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Freie Fahrt für Frauen. Bei der BVG ist aktuell ein Fünftel der Straßenbahn- und Busfahrer weiblich, und das Landesunternehmen will den Anteil weiter steigern.

© Donath/BVG

Frauenquote: Berliner Firmen setzen auf ihre weibliche Seite

Viele Firmen wollen den Anteil der weiblichen Beschäftigten steigern. Doch eine Quote haben die wenigsten. Die Berliner Stadtreinigung ist da eine Ausnahme.

Berlins Stadtreinigung gilt als Vorreiter, wenn es um Frauen in Führungspositionen geht, schließlich steht Vera Gäde-Butzlaff seit 2007 an der Spitze des Vorstands. Insgesamt ist knapp ein Drittel der Führungskräfte in dem landeseigenen Betrieb weiblich. Und neuerdings sind auch immer mehr Frauen in oranger Arbeitskleidung zu sehen – denn bei den jüngsten Einstellungsrunden für Straßenreiniger wurde eine Frauenquote von 50 Prozent eingeführt. Insgesamt gibt es bei der BSR nun 776 Mitarbeiterinnen, was rund 15 Prozent der Beschäftigten entspricht. „Wir haben nur gute Erfahrungen gemacht“, sagt der Leiter der Straßenreinigung, Winfried Becker. Für manche männlichen Kollegen seien die gemischten Teams wohl gewöhnungsbedürftig gewesen, Mobbing jedoch sei ausgeblieben. Im Gegenteil: „Es verbessert das Arbeitsklima, wenn Frauen dabei sind, der Umgangston ist weniger rau.“

Der Frauenförderung haben sich viele Berliner Firmen verschrieben, die Quotenregelung ist trotzdem eine Ausnahme. Nur die Deutsche Telekom hatte bereits vor knapp einem Jahr angekündigt, bis Ende 2015 weltweit 30 Prozent der oberen und mittleren Positionen mit Frauen zu besetzen. Dagegen setzen die Berliner Verkehrsbetriebe, die seit 2010 von Sigrid Nikutta geführt werden, nicht auf einen vorgeschriebenen Frauenanteil. Derzeit sind 17 Prozent aller BVG-Beschäftigten weiblich. Unter den Straßen- und U-Bahnfahrern liegt ihr Anteil bei 20 Prozent, während es in der zweiten Führungsebene neben neun Männern zwei Frauen gibt.

„Das reicht uns noch nicht“, betont BVG-Sprecherin Petra Reetz. Daher werbe man gezielt um weibliche Azubis, die es heute auch unter den Mechatronikern gebe – dieser technische Beruf galt lange als Männerdomäne. Auch bei Mutterschaften unterstütze die BVG ihre Mitarbeiterinnen besonders stark, sagt Reetz. Bei den teilprivatisierten Berliner Wasserbetrieben sind 30,1 Prozent der 4638 Mitarbeiter sowie 40 Prozent der Führungskräfte weiblich, beim privatisierten Gasversorger Gasag liegt der Anteil bei 38,6 Prozent beziehungsweise 25 Prozent in der Leitungsebene.

Auch die Ämter und Behörden bemühen sich darum, den Frauenanteil zu steigern. „Im höheren Dienst der Haupt- und Bezirksverwaltung gibt es mit 56,5 Prozent sogar eine Mehrheit weiblicher Beschäftigter“, heißt es aus der Verwaltung von Frauen- und Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke). Das Landesgleichstellungsgesetz schreibe die „bevorzugte Einstellung und Beförderung gleichqualifizierter Frauen“ vor, solange in der jeweiligen Besoldungsgruppe oder Berufsfachrichtung noch mehrheitlich Männer tätig seien.

Für Privatunternehmen gibt es keinen Quotenzwang. Senator Wolf fordert gesetzliche Vorgaben, die Bundesregierung jedoch hält davon wenig. Dennoch übt Berlin seit einer Gesetzesnovellierung im November mehr Druck aus: Firmen, die sich um Landesaufträge bewerben, müssen Frauenfördermaßnahmen ab einer Ausschreibungssumme von 25 000 Euro nachweisen – zuvor waren es 50 000 Euro. Für Bauleistungen liegt die Grenze bei 200 000 Euro. Die Betriebe müssen zwar keine bestimmte Frauenquote vorweisen, aber belegen, dass sie sich besonders um weibliches Personal bemühen.

Aus Sicht der Industrie- und Handelskammer (IHK) überfordert dies den Mittelstand. „In den naturwissenschaftlich-technischen Berufen gibt es zu wenig Fachfrauen“, sagt der IHK-Bereichsleiter für Wirtschaftspolitik, Ralf Geruschkat. Unterdessen hält es die Fachgemeinschaft Bau wegen der körperlich anstrengenden Arbeit für „unmöglich“, den Frauenanteil im Baubereich zu steigern.

„Die Problemlage ist zu vielfältig für eine Quote“, urteilt Geruschkat. Zur Frauenförderung gehöre die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die etwa mit Betriebskitas und Gleitzeitarbeit verbessert werden könne. Solche Maßnahmen kämen für „typische Handwerksbetriebe mit fünf bis sechs Mitarbeitern“ kaum infrage, sagt Jürgen Wittke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer. Berufe wie Gerüstbauer, die viel Körperkraft erfordern, seien für Frauen ungeeignet, im Maler- oder Elektrohandwerk aber könne ihr Anteil von derzeit etwas mehr als zehn Prozent noch gesteigert werden. Angesichts des Nachwuchsmangels durch den demografischen Wandel würden Frauen als Fachkräfte ohnehin immer wichtiger, sagt Wittke. Bereits in der Schule müsse noch mehr dafür getan werden, Mädchen an vermeintliche Männerberufe heranzuführen. Diesem Ziel dient bereits der jährliche „Girls Day“, bei dem Schülerinnen Firmen besuchen.

Von der Dussmann-Gruppe heißt es, eine gesetzliche Quote „entspräche einer Einmischung der Politik in die unternehmerische Freiheit“. Der Dienstleistungskonzern sei „weit vorn auf dem Weg zu einer starken Rolle der Frauen in der Wirtschaft“, sagt Sprecherin Michaela Mehls. Seit dem Rückzug des erkrankten Gründers Peter Dussmann leitet seine Frau Catherine von Fürstenberg-Dussmann das Unternehmen, auch das Finanzressort sowie die Geschäftsführung im Kulturkaufhaus an der Friedrichstraße liegen in weiblicher Hand. Frauen sind bei der Dussmann-Gruppe mit 73 Prozent klar in der Mehrheit, im Geschäftsbereich Kursana (Seniorenpflege) stellen sie sogar fast 87 Prozent der Mitarbeiter.

Bei der Stadtreinigung gilt die Quote indes nicht überall: Müllfrauen werde es nicht geben, sagt BSR-Sprecher Bernd Müller, denn für das Mülltonnenschleppen seien noch immer starke Kerle nötig.

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