
© Britta Pedersen/dpa
Nach der Berlin-Wahl: Müller will Mittwoch Sondierungsgespräche beginnen
Die AfD will in Berlin "Politik mitgestalten". Frank Henkel zieht die Konsequenzen aus dem Wahldebakel und will den CDU-Landesvorsitz abgeben. Der Tag nach der Wahl in Berlin im Live-Blog.
Der Wahlabend ist vorbei. Das vorläufige Endergebnis steht. Auch in den Bezirken sind die Stimmen ausgezählt. Am Tag danach beginnt das Wundenlecken und Stellungsspiel für nun anstehende Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen.
- Die SPD ist in Berlin so schwach wie noch nie, wird aber trotzdem stärkste Kraft
- Die CDU fährt ebenfalls ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein
- Die Grünen landen hinter der Linken
- Die AfD gewinnt mehrere Direktmandate
Einen Überblick über alle Ergebnisse der Wahl finden Sie auf unserer Sonderseite und in unserem Blog vom Wahlabend und aus der Nacht zum Nachlesen. Der Tag danach im Live-Blog:
Mittwoch erste Sondierungsgespräche
Am Nachmittag hieß es noch, die Sondierungsgespräche sollen am Mittwoch oder Donnerstag beginnen. Nun steht fest: Am Mittwoch geht es los. Zuerst trifft sich die SPD mit der CDU, dann mit den Linken, den Grünen und zum Schluss mit der FDP – also strikt nach Wahlergebnissen geordnet.
Casdorff über Rot-Rot-Grün in Berlin und die Bedeutung für den Bund
Nicht nur für die drei Parteien und die Stadt Berlin stünde bei einer rot-rot-grünen Koalition viel auf dem Spiel, schreibt unser Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff in seinem Leitartikel. Auch Sigmar Gabriel ist von einer funktionierenden Koalition in Berlin abhängig. Denn wenn es nicht klappt, ist Rot-Rot-Grün auf Bundesebene diskreditiert.
Sebastian Czaja - Eingeflogen über den Flughafen Tegel
Vor ihrem Desaster war die FDP nur noch Steuersenkungspartei. Diesmal, in Berlin, setzte sie sich wieder monothematisch in Szene – und konnte ihr blamables Ergebnis von 2011 fast vervierfachen. Klar, dass nun mehr kommen muss als die trotzige und kaum durchsetzbare Forderung, einen innerstädtischen Ausweichflughafen offenzuhalten.
Tegel sei ja vor allem Symbol, nimmt der Chef der Bundespartei, Christian Lindner, die Kurve. Für den „Zukunftswillen der Stadt, ihre Öffnung zur Welt“. Und Berlins neuer FDP-Star Sebastian Czaja, mit dem die Liberalen wieder zwölf Sitze im Abgeordnetenhaus erobert haben, redet auch lieber von der „funktionierenden Stadt“.
Er will bessere Infrastruktur, Innovation, Digitalisierung. Es könne nicht angehen, dass man „eher auf der Straße Drogen kriegt als einen Termin im Bürgeramt“. Dazu der Befund, dass Rot-Rot-Grün die „denkbar falscheste Konstellation für diese pulsierende Weltstadt“ sei. Aus dem Wahlkampfmodus scheint der 33-Jährige noch nicht ganz raus zu sein.
So hat ihr Kiez gewählt!
Müller plant Sondierungsgespräche ab Mittwoch
Nach einer Landesvorstandssitzung der Berliner SPD teilte Parteichef Michael Müller mit, dass die Sondierungsgespräche mit den anderen Parteien aus Sicht der SPD am Mittwoch und Donnerstag beginnen können. „Die Einladungen gehen morgen raus“, sagte Müller. Gesprochen wird zuerst mit der CDU, dann mit den Linken, Grünen und zum Schluss mit der FDP – also nach der Stärke der Parteien. Müller räumte ein, dass im Vorstand viele Parteifreunde „große Enttäuschung“ über das Wahlergebnis geäußert hätten. Die SPD wolle jetzt mit externem Sachverstand eine Analyse erstellen. „Wir wollen genau ansehen, was da passiert ist", sagte Müller. Es gebe in der Partei und bei den Wählern eine Erwartungshaltung, sich mehr den sozialen Fragen zu widmen. In jedem Fall, so Müller, werde es eine schwierige Regierungsarbeit werden.
Henkel bleibt bis zum Landesparteitag im Amt
Vorerst bleibt Henkel also im Amt, bei der nächsten turnusmäßigen Wahl des Landesvorstands im kommenden Jahr will er aber nicht mehr antreten, teilte die CDU mit. (dpa)
Frank Henkel bietet Rücktritt als CDU-Landeschef an
Innensenator und CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel hat die Konsequenzen aus dem schwachen Wahlergebnis seiner Partei gezogen und am Nachmittag im Landesvorstand seinen Rücktritt als Landeschef angeboten. Der Landesvorstand bat ihn daraufhin, die Partei kommissarisch weiterzuführen, bis ein Nachfolger gefunden sei.

Erster Tag nach der Wahl nähert sich dem Ende
Ein ereignisreicher erster Tag nach der Wahl geht zu Ende. Wir verabschieden uns hier von Ihnen und wünschen Ihnen noch einen schönen Abend. Morgen berichten wir natürlich wieder intensiv über alle Ereignisse nach der Abgeordnetenhauswahl.
Hier zum Abschluss noch eine kurze Zusammenfassung des Tages und eine letzte Leseempfehlung.
- CDU-Spitzenkandidat Frank Henkel zieht die Konsequenzen aus dem desolaten Wahlergebnis und will den Landesvorsitz abgeben. Henkel hatte dem Landesvorstand seinen Rücktritt angeboten, bleibt nun aber doch bis zur nächsten Vorstandswahl im kommenden Jahr im Amt.
- Die SPD will Sondierungsgespräche mit allen im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien aufnehmen - außer der AfD. Die ersten Gespräche sollen schon am Mittwoch beginnen. Als erstes hat Michael Müller den bisherigen Koalitionspartner CDU eingeladen.
- Passend zu den angekündigten Sondierungsgesprächen auch unsere Fragen des Tages. Rot-Rot-Grün: Drei Farben Macht. Wie bereiten sich die Parteien darauf vor?
Vorsicht, nicht drauftreten!

Franziska Giffey - Vom Übervater emanzipiert
Auf den ersten Blick könnte man Neuköllns Bürgermeisterin für eine Wahlverliererin halten: Zwölf Prozent trennen sie vom Ergebnis ihres SPD-Vorgängers Heinz Buschkowsky.
Der hatte 2011 fast 43 Prozent eingefahren, jetzt sind es nur noch 30,5 Prozent für die SPD. Dennoch ist das immer noch das zweitbeste SPD-Bezirksergebnis: Nur Helmut Kleebanks SPD in Spandau schnitt besser ab (33,3). Allerdings ist Kleebank schon fünf Jahre im Amt, während Giffey nur ein Jahr Zeit hatte, sich als Bürgermeisterin zu profilieren, zumal Buschkowsky ihr mitten im Wahlkampf in den Rücken fiel, als er ihr den Besuch der Dar-as-Salam- Moschee ankreidete. Um die 43 Prozent Buschkowskys richtig einzuordnen, muss man zudem bedenken, dass er dieses Rekordergebnis erst auf dem Höhepunkt seiner Popularität nach dem Erscheinen seines Buches „Neukölln ist überall“ einfuhr.
Als er sich selbst in einer ähnlichen Situation wie Giffey befand, weil er gerade dem beliebten Frank Bielka im Amt gefolgt war und sich bei der Wahl 1992 erstmals selbst dem Wähler stellen musste, verlor er seinen Posten an die CDU, während sich Giffey jetzt mit acht Prozent Abstand vor der CDU behaupten konnte – nicht zuletzt, weil sie seit 2011 bereits als Bildungsstadträtin hohes Ansehen erworben hatte.

Piraten-Politiker Gerwald Claus-Brunner ist tot
Gerwald Claus-Brunner, Mitglied der am Sonntag abgewählten Piraten-Fraktion im Abgeordnetenhaus, ist gestorben. Die Polizei hat ihn nach Tagesspiegel-Informationen am Montagnachmittag tot in seiner Wohnung gefunden. Dort wurde offenbar auch ein weiterer Toter gefunden. Mehr Informationen hier.
Thomas Heilmann - Glückloser Quereinsteiger
Der Seiteneinsteiger von 2009, erfolgreich als Mitgründer der Werbeagentur Scholz & Friends, steht nach sechs Jahren in der Berliner Politik mitten in einem Trümmerfeld. In direkter Konkurrenz um einen Sitz im Abgeordnetenhaus hat Heilmann gegen den SPD-Senator Matthias Kollatz-Ahnen verloren.
Vielversprechend hatte Heilmann er 2009 in der Berliner Politik angefangen. Im Wahlkampf 2011 half er Henkel bei der Weiterentwicklung weg vom verbalradikalen innenpolitischen Kraftmenschen, den man bloß im Abgeordnetenhaus kannte, hin zum Berlin-verliebten Spitzenkandidaten im schwarzen Polo-Hemd.
Heute sagen Parteifreunde über Heilmann, dass er einen Anteil an der Niederlage habe – als Wahlkampfmanager, aber auch als Senator für Justiz und Verbraucherschutz, der in seinem Ressort nicht wirklich gepunktet habe. Heilmann überlegt offenbar noch, ob er der Berliner Politik überhaupt weiter verbunden bleiben will. Sollte es ihn in den Bundestag ziehen, wird er um einen Listenplatz kämpfen müssen.
Senatorin Yzer: "Müller hat null Gespür für Wirtschaft"
Berlins Noch-Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) hat am Tag nach der Wahl keine Lust mehr auf Zurückhaltung. Im Gespräch mit meinem Kollegen Kevin Hoffmann war sie ausgesprochen deutlich. Hier eine Kostprobe:
(...)
Yzer: Dann fragen Sie sich doch mal: Was hat Müller denn für die Digitalisierung dieser Stadt getan? Er hätte sogar fast das Thema Mobilfunkstandard 5G auf den letzten Metern versenkt, weil er nicht in der Lage war vereinbarte Termine mit Vorstandvorsitzenden großer Unternehmen einzuhalten.
Tagesspiegel: Wie meinen Sie das?
Es gab Termine mit Müller und mir und dem Vorstandsvorsitzenden der Telekom und die wurden dann einfach mal so abgesagt.
Unser Regierender lässt einen Vorstandsvorsitzenden bei so einer wichtigen Frage warten?
Ja. So ist manches Gespräch geplatzt musste und ich musste dann mit X Leuten sprechen, um die Wogen zu glätten. So haben wir das 5G Engagement in Berlin noch hinbekommen. Auch bei der Kooperation mit Cisco war der Umgang der Senatskanzlei mit Investoren eine Katastrophe.
(...)
Das ganze Gespräch mit Cornelia Yzer können Sie hier lesen.Reise nach Jerusalem - Kein Sitz für Sandra Scheeres
Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) reagierte ziemlich gelassen darauf, dass sie ihren Sitz im Abgeordnetenhaus verloren hat. „Ich finde es nicht toll, das kann man sich nicht schönreden“, sagte sie am Montag, aber die Stimme klang fröhlich. Sie werde jetzt „ganz normal“ ihre Arbeit, in der Chefetage der Senatsbildungsverwaltung, weitermachen.Und dann – mal schauen. Bis der neue Senat gebildet ist, werden schließlich noch einige Wochen vergehen.
Scheeres ist offenbar relativ zuversichtlich, auch dem nächsten Kabinett anzugehören. „Ich habe meinen Job bisher doch ziemlich gut gemacht.“ Im Übrigen habe sie eine solide Berufsausbildung als Diplom-Pädagogin.
Den Wahlkreis 5 in Pankow, den Scheeres (2006 und 2011) zwei Mal gewann, musste sie dieses Mal an den Linken-Fraktionschef Udo Wolf abgeben, der mit 220 Stimmen Vorsprung vorne lag. Es sei ihr von Beginn des Wahlkampfs an klar gewesen, so Scheeres, „dass es ein heißes Tänzchen mit dem Kandidaten der Linken geben wird“.
Die Niederlage führt die Bildungssenatorin keinesfalls auf ihre Schulpolitik zurück, die nicht alle gut finden. Im Wahlkampf habe in Pankow eher das Mietenthema dominiert, „und ich habe natürlich auch den negativen Landestrend zu spüren bekommen“.
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