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Der Humorist Bernd Stelter bei der "Großen Kölner Mädchensitzung".

© Marius Becker/dpa

Alltagssexismus: Jetzt ist der Karneval dran!

Der Komiker Bernd Stelter macht sich über Doppelnamen lustig. Eine Zuschauerin kritisiert ihn dafür auf der Bühne. Und legt den Sexismus des Karnevals offen.

In Loriots Spielfilm „Ödipussi“ von 1988 gibt es eine Szene, die wie eine kleine Prophezeiung wirkt. Bei der Sitzung zur Namensfindung eines Vereins, der den Gedanken Frau und Umwelt in den Karnevalsgedanken einzubeziehen versucht, resümiert Protagonist Heinz Meier: „Wir sind uns wohl darüber einig, dass wir mit den Begriffen Frau, Umwelt und Karneval drei ganz heiße Eisen angefasst haben!“.

Mit fiktiven Charakteren wie Müller-Lüdenscheidt veralberte Loriot gerne Doppelnamen. Vielleicht wollte Bernd Stelter einfach nur seine Sympathie für den Humoristen ausdrücken, als er bei einem Karnevalsauftritt in Köln, über den sperrigen Namen der CDU-Vorsitzenden herzog: „Hätte nicht ein Standesbeamter Frau Kramp-Karrenbauer warnen müssen?“

Das Publikum johlte. Nur eine einzelne Frau begann gellend zu pfeifen. Stelter reagierte: „Gehen Sie doch bitte raus ein Kölsch trinken." Stattdessen sprang Gabriele Möller-Hasenbeck auf die Bühne und blaffte den Komiker an. „Männernamen sind immer toll. Und Frauennamen sind immer scheiße. Und Doppelnamen sind doppelt scheiße?“, fragte sie.

"Wir machen hier ganz einfach Karneval"

Der verdutzte Stelter stammelte: „Wir machen hier ganz einfach Karneval. Und was ich mache, sind Witze.“ Möller-Hasenbeck wurde rausgeschmissen. Der Festkomitee-Chef Christoph Kuckelkorn beschwerte sich später: „Es ist nicht fair, mit dem eigenen Unmut allen anderen die Freude an der Veranstaltung zu nehmen.“ Stelter selbst analysierte: „Möglicherweise hat sie einfach keinen Humor.“ Ganz anders sahen das die Nutzer in sozialen Netzwerken. Zahlreiche Kommentare thematisierten den Sexismus im Karneval. Der WDR überlegt nun gar, die Szene für die geplante Ausstrahlung der Sitzung herauszuschneiden.

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Denn was die Herren bei ihrem „Humor“ geflissentlich verschwiegen: Als Annegret Kramp-Karrenbauer 1984 den Bergbau-Ingenieur Helmut Karrenbauer heiratete, war die Annahme eines Doppelnamens die einzige Möglichkeit für eine Frau, ihren Nachnamen gegen den Willen des Mannes zu behalten. Erst Anfang der 90er-Jahre wurde gesetzlich durchgesetzt, dass der Geburtsname eines Menschen Ausdruck der Individualität und Identität ist. Seitdem können verheiratete Frauen ihn auch ohne Zusatz führen.

Der amerikanische Schriftsteller Mark Twain hatte schon im 19. Jahrhundert verkündet, dass deutsche Witze zum Lachen nicht geeignet seien. Vielleicht weil sie eher einfach gestrickt sind und oft einfach plump sexistisch. Heute spricht man gerne ironisch-distanziert über die Ära der Blondinenwitze. Mit der Pointe, dass Frauen naive, dumme Sexobjekte seien, kann Mario Barth aber noch immer ganze Fußballstadien füllen: „Sie: Ich geh' zum Fitness. Bauch, Beine, Po. Darauf er: „Wieso? Davon hast du genug. Mach' doch lieber Brüste.“

Der Karneval offenbart Alltagssexismus

Bei einer Prunksitzung vor zwei Jahren hatte die „Altneihauser Feierwehrkapell'n" Brigitte Macron, die Gattin des französischen Präsidenten, im Fernsehen als „gut eingefahr'nen Schlitten“, „gut abgehang'ne Dame“ und „schärfste alte Hütte“ bezeichnen dürfen.

Es gab mal Zeiten, da war der Karneval im Rheinland eine Gelegenheit für Herrschaftskritik. Die Jecken rechneten mit den Machthabenden unter dem Deckmantel des Humors ab. Heute kann man den Eindruck gewinnen, dass diese Bühne der patriachalen Selbstvergewisserung dient. Denn Männer wollen noch immer bestimmen, was witzig ist und was nicht. Dass nun jemand den Karnevalisten den Spiegel vorhält, in dem sich die hässliche Fratze eines überkommenen Geschlechterbildes zeigt, darüber kann bei den alten Jecken offenbar niemand lachen.  

Am kommenden Donnerstag ist Weiberfastnacht. Es ist an diesem Tag Brauch, dass Frauen den Männern die Krawatte als Symbol der Macht abschneiden. Gut, dass die Alltagssexisten nun auch abseits dieses Tages zu spüren bekommen, dass für sie mehr auf dem Spiel steht als nur ihre Krawatte.

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