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Kanadas Premierminister Justin Trudeau weint bei seiner Rede zur Entschuldigung bei  Lesben, Schwulen und Transgender.

© Chris Wattie/rtr

Entschuldigung bei Lesben, Schwulen und Transgender: Justin Trudeau: "Mir tut es leid, uns tut es leid"

Kanadas Premier Trudeau entschuldigt sich bei Lesben, Schwulen und Transgender für Verfolgung mit Scham, Reue, tiefem Bedauern - und Tränen.

Kanadas Premierminister Justin Trudeau hat sich offiziell für die jahrzehntelange strafrechtliche Verfolgung und Diskriminierung von Schwulen, Lesben und Transgender in seinem Land entschuldigt. Im Parlament von Ottawa sagte er „im Namen der Regierung, des Parlaments und des kanadischen Volks: Wir haben falsch gehandelt. Es tut uns leid. Wir werden niemals zulassen, dass dies wieder passiert.“

Als Trudeau von Scham, Reue und tiefem Bedauern über staatliches Handeln in der Vergangenheit sprach und die Worte „Wir entschuldigen uns. Mir tut es leid, uns tut es leid“ aussprach, erhoben sich die Zuhörer auf der Gästetribüne und die Parlamentarier aller Fraktionen und spendeten ihm lang anhaltenden Beifall. Während seiner halbstündigen Rede wischte sich Trudeau mehrmals Tränen aus den Augen.

„Wir entschuldigen uns. Mir tut es leid, uns tut es leid"

Während in den USA unter Donald Trump Fortschritte aus der Obama-Zeit bei der Respektierung von LGBTQ teilweise rückgängig gemacht werden, geht Kanada einen anderen Weg. Der Stärkung ihrer Rechte folgt nun die Entschuldigung der Regierung bei den LGBTQ2, die Löschung von Strafurteilen aus dem Strafregister und die finanzielle Entschädigung für Nachteile, die Angehörige des öffentlichen Dienstes, der Polizei und des Militärs wegen ihrer sexuellen Orientierung und geschlechtlichen Identität erfuhren. LGBTQ2 steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Queer, „2“ für „two-spirited“ und umfasst die LGBTQ-Gemeinde der kanadischen Ureinwohnervölker.

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Premierminister Pierre Trudeau, Vater des heutigen Regierungschefs, hatte 1967, als er Justizminister war, den berühmten Satz gesprochen: „Der Staat hat in den Schlafzimmern der Nation nichts zu suchen.“ Mit einem von Pierre Trudeau eingebrachten Gesetz wurden homosexuelle Beziehungen zwischen zwei Erwachsenen, die im gegenseitigen Einverständnis handeln, weitgehend entkriminalisiert. Allerdings war in Einzelfällen noch bis Ende der 1980er Jahre eine strafrechtliche Verfolgung möglich.

Ein absurder Test mit Sex-Fotos sollte die sexuelle Orientierung nachweisen

Haftstrafen und Kriminalisierung seien aber nicht die einzigen Methoden der Unterdrückung gewesen, sagte Justin Trudeau am Dienstag im Parlament. Erst in jüngster Zeit wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt, was seit den 1950er Jahren im Staatsdienst praktiziert wurde und nun als „national security purge“ bezeichnet wird: eine Säuberung, die mit angeblicher Sorge um die nationale Sicherheit begründet wurde. Tausende Schwule und Lesben, die als Beamte, Polizisten oder Militärangehörge dienten, wurden vor allem während des Kalten Krieges aus dem Staatsdienst gedrängt, Beförderungen wurden ihnen verweigert, weil befürchtet wurde, sie könnten aufgrund ihrer sexuellen Orientierung durch die Sowjetunion erpressbar sein. Bis in die frühen 1990er Jahre habe der Staat „seine Autorität in grausamer und ungerechter Weise ausgeübt“ und „Mitglieder oder verdächtigte Mitglieder der LGBTQ2-Gemeinden unterdrückt“, sagte Trudeau. Kanadier seien von ihrer eigenen Regierung diskriminiert worden. „Das Leben von Menschen wurde zerstört.“

Als besonders absurd brandmarkte Trudeau den Einsatz eines Geräts, das als „fruit machine“ bezeichnet wurde: Die im Auftrag der Regierung entwickelte Maschine registrierte die Veränderung der Pupillen, wenn einem Menschen Fotos von gleichgeschlechtlichem Sex gezeigt wurden. Die Erweiterung der Pupillen sollte dann ein Beleg dafür sein, dass der Betrachter homosexuelle Neigungen hatte. Wer seine Homosexualität zugab, sei entlassen oder durch Einschüchterung zum Rücktritt gezwungen worden, die Betroffenen hätten „ihre Würde, ihre Karriere verloren, ihre Träume und ihre Leben wurden zerschmettert“. Die Säuberung, die sich über Jahrzehnte erstreckte, werde stets ein „ein tragischer Akt der Diskriminierung bleiben, den kanadische Bürger aus der Hand ihrer eigenen Regierung erlitten“, sagte Trudeau.

Parallel zur Entschuldigungsrede Trudeaus legte die Regierung ein Gesetz vor, das die Aufhebung früherer Haftstrafen gegen Homosexuelle und ihre Streichung aus dem Strafregister ermöglicht. Zudem wurde vor wenigen Tagen eine Vereinbarung zwischen der kanadischen Regierung und früheren Angehörigen des öffentlichen Dienstes erzielt, die Opfer der Säuberung wurden und Schadenersatzklage gegen den Staat erhoben hatten. Insgesamt 110 Millionen Dollar – rund 75Millionen Euro – werden für die Betroffenen bereitgestellt.

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