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Die Anwälte der Angeklagten Zschäpe, Anja Sturm (vorne, links), Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl, Hermann Borchert, die Angeklagte Beate Zschäpe und ihr Anwalt Mathias Grasel 2016 im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München.

© Tobias Hase/dpa

Nach Urteilsspruch: Angeklagte im NSU-Prozess legen Revision ein

Nachdem vor einer Woche die Urteile im NSU-Prozess fielen, haben nun die Verteidiger aller Angeklagten und die Bundesanwaltschaft Revision eingelegt. Nun müssen sich die Richter am Bundesgerichtshof damit befassen.

Von Frank Jansen

Eine Woche nach dem Urteil im NSU-Prozess haben die Verteidiger aller Angeklagten und die Bundesanwaltschaft Revision eingelegt. „Wir halten das Urteil nach der vorläufigen Begründung für rechtlich falsch“, sagte Anja Sturm, die mit mehreren Kollegen Beate Zschäpe verteidigt, dem Tagesspiegel. Der 6. Strafsenat hatte am 11. Juli die Hauptangeklagte zu lebenslanger Haft verurteilt und die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, könnte Zschäpe nicht nach 15 Jahren auf Bewährung freikommen. Sturm und die Anwälte Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl hatten gefordert, Zschäpe nur wegen einfacher Brandstiftung zu bestrafen. Das Gericht verurteilte Zschäpe jedoch wegen Mitgliedschaft in der terroristischen Vereinigung NSU und Mittäterschaft bei allen Verbrechen der rechtsextremen Zelle.

Die Verteidiger der vier weiteren Angeklagten legten Rechtsmittel ein, obwohl ihre Mandanten meist glimpflich davonkamen. Das gilt vor allem für den Neonazi André E., den die Richter nur zu zweieinhalb Jahren wegen Unterstützung des NSU verurteilten. Der Haftbefehl wurde am Tag des Urteils aufgehoben. Verteidiger Michael Kaiser sagte, er und sein Kollege hätten Revision eingelegt, weil es die Gegenseite auch tat. Die Bundesanwaltschaft  ficht das milde Urteil für André E. an, da sie den Angeklagten für einen langjährigen Unterstützer des NSU hält und zwölf Jahre Haft verlangt.

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Auch die Verteidiger von Ralf Wohlleben wenden sich gegen das Urteil, obwohl der Strafsenat am Dienstag die Freilassung auch ihres Mandanten aus der U-Haft angeordnet hatte. Die Anwälte fordern Freispruch für Wohlleben, das Gericht verhängte eine Strafe von zehn Jahren Haft. Die Richter halten den Ex-Vizechef der NPD für schuldig, dem NSU die Pistole Ceska 83 beschafft zu haben. Mit der Waffe erschossen die Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos neun Migranten türkischer und griechischer Herkunft.

Nebenkläger verzichten

Die einzigen Nebenkläger, die rechtlich zur Revision befugt waren, haben darauf verzichtet. Die Opferfamilie habe resigniert, sagte eine Anwältin des iranischstämmigen Einzelhändlers und seiner Angehörigen, die 2001 in Köln von einem Sprengstoffanschlag des NSU getroffen wurden. Bei dem Attentat erlitt die Tochter des Kleinunternehmers schwere Verletzungen, ein Teil des Lebensmittelgeschäfts in der Probsteigasse wurde verwüstet. Die Familie hätte gegen das Urteil zu André E. Revision einlegen können, da die Bundesanwaltschaft ihm in diesem Fall Beihilfe zu versuchtem Mord vorwirft. Der Neonazi soll das Wohnmobil gemietet haben, das Böhnhardt und Mundlos für ihre Fahrt nach Köln nutzten. Für den 6. Strafsenat ist jedoch nicht nachweisbar, dass André E. das Fahrzeug in dem Wissen mietete, es werde für einen Anschlag eingesetzt.

Die Verteidiger der fünf Angeklagten und die Bundesanwaltschaft schickten ihre knappen Schreiben zur Revision innerhalb der rechtlichen Frist von sieben Tagen zum Oberlandesgericht München. Sobald der 6. Strafsenat die schriftliche Begründung des Urteils vorgelegt hat, werden die Verteidiger umfangreiche Schriftsätze zur Revision verfassen. Alle Dokumente gehen dann an den Bundesgerichtshof. Wann das sein wird und wann die Richter in Karlsruhe eine Entscheidung zu dem Münchener Urteil treffen, ist offen. Justizkreise halten es für wenig wahrscheinlich, dass sich noch in diesem Jahr etwas tut.

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