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Arbeiter, Detektiv, Amazone. Die drei Figuren stehen für drei unterschiedliche Philosophien, mit Herausforderungen umzugehen.

© DC

Superheldencomic: Tausend  Helden, drei Legenden

Superman, Batman und Wonder Woman sind die großen Drei im DC-Verlag. Das 1000-Seiten-Epos „Trinity“ will zeigen, warum.

Seit 1938 fliegt Superman durch Metropolis. Seit 1939 jagt Batman Verbrecher in Gotham City. Diana, Prinzessin der „Paradiesinsel“ Themiscyra, kämpft seit 1941 als Wonder Woman für Gerechtigkeit. Als ihre Heftreihe 1944 Teil des DC-Verlags wurde, wuchs auch zwischen den drei Helden eine erste Freundschaft: Bis heute spielen die Geschichten in der selben Welt, dem „DC-Universum“, und manchmal, zum Beispiel in der „Justice League“, arbeiten die drei im Team.

Den Großteil ihrer Zeit über sind sie jedoch sehr weit getrennt, in jeweils eigenen Heftserien: „Wonder Woman“ erscheint einmal im Monat, „Superman“ hat zwei, oft drei monatliche Reihen und „Batman“ sogar fünf bis zehn. Ein Haufen Plot, ein Haufen Raum – tatsächlich aber schafft erst „Trinity“, nach beinahe 70 Jahren, eine große gemeinsame Bühne für Clark Kent, Bruce Wayne und Prinzessin Diana.

Hefte, Reihen, Sammelbände

„Trinity“ ist spannend, weil es mit einer Reihe verlegerischer Konventionen bricht: Heldencomics erscheinen sonst einmal im Monat mit jeweils 22 Seiten Handlung, und erst vier bis sechs Einzelhefte bilden einen längeren, geschlossenen Handlungsbogen, der später dann im Buchhandel noch einmal als Sammelband, Trade Paperback, zweitverwertet werden kann. Die Verkäufe dieser dünnen Hefte sind noch immer der wichtigste Erfolgsfaktor der Branche – doch die Trades holen auf: Auch Panini Comics, der deutsche Lizenznehmer, veröffentlicht statt Einzelheften bevorzugt 100- bis 300seitige Sammelbände.

Zugpferde , Inspiration und Vorbild. Das Heldentrio im Einsatz.
Zugpferde , Inspiration und Vorbild. Das Heldentrio im Einsatz.

© Illustration: DC

2006 teste DC ein neues Konzept, um in schnellerer Folge längere Geschichten erzählen zu können: „52“ erschien wöchentlich statt monatlich, ein volles Jahr lang, und war ein großer Erfolg bei der Kritik. 2007 folgte eine zweite wöchentliche Reihe, „Countdown“, und dann, 2008, „Trinity“. Alle drei Serien verkauften sich passabel, doch „Trinity“ machte auch konzeptuell noch einmal einen großen Sprung nach vorne: Wo bisher eine Gruppe aus Autoren in Arbeitsteilung viele (oft nebensächliche) Figuren durch viele (oft nebensächliche) parallele Handlungsstränge führte, gibt es bei „Trinity“ einen erfrischend klaren Fokus. Ein Autor, der preisgekrönte Kurt Busiek (Lesetipps: „Superman: Geheimidentität“, „Astro City“) erzählt auf 1155 Seiten eine epische Geschichte über die drei wichtigsten Helden des Verlags – ein Mammutprojekt, aber stringent und überraschend koordiniert.

Einem einzelnen Autor so viel Verantwortung zu übertragen, ist bei DC (und dem Konkurrenten Marvel) recht selten geworden: Statt einzelner Schreiber besitzen die Verlage selbst die Rechte an ihren Figuren, und eine Redaktion plant, verzahnt und promotet dort 30 bis 50 monatliche Heftreihen. Jede Krise, jede Begegnung, alle Hochzeiten, Todesfälle, großen Entwicklungen müssen abgesprochen werden, und die größten, viele Figuren betreffenden Events dürfen nicht nur der inneren Logik einer Reihe folgen – sondern auch zum großen Ganzen passen. In diesem Licht ist „Trinity” ein kreativer Glücksfall: 52 Ausgaben, in der ein Autor und ein kleines, talentiertes Zeichnerteam einer Geschichte, einer künstlerischen Vision folgen dürfen – das passiert nicht sehr oft. Bei vielen monatlichen Reihen werden fast jährlich das Konzept, der Autor oder Zeichner, der Tonfall oder die Zielgruppe geändert, damit sich die Verkaufszahlen heben.

Kometen, Gangster, Kriege

Nur drei Figuren stehen ein kleines Stück über solchen Moden: der Reporter Clark Kent, der Playboy Bruce Wayne und die Diplomatin Diana von Themiscyra. „Superman“, „Batman“ und „Wonder Woman“ sind viel größere Marken, stabilere Konzepte als ihre vielen unbekannteren Kollegen. Die drei sind (für den Verlag) die Zugpferde und Stützpfeiler und (für die anderen Helden) Inspiration und Vorbild. Noch interessanter als diese Gemeinsamkeiten aber ist die Dynamik ihrer Unterschiede.

Kosmisches Schmierentheater. Die Bösewichter und ihre grellen Pläne sind das schwächste Element der Reihe.
Kosmisches Schmierentheater. Die Bösewichter und ihre grellen Pläne sind das schwächste Element der Reihe.

© DC

„Wenn du einen Kometen stoppen musst, dann brauchst du Superman“, erklärte DC-Autorin Gail Simone 2008. „Wenn du ein Verbrechen lösen willst, brauchst du Batman. Doch wenn du einen Krieg beenden willst, dann brauchst du Wonder Woman.” Der Arbeiter, der Detektiv, die Amazone. Das Findelkind, der Waisenjunge, die Prinzessin. Der Freund und Helfer, der Schattenmann, die Botschafterin. „DC begnügt sich nicht damit, zu sagen: Das hier sind unsere drei erfolgreichsten Figuren”, schreibt der Comichändler Scipio Garling: „Die drei sind vom Verlag, bewusst oder unbewusst, als konzeptuelle Eckpunkte gesetzt.“

Ein Gedanke, den „Trinity“ erforscht und scharf pointiert: Morgana LeFay, eine alte Feindin Dianas, findet heraus, dass sich die Textur der Realität verändern lässt, sobald man Superman, Batman und Wonder Woman aus der Gleichung schafft. Zusammen mit dem Erfinder und Dieb Enigma und dem Weltraum-Despoten Despero will die Hexe ein geheimes Ritual ausführen, um Clark, Bruce und Diana aus der Wirklichkeit zu radieren. Die drei Widersacher sind zwar etwas platt charakterisiert – aber der Konflikt zwischen der guten und dieser neuen, bösen „Dreiheit“ eskaliert angenehm schnell: Was in kleinen, fast intimen Szenen beginnt, zieht sofort Kreise durch den gesamten Kosmos.

Busieks Serie ist eine Rundreise durch die DC-Welt, und sie macht Spaß, weil sie nicht nur drei Helden zeigt, sondern auch die Färbungen und Genres aufgreift, die die drei unterscheiden: „Superman“, das sind galaktische Bedrohungen gegen den amerikanischen Alltag. „Batman“ erzählt von Menschen, die an sinnlosen Verlusten wachsen, und „Wonder Woman“ lebt von moralischen Konflikten, großer Politik – und Monstern wie aus dem Märchenbuch. „Trinity“ mischt diese Elemente: Science Fiction, Krimi und Mythologie. Ein Best-Of aus 70 Jahren Heldencomics, geschichtsträchtig und anspielungsreich.

Im Lauf der ersten 17 Ausgaben – toll koloriert und passend farbenfroh erzählt – macht diese Reise Spaß: Konzept und Sprache sind nicht allzu tiefgründig, aber Busiek springt schwung- und lustvoll zwischen Genres, Orten und Figuren, macht neugierig, reißt mit: „Es sprudelt jetzt“, schreibt auch die Hausfrau, Mutter, Feministin und DC-Kritikerin Sally P. über Heft 8 - hier geht es zu ihrem Blog. Jede Woche las sie die neue Ausgabe, und immer hatte sie zwei, drei launige Sätze zu bloggen: „Noch immer ziemlich gut. Ich bin nicht hingerissen. Aber bestimmt nicht abgeschreckt.“

Herz, Kopf, Rückgrat

Die besten Autoren genießen es sehr, die großen Unterschiede und ideologische Spannungen des „Dreigestirns“ zu unterstreichen: Clark hofft auf das Gute im Menschen, doch Bruce misstraut jedem. Wonder Woman will lehren und lernen – Batman nur einschüchtern und kontrollieren. Superman ist Pazifist, aber Diana eine Amazone, die notfalls auch tötet. Fühlt sich Bruce von ihr angezogen oder provoziert? Lernt Batman langsam, Superman zu trauen? Clark sagt, Diana sei seine „beste Freundin“ und die Frau, die ihn am meisten versteht. Hat Lois Lane Grund zur Eifersucht?

Helden in Zivil. Die DC-Figuren stehen in einer engen, großen Gemeinschaft.
Helden in Zivil. Die DC-Figuren stehen in einer engen, großen Gemeinschaft.

© DC

Solche Konflikte und Fragen lässt „Trinity“ leider sofort unter den Tisch fallen: Statt sich mit den drei Helden zu beschäftigen, drängen immer mehr Randfiguren in den Mittelpunkt: Wer sind Gangbuster und Firestorm? Oder Owlman und Krona – muss man die kennen? Kurt Busiek kramt fünf Dutzend grelle (und recht obskure) Figuren hervor und gibt ihnen extrem viel Platz.

„Ein weiterer Gen-Überfall der gehirn-geklonten Gestaltiborgs der Ultra-Humanites“, ruft eine Frau namens Tomorrow Woman: „Wir müssen sie aufhalten.“ Tomorrow Woman hatte bislang  einen großen Auftritt, in einem „JLA“-Comic von 1997. Krona ist aus einem Kurt-Busiek-Comic von 2003, Owlman hatte im Jahr 2000 seine einzige große Stunde. Das Wort „Gestaltiborgs“ hat nicht mal Google-Treffer: Hat es nichts zu bedeuten? Ist es eine Verballhornung? Oder eine Anspielung? Aber auf was?

Szenen, Puzzles, Flickenteppich

„Trinity“ startet als helle, klare und gut gelaunte Führung durch die DC-Welt, die auch neue Leser unbedingt anspricht – doch schon nach 17 Ausgaben wird Busieks Geschichte zu einer hermetischen, eklig elitären Veranstaltung: Zitate und Details, Vor- und Hintergrundgeschichten sind der große Reichtum einer so umfassenden Erzählwelt wie dem DC-Universum... aber zehn Jahre alte Comics als Voraussetzung, um der Handlung folgen zu können? Das ist unnötig und schäbig. George Perez' „Crisis“ oder Mark Waids „Kingdom Come“, andere bewusst „epische“ DC-Geschichten, jonglieren ebenso viele Figuren – ohne Neueinsteigern dreimal pro Seite die Tür vor der Nase zuzuknallen.

„Ich habe immer noch Spaß daran“, bloggte Sally P. über Heft 21. „Alle möglichen verrückten Dinge passieren, und es ist einfach unterhaltsam!“, bloggte sie über Heft 23. „Jede Woche wird es durchgeknallter!“ über Heft 24, „.Und immer noch passieren Sachen, auf interessante Art und Weise!“ (Heft 25). Vielleicht hat man als langjähriger Leser, beim (Wieder-)Erkennen der vielen Leute, mehr Spaß.

Monumental. Superman, Batman und Wonder Woman sind seit sieben Jahrzehnten im Einsatz.
Monumental. Superman, Batman und Wonder Woman sind seit sieben Jahrzehnten im Einsatz.

© DC

Zwei Dinge aber sprechen dagegen: Nach einem Drittel „Trinity“ gelingt Morganas Zauber und mit Knall verschwinden plötzlich Superman, Batman und Wonder Woman aus der Welt und dieser Geschichte: Sie haben nie gelebt, und sogar das Universum selbst hat sie vergessen. Statt Clark, Bruce und Diana zu zeigen, stehen für den Großteil von „Trinity“ plötzlich B-Figuren wie Hawkman, Donna Troy oder John Stewart im Mittelpunkt.

„Es war nicht beste Comic aller Zeiten“, urteilte Fabian Niczieza, der Busiek beim Schreiben einiger Zweit- und Nebenkapitel half, „aber wenn man bedenkt, dass wir 52 wöchentliche Ausgaben füllen mussten, haben wir sehr gute Arbeit geleistet: eine unterhaltsame Reise, Popkorn-Lektüre mit vielen interessanten, kleinen Momenten.“ Für einen Titel, der sich so episch und pompös geriert (und, in 6 Sammelbänden, 119 Euro und 70 Cents kostet!) sind diese „kleinen Momente“ nicht genug.

Nichts Bleibendes, nichts Wichtiges geschieht in diesen 52 Heften, und nichts Neues tut sich zwischen den drei Helden. „Trinity“ handelt nicht von Superman, Batman und Wonder Woman. Sondern vom Chaos, Mittelmaß und moralischen Durcheinander, die übrig wären, wenn sie fehlen – ein Chaos im (von Morgana verhexten) DC-Universum und ein Chaos in einer (von Busiek künstlich beraubten) Erzählstruktur. Am Ende wird, durch einen zweiten Zauberspruch, alles schnell wieder ins Lot gehext, und man verlässt „Trinity“ mit dem Gefühl, dass eigentlich gar nichts geschah. Was bleibt? Mildes Interesse für C-Figuren wie Enigma und Gangbuster, großer Respekt für die Arbeit von Zeichner Mark Bagley... und eine träge, müde gewordene Wut.

„Die großen Drei“

Unwichtige Figuren? Unklare Konflikte? Uninteressante Anspielungen? Darunter leiden DC-Geschichten. Zugleich aber kann diese Überfülle eine große Chance sein: Jeder DC-Held ist ein Sohn oder eine Tochter, ein Kollege, ein Freund... Teil einer Gemeinschaft. Niemand hier steht als pubertäre Allmachtsphantasie allein in einer glatten Welt – Clark hat eine Ehefrau, Bruce eine Familie, Diana muss mit Pressesprechern und Publizisten oft viel härtere Kämpfe führen als mit Monstern. Ein Held muss bei DC immer auch neue Antworten finden auf soziale Fragen: Wie kann ein Einzelmensch anderen helfen? Welcher Zweck heiligt die Mittel? Wer will ich sein, und welchen Preis muss ich dafür bezahlen?

Helden ohne Ende. Im Großteil der Serie bestimmen Rand- und Nebenfiguren das Geschehen.
Helden ohne Ende. Im Großteil der Serie bestimmen Rand- und Nebenfiguren das Geschehen.

© DC

Anfang der Fünfziger, nach einer großen Schmutz-und-Schund-Debatte, wurden fast alle DC-Titel eingestellt. Nur „Superman“, „Batman“ und „Wonder Woman” hielten sich über Wasser. Die anderen Figuren, Helden wie Flash und Green Lantern, verschwanden und kamen erst Jahre später zurück, stark angepasst und neu besetzt. So war bis 1951 Green Lantern ein kühler blonder Verleger namens Alan Scott. Zum Relaunch 1959 übernahm Hal Jordan die Titelrolle, ein junger, ungestümer Testpilot. 1994 wurde auch Jordan selbst ersetzt, durch Kyle Rayner: ein Werbegrafiker und Grunge-Junge, noch jugendlicher und zeitgemäßer.

Die meisten Figuren um die „großen Drei” sind, schon seit den Fünfzigern, solche „Legacy Heroes”: eine Maske, aber mehrere Träger. Ein Vermächtnis, aber von wechselnden Personen fortgesetzt. Es gibt heute fünf wichtige Green Lanterns und genauso viele Flashs. Batman hat vier Kinder, drei Jungen, ein Mädchen, zum Robin ausgebildet, und alle sind, nachdem sie flügge wurden, in jeweils eigenen Serien unterwegs, unter neuen Namen wie „Nightwing”, „Red Hood” und „Red Robin”. Genau wie Seifenopern versprechen Heldencomics mit jedem neuen Heft, dass „alles ganz anders” werden kann – obwohl sich, im Großen, kaum etwas dauerhaft verändert. Und genau wie Seifenopern begeistert sich das Publikum für große Knalleffekte – bleibt aber dem Verlag vor allem aus Loyalität zu einzelnen Figuren treu: Den Lieblingshelden folgt man durch mehrere Serien, neue Masken, andere Teams und Orte.

„Wir haben es bis zum Ende geschafft!“, freut sich Sally P. über Heft 52 von „Trinity“: „Eine anständige Serie. Nicht so toll wie '52', aber um Welten besser als 'Countdown'.“ Dann wechselt sie das Thema: „Oh! Hier kommt Hal!“ Sie meint den Testpiloten, Green Lantern Nummer 2, denn das sind Sallys Helden, Sallys Jungs: Über Green Lanterns bloggt sie am liebsten, liest jede Serie, sucht jeden Gastauftritt in fremden Reihen. Sie sucht die Stellen, wo es menschelt und die Helden Söhne, Töchter, Freunde und Kollegen sind. Wo sie sich streiten, in der Welt verorten. Sich fragen: „Wer will ich sein?“

Für solche Fragen hätte auch „Trinity“ Platz gehabt. 1155 Seiten lang.

Aber na ja. Stattdessen kennen wir jetzt Owlman und Tomorrow Woman.

Kurt Busiek (Autor), Fabian Nicieza (Co-Autor), Marg Bagley (Zeichner): Trinity. 6 Sammelbände, je ca. 200 Seiten, Panini Comics 2009, je 19,95 Euro. Leseprobe unter diesem Link.

Bessere Alternativen (toll gezeichnet und etwas weniger seicht erzählt):
Matt Wagner (Autor und Zeichner): Dreigestirn. Softcover, 208 Seiten, Panini Comics 2004, 23 Euro.
Greg Rucka (Autor), J.G. Jones (Zeichner): Wonder Woman / Batman: Hiketeia, 96 Seiten, Panini Comics 2003, 16 Euro (als Restauflage bei Panini.de)

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