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Detlef Scheele ist seit dem 1. April 2017 Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit (BA)

© Thilo Rückeis

Grundsicherung: Arbeitsagentur meldet mehr Sanktionen gegen Hartz-IV-Bezieher

Detlef Scheele, Chef der Arbeitsagentur, zeigt sich aber offen für Abmilderungen. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert eine vollständige Abschaffung der Sanktionen.

Wenn ein Hartz-IV-Empfänger eine angebotene Stelle ablehnt oder Termine versäumt, muss er mit Sanktionen rechnen. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Strafen leicht gestiegen – auf knapp 953.000. Das waren rund 13700 mehr als im Vorjahr, wie die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mitteilte. Die Sanktionsquote – also das Verhältnis von verhängten Sanktionen zu allen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten – lag unverändert bei 3,1 Prozent. „Die allermeisten Leistungsberechtigten halten sich an die gesetzlichen Spielregeln. Nur ein ganz geringer Teil wird überhaupt sanktioniert“, sagte BA-Chef Detlef Scheele.

Mit 77 Prozent entfällt ein Großteil der Sanktionen auf Meldeversäumnisse - wenn also beispielsweise jemand einen Termin beim Jobcenter ohne Angabe eines wichtigen Grundes nicht wahrnimmt. 2017 haben die Jobcenter bei 733800 Menschen deswegen die Regelleistung um zehn Prozent abgesenkt. „Drei von vier Sanktionen entstehen schlicht deshalb, weil vereinbarte Termine im Jobcenter gar nicht erst wahrgenommen werden“, sagte Scheele. Viele würden keinen Kalender haben, könnten sich nicht selbst organisieren. Deshalb böten die Jobcenter einen Termin-Erinnerungsservice per SMS an.

Junge Menschen besonders stark betroffen

Außerdem werden Hartz-IV-Empfänger bestraft, wenn sie ein Jobangebot oder eine Fortbildung verweigern oder zusätzliches Einkommen verschweigen. Für die Weigerung, eine Arbeit oder Weiterbildung aufzunehmen oder den Abbruch, wurden 98860 Sanktionen ausgesprochen. Pflichtverletzungen gegen die sogenannte Eingliederungsvereinbarung führten in 83380 Fällen zu einer Leistungskürzung. Darin schreiben die Agentur für Arbeit und ein Arbeitsloser Unterstützungsleistungen und Pflichten des Jobsuchers fest.

Im Jahresschnitt 2017 gab es 4,36 Millionen Hartz-IV-Empfänger; im Vorjahr waren es noch 4,31 Millionen.

Auch durch diesen Anstieg hat die Zahl der Sanktionen zugenommen. Menschen unter 25 Jahren sind von den Sanktionen besonders stark betroffen. Das Gesetz sieht bei Jugendlichen bereits beim ersten Verstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, eine hundertprozentige Sanktion der Regelleistung vor. „Die Sanktionierung auf Null finde ich nicht vernünftig“, sagte Scheele dazu. Denn nach so harten Sanktionen brechen einige Jugendliche den Kontakt zum Jobcenter ganz ab.

Paritätischer Wohlfahrtsverband will Abschaffung

Scheele wünscht sich außerdem, dass es keine Sanktionierung bei den Kosten der Unterkunft gibt. Wenn Jugendliche sich innerhalb eines Jahres einen weiteren Verstoß leisten, kann ihnen die Miete gekürzt werden. Der BA-Chef gibt zu bedenken, dass es aufgrund der angespannten Wohnungsmärkte in vielen Städten „ausgesprochen schwer“ sei, wieder eine Wohnung zu finden. „Drohende Wohnungslosigkeit hilft uns bei der Vermittlung und auch sonst nicht weiter“, sagte der BA-Chef. Auch Erwachsene sind bei wiederholten Verstößen von der Kürzung der Miete betroffen. Scheele sagte, er fände es vernünftig, die Sanktionspraxis zwischen Jugendlichen und Erwachsenen anzugleichen.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat eine vollständige Abschaffung der Sanktionen gefordert. Der Verband kündigt an, innerhalb der kommenden zwei Wochen ein grundlegendes Konzept zur Reform von Hartz IV vorzulegen. Menschen, die ohnehin am Existenzminimum lebten, würden durch Sanktionen noch weiter in die Not und schlimmstenfalls sogar in die Obdachlosigkeit gedrängt, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider. Auch die besondere Härte gegenüber Jugendlichen und jungen Erwachsenen sei nicht nachvollziehbar. Der Verband begrüßte deswegen, dass Scheele Veränderungsbedarf eingeräumt hat. (mit dpa)

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