
© Lea Fiehler
„Wichtig, dass man zusammen auf die Straße geht“: Mehrere Demonstrationen in Berlin zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen
43.000 Frauen sind laut der Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen 2024 Opfer gewalttätiger Übergriffe geworden. In Berlin gingen viele Frauen und auch Männer auf die Straße.
Stand:
Zum internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen sind am Dienstag zahlreiche Menschen in Berlin auf die Straße gegangen. So hatte ab 16 Uhr etwa ein Bündnis zu einer Demonstration mit dem Motto „Kürzt ihr uns zu Tode?! – Lasst uns gewaltfrei leben!“ am Brandenburger Tor aufgerufen.
Zu Beginn der Demo wurde es kurz still rund um das Berliner Wahrzeichen. Zahlreiche Menschen hielten für einen Moment inne. Unter ihnen einige Männer, aber vor allem viele Frauen – einige mit Plakaten in den Händen: „Täter sind keine Opfer“ und „Stoppt Femizide“ stand darauf. Sie gedachten jener, die an diesem Tag nicht mehr mit ihnen demonstrieren konnten. Sie erinnerten an die Frauen, die Opfer eines Femizids geworden sind, also aufgrund ihres Geschlechts getötet wurden.

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„Ich finde es wichtig, dass man zusammen auf die Straße geht. Dass Frauen und Flinta-Personen sich zusammenschließen, da wir häufig diejenigen sind, die am leisesten sind und nicht gehört werden“, sagte Teilnehmerin Nora.
Auch die Omas gegen Rechts waren bei der Kundgebung dabei. „Wir sind Frauen, die viel erlebt haben“, sagte Angelika, „auch Gewalt“. Heute auf die Straße zu gehen, sei für sie Pflicht, um ein Zeichen für ihre Enkel und ihre Töchter zu setzen. „Wie jedes Jahr“, sagte sie.
Zu den Organisatoren der Demonstration am Brandenburger Tor zählten die Arbeiterwohlfahrt, die Berliner Initiative gegen Gewalt an Frauen (Big), der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, das Frauenzentrum Ewa, der Frauen*treff Undine und der Verband Alleinerziehender Mütter und Väter.
Plätze in Frauenhäusern reichen nicht aus
„Wir gehen auf die Straße, weil Gewaltschutz in Berlin absolut nicht ausreichend umgesetzt wird“, sagte Big-Sprecherin Nua Ursprung. In Berlin gebe es 477 Schutzplätze in Frauenhäusern. Um den Vorgaben der Istanbuler Konvention – ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt – gerecht zu werden, bräuchte es ihren Angaben nach mehr als doppelt so viele. Neben den Frauenhäusern gibt es auch Plätze in sogenannten Zufluchtswohnungen.
„Wir müssen jeden Tag 10 bis 15 Schutzsuchenden sagen, tut mir leid, es ist nichts frei“, sagte Ursprung. Die Big bietet unter der 030 611 03 00 rund um die Uhr telefonische Beratung bei häuslicher Gewalt an. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter helfen unter anderem bei der Weitervermittlung an ein Frauenhaus. Jeden Monat kämen 700 bis 900 Anrufe rein, sagte Ursprung. Nicht nur Betroffene selbst, auch Angehörige können sich melden.
Senatsverwaltung will Angebot ausbauen
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hisste vor dem Roten Rathaus am Dienstag eine Fahne mit der Aufschrift „Frei leben ohne Gewalt“.
Die Senatsverwaltung für Gleichstellung teilte mit, dass in den kommenden Monaten weitere Schutzplätze geschaffen werden sollen. Zudem solle ein Gremium künftig die Realisierung des Berliner Landesaktionsplans zur Umsetzung der Istanbul-Konvention fachlich begleiten. „Gewalt gegen Mädchen und Frauen hat in Berlin keinen Platz – weder zu Hause, noch auf der Straße und auch nicht im digitalen Raum“, betonte Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD).
Neues Frauenhaus geplant
Aus dem Sondervermögen des Bundes soll in Berlin für zehn Millionen Euro ein neues Frauenhaus entstehen. Die SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus kündigte in einer Mitteilung erneut an, dass alle geplanten Kürzungen im Haushaltsentwurf des Senats bei Projekten zum Schutz von Frauen zurückgenommen werden. Nach Angaben der SPD sollen weitere 16 Millionen in den Ausbau von Frauenschutzplätzen investiert werden.
Laut Ursprung braucht es nicht nur mehr Schutzplätze, sondern auch mehr Prävention. Zum Beispiel verpflichtende Täterkurse für Männer, die schon einmal gewalttätig geworden sind. Kinder müssten bereits in der Schule lernen, wie man sich gewaltfrei verhalte und dass man nie über das Leben einer anderen Person bestimmen dürfe. Wichtig sei aber auch, dass sie lernten, Anzeichen von Gewalt zu erkennen und sich Hilfe zu holen. Die Big führt seit mehreren Jahren entsprechende Präventionsarbeit an Berliner Schulen durch. Weil Mittel gekürzt wurden, laufe das Projekt dieses Jahr vorerst aus, sagte Ursprung.
Aushänge in Bussen und Straßenbahnen
In allen Bussen und Straßenbahnen der BVG wurden am Dienstag Flyer mit Informationen zu Hilfsangeboten aufgehängt. Für die Aktion verantwortlich sind ein Bündnis aus der Senatsverwaltung für Gleichstellung, den bezirklichen Gleichstellungs- und Frauenbeauftragten und der BVG.
In Berlin wurden 2024 mehr als 12.500 Frauen von ihrem Partner attackiert. Das sind nur die Fälle, die gemeldet wurden. Die Dunkelziffer im Bereich häusliche Gewalt ist hoch. (mit dpa)
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