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Bestseller-Besprechung: Hässlich ist verlässlich

Denis Scheck, Literaturredakteur im Deutschlandfunk, bespricht einmal monatlich die „Spiegel“-Bestsellerliste, abwechselnd Belletristik und Sachbuch.

10) Barack Obama: Ein amerikanischer Traum (Deutsch von Matthias Fienbork, Hanser Verlag, 448 Seiten, 24,80 €)

Zwar habe ich mit Vergnügen aus diesem Druckwerk erfahren, welchen Geschmack der gegenwärtige amerikanische Präsident an „Hundefleisch (zäh), Schlangenfleisch (noch zäher) und knusprig gerösteten Mücken“ findet. Da es sich aber bei diesem aktuell aufgemachten Buch in Wahrheit um eine vor 15 Jahren veröffentlichte und nie überarbeitete Autobiografie handelt, halte ich die deutsche Ausgabe von Obamas „Amerikanischem Traum“ für etwa so attraktiv wie eine seit langer Zeit abgelaufene Dose Corned Beef.

9) Rhonda Byrne: The Secret – Das Geheimnis (Aus dem Englischen von Karl Friedrich Hörner, Arkana, 237 Seiten, 16,95 €)

Die meisten Ratgeber der Sorte: „Wie dank der Kraft positiven Denkens auf Glatzen Locken wachsen“ sind albern, aber harmlos. Dieser nicht. Das liegt an der Dreistigkeit, mit der Rhonda Byrne ihre Leser mit hirnrissigen Versprechungen wie „Wohlstand ist Ihr Geburtsrecht“ hinters Licht führt. Ein Buch, so dämlich, dass man sich am liebsten bei den dafür gefällten Bäumen entschuldigen möchte.

8) Eduard Augustin, Philipp von Keisenberg, Christian Zaschke: Ein Mann, ein Buch (SZ Edition, 415 Seiten, 19,90 €)

Mit Witz konzipiert, schön gemacht, kompetent recherchiert: ein Buch zum Blättern, das einem endlich mal den Unterschied zwischen einem halben Windsor- und einem ganzen Windsor-Knoten klar macht und beweist, dass sich selbst im Genre sogenannter „Geschenkbücher“ Niveau und Geschmack langfristig durchsetzen können.

7) Michael Winterhoff: Tyrannen müssen nicht sein (Gütersloher Verlagshaus, 192 Seiten, 17,95 €)

Ein Buch mit Erziehungstipps für Kinder, genauer gesagt: die Fortsetzung eines Buchs mit Erziehunsgtipps für Kinder. Menschen, die selbst nicht erwachsen sind, so die Generalthese des Jugendpsychiaters Winterhoff, geben schlechte Eltern ab. Mag sein, klingt jedenfalls plausibel. Ganz sicher aber wollen tatsächlich erwachsene Leser nicht in dem krud manipulativen Ton dieses Sachbuchs angesprochen werden.

6) Helmut Schmidt und Giovanni di Lorenzo: Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt (Kiepenheuer & Witsch, 288 Seiten, 16,95 €)

Ein Buch mit Erziehungstipps für Erwachsene, etwa wenn Altkanzler Schmidt erklärt: „Junge Leute neigen eher zur Gewalttat, zu Totschlag und sogar zu Mord. Sechzigjährige Mörder sind eine Ausnahme.“ Der Charme dieser bemerkenswert lesenswerten Kurzinterviews mit dem Politiker resultiert zum einen aus Helmut Schmidts an Winston Churchill heranreichenden Hang zum knötterigen, aber klaren Wort, zum anderen aus den Nehmerqualitäten des wackeren Fragenstellers.

5) Michael Winterhoff: Warum unsere Kinder Tyrannen werden (Gütersloher Verlagshaus, 191 Seiten, 17,95 €)

Noch ein Buch mit Erziehungstipps für Kinder. „Immer stärker entscheiden Kinder …, was und mit wem sie in der Schule arbeiten wollen“. Sauerei, findet Michael Winterhoff und plädiert gegen „das partnerschaftliche Verhältnis zum Kind“ und für klare Regeln, Grenzen, Strafen. Ob Winterhoff in der Sache recht hat, steht mir nicht an zu entscheiden. Die Form seines Buchs ist mir aber zu demagogisch. Und in Fragen der Erziehung gebührt der Form unbedingter Vorrang.

4) Helmut Schmidt: Außer Dienst (Siedler, 352 Seiten, 22,95 €)

Und noch ein Buch mit Erziehungstipps für Erwachsene vom Altkanzler. Keiner vermag einleuchtender zu erklären, warum wir mehr arbeiten, weniger jammern und später in Rente gehen sollten, als Helmut Schmidt.

3) Richard David Precht: Liebe: ein unordentliches Gefühl (Goldmann Verlag, 398 Seiten, 14,95 €)

Dieser Richard David Precht ist ein schönes Phänomen. Auch in seinem Buch über das „unordentliche Gefühl“ Liebe findet sich im Grunde nichts sensationell Neues. Warum liest man es dann so gern? Es liegt an dem Ton, in dem der kluge Collageur Precht seine Zusammenschau anbietet: „Möglicherweise“, schreibt Precht, „denken Sie gemeinsam mit mir ein wenig über Ihr geschlechtliches und soziales Rollenverhalten nach und über Ihre als selbstverständlich und normal eingeschliffenen Reaktionen. Vielleicht haben Sie Lust, in Zukunft manchmal ein wenig intelligenter mit sich selbst umzugehen – aber natürlich nur, wenn und wann Sie möchten.“ Kann man freundlicher zum Lesen einladen?

2) Richard David Precht: Wer bin ich und wenn ja, wie viele? (Goldmann Verlag, 398 Seiten, 14,95 €)

Mehr als eine eine Einführung in Philosophie und Hirnforschung: eine Betriebsanleitung für das eigene Gehirn.

1) Eckhart von Hirschhausen: Glück kommt selten allein (Rowohlt, 384 Seiten, 18,90 €)

In den 70er Jahren kam eine Spülmittelmarke auf die Idee, bunte Abziehbildchen mit Blütenmotiven auf ihre Packungen zu drucken. Diese Idee erwies sich als überaus erfolgreich. Später dienten diese Bildchen ihren erwachsen gewordenen Verwendern als stumme Mahnung, wie schwer es ist, wahre Schönheit in die Welt zu bringen und wie allgegenwärtig der Triumph des Hässlichen. So ein Triumph des Hässlichen ist auch Eckhart von Hirschhausens an Banalität kaum überbietbare Glücksfibel. Auch diese Mitschrift eines unendlichen Comedy-Programms der Hölle enthält bunte Abziehbildchen. Sie könnten zu den Prilblumen des neuen Jahrtausends werden.


Besprechung von Denis Scheck – parallel zu seiner ARD-Sendung „Druckfrisch“ (heute Sonntag um 23.30 Uhr mit den Gästen Donna Leon, Karl-Heinz Ott, Harry Rowohlt und Claudio Magris)

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