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Kultur: Sehen ist Täuschen

Dem amerikanischen Künstler Richard Artschwager zum 80.

Richard Artschwagers Karriere beginnt spät. Erst um 1960 entscheidet sich der 1923 geborene Künstler endgültig für die Kunst. Fünf Jahre später stellt er bei Leo Castelli in New York aus. Sein Lebensweg bringt ihn immer wieder auch nach Deutschland: 1968 nimmt er an der Documenta teil; ein Jahrzehnt später führt ihn ein Stipendium nach Hamburg. Aus diesem Anlass findet dann auch im Hamburger Kunstverein die umfangreichste Präsentation seines Werkes aus europäischen Sammlungen statt. Das New Yorker Whitney Museum widmet ihm erst 1988 eine Retrospektive. Ansonsten ist es still um den amerikanischen Künstler mit den osteuropäischen Wurzeln.

Dabei ist seine Kunst jung geblieben. In den letzten Jahren entstehen überraschende Arbeiten, etwa die Serie der „Crates“ oder die figürlichen Wandarbeiten aus gummiertem Rosshaar. In gut vierzig Jahren ist so ein Œuvre angewachsen, das vielgestaltiger nicht sein könnte. Es charakterisiert sich durch Werkgruppen, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit etwas gemeinsam haben: Sie alle folgen der Fragestellung: Wie begegnet man einem Bild, wie einem Objekt, und wie lassen sich beide Haltungen verbinden? Nach „Handle“, einem Werk, bei dem der Treppenhandlauf als Bilderrahmen sich selbst genügt, kommen bald die berühmten Resopalobjekte zustande. Diese Zwitter aus Bild und Skulptur erregen Aufsehen aufgrund des profanen, in Baumärkten erhältlichen Werkstoffes Formica. Und plötzlich schien aus dem MinimalKünstler ein Pop Artist geworden zu sein. Doch mit solchen Kategorien hat Artschwager wenig im Sinn. Vielmehr interessiert er sich für das Sehen der Dinge, sei es nun unscharf oder getrübt oder verdeckt. Die „blps“ entstehen: kleine, ovale Objekte aus Rosshaar, die sich wie unscharfe Flecke überall festsetzen. Mit ihnen gelingt Artschwager der internationale Durchbruch. Seit der europäischen Retrospektive vor zwei Jahren wird Artschwager in vielen Ausstellungen gewürdigt, und sein lange zu wenig beachtetes Werk erhält auf diese Weise noch rechtzeitig die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Am 26. Dezember feiert der in Hudson lebende Künstler seinen 80. Geburtstag.

Melitta Kliege

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