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Entlastung der Wirtschaft: Koalition einigt sich auf Industriestrompreis, Kraftwerksstrategie und Deutschlandfonds
Um die Wirtschaft anzukurbeln, hat sich die schwarz-rote Koalition auf mehrere Maßnahmen verständigt. Noch nichts zu verkünden hat Schwarz-Rot bei den strittigen Themen Verbrenner-Aus und Rente.
Stand:
Die schwarz-rote Koalition hat sich auf einen Industriestrompreis von 2026 bis 2028, eine Kraftwerksstrategie und einen Deutschlandfonds zur Förderung von Mittelstand und wachstumsfähigen Startups geeinigt. „Uns ist klar, in welcher Situation unsere Volkswirtschaft ist“, sagte Kanzler Friedrich Merz (CDU) am Donnerstagabend nach einer Sitzung des Koalitionsausschusses in Berlin. Ziel sei es, die Wirtschaft signifikant zu entlasten und Produktionskosten zu senken.
Industriestrompreis kommt
„Wir wollen für 2026 bis 2028 einen Industriestrompreis einführen“, kündigte der Kanzler an. Der Preis solle rund fünf Cent pro Kilowattstunde betragen. Zugutekommen soll er besonders energieintensiven Unternehmen. Die Gespräche mit der EU-Kommission, die dem Industriestrompreis zustimmen muss, seien weitgehend abgeschlossen. Man gehe davon aus, die Genehmigung zu erhalten, so Merz.
Koalition setzt auf Kraftwerksstrategie
Außerdem hat die Koalition nach Angaben des Kanzlers die erwartete Kraftwerksstrategie vereinbart. „Wir wollen sicherstellen, dass der Strombedarf auch dann gedeckt ist, wenn Wind und Sonne nicht zur Verfügung stehen“, sagte Merz. Bereits 2026 sollen acht Gigawatt Leistung ausgeschrieben werden, die bis 2031 in Betrieb gehen sollen. „Alle Signale deuten darauf hin, dass wir mit Zustimmung der EU-Kommission rechnen können.“
Deutschlandfonds als Invesitionshoffnung
Mit einem Deutschlandfonds will die Koalition derweil für einen Investitions-Schub in der Wirtschaft sorgen. Der Fonds solle als „Andockstelle für privates Kapital“ dienen, um neben den bereits auf den Weg gebrachten öffentlichen Investitionen private Gelder zu mobilisieren, sagte Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD). „Das ist ein wichtiges Instrument, um Deutschland in ökonomischer Hinsicht zu stärken.“
Zuletzt waren öffentliche Mittel von zehn Milliarden Euro im Gespräch, die als Anreiz für private Investitionen von 100 Milliarden Euro dienen sollten. Zahlen nannte Klingbeil nicht.
Mit den verschiedenen Unterfonds sei geplant, die Resilienz des Landes zu erhöhen, sagte Klingbeil weiter. Dies gelte etwa bei der Versorgung mit Rohstoffen. Investitionen sollen unter anderem in die Bereiche Energie und in Start-ups der Sicherheitspolitik fließen. Klingbeil kündigte an, den Fonds in den nächsten Tagen gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) ausführlicher vorzustellen. Auch an die Beschäftigten sende die Regierung damit ein Signal: „Wir sehen euch, wir sehen, dass hier Arbeitsplätze bedroht sind.“
Ticketsteuer im Luftverkehr soll sinken
Die schwarz-rote Koalition will zum 1. Juli 2026 überdies die Ticketsteuer im Luftverkehr senken. Merz sprach von einer Größenordnung von etwa 350 Millionen Euro zugunsten der Luftverkehrsindustrie in Deutschland. Wenn es damit Steuerausfälle geben sollte, würden diese im Verkehrsetat verbucht.
Im Mai 2024 wurde die Luftverkehrsteuer deutlich erhöht. Das verteuert potenziell Passagierflüge von deutschen Flughäfen. Im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD angekündigt, die Erhöhung zurückzunehmen. Dies ist bisher unter Hinweis auf knappe Kassen aber nicht passiert.
Die Steuer für Starts von deutschen Flughäfen war 2011 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung zur Etatsanierung eingeführt worden. Im Inland und auf Kurzstrecken sind pro Flug 15,53 Euro fällig, für Mittelstrecken 39,34 Euro und für fernere Ziele 70,83 Euro. Zahlen müssen dies die Fluggesellschaften.
Söder: Deutsche Wirtschaft extrem unter Druck
CSU-Chef Markus Söder betonte den Ernst der ökonomischen Lage. „Die deutsche Wirtschaft steht nach wie vor extrem unter Druck“, sagte der bayerische Ministerpräsident. „Da arbeiten wir hart dagegen.“ Klares Ziel sei, Investitionen in Deutschland zu ermöglichen und Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen.
Der vergünstigte Industriestrompreis sei eine Antwort insbesondere für Branchen wie Chemie, Glas, Keramik, aber auch den Maschinenbau, so Söder weiter. Die geplante Senkung der Ticketsteuer für Starts von deutschen Flughäfen sei „ein klares Signal, dass Fliegen in Deutschland wettbewerbsfähig ist.“
Bas und Klingbeil sprechen von „Zeichen der Handlungsfähigkeit“
Die SPD-Vorsitzenden Bärbel Bas und Lars Klingbeil wollten die Beschlüsse als Zeichen der Handlungsfähigkeit der oft konfliktreichen Koalition verstanden wissen. Sie sei froh über die Vielzahl der Ergebnisse, sagte Bas in Berlin. Klingbeil ergänzte: „Wir machen unsere Hausaufgaben als Regierung.“
Bas sagte, die Koalition beweise, dass die demokratische Mitte auch zu Entscheidungen komme. „Wir zeigen, dass wir Kompromisse finden, auch wenn wir uns gelegentlich streiten.“ Heute sei dies aber „noch nicht“ passiert, so Bas, bevor das Spitzengespräch am Abend noch einmal weitergehen sollte.
Der SPD-Chef betonte: „Wir treffen Entscheidungen, und wir liefern.“ Fortschritt statt Blockaden habe die Koalition versprochen. Das werde nun umgesetzt. Zudem gebe es zahlreiche neue Gesetze und Projekte, die bereits im Parlament beraten würden – über 20 zweite/dritte Lesungen allein in diesen Tagen. „Ich halte alle Probleme und Herausforderungen, die wir in diesem Land haben, für lösbar.“
„Wir standen im Wort“
Bas hob die Bedeutung der industriepolitischen Entscheidungen hervor, angesichts der „großen Unsicherheit“ insbesondere in der Industrie. „Wir standen im Wort.“ Nun habe die Koalition das Versprechen an die besonders etwa von hohen Strompreisen betroffenen Branchen gehalten, dass schnell gehandelt werde. An die Unternehmen richtete die SPD-Chefin und Arbeitsministerin ausdrücklich die Aufforderung, jetzt auch diese Entscheidungen dafür zu nutzen, Standortsicherheit und Beschäftigungssicherheit zu geben.
Noch keine Einigung gibt es indes bei den strittigen Themen Verbrenner-Aus und Rente. Seit Monaten streitet die Koalition um die Frage, ob neue Autos mit Verbrennermotor nach 2035 doch noch zugelassen werden dürfen. Dies ist nach der geltenden EU-Regelung nicht mehr möglich, Brüssel ist aber bereit, dies zu überarbeiten. Beim Thema Rentenreform drohen jüngere Unionsabgeordnete wegen einer zu großen Belastung künftiger Generationen mit einer Blockade. (mit Agenturen)
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