinne unfertig. Wie das Leben ihrer jungen Heldin. Und die Meertöne zwischen grau, türkis und nachtblau verraten: die Autorin liebt das Wasser so sehr wie ihre Protagonisten.

Olivia Vieweg: Schwere See, mein Herz, Suhrkamp, Klappenbroschur, 116 Seiten, 14 Euro. Eine Leseprobe gibt es auf der Website des Verlages.

Silke Merten

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