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Bürgerliches Westend. Wurde der damals 16-jährige Sohn zum Mörder? Oder gibt es einen Freispruch?

© dpa

Urteil nach Mord in Berlin-Westend erwartet: 10 Schüsse und 13 Monate später

Nach dem Mord an einem Steuerberater in Westend wird nun das Urteil erwartet. Seinen angeklagten 17-jährigen Sohn erwarten bis zu achteinhalb Jahre Haft - oder ein Freispruch.

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Keine Tatwaffe, kein Geständnis, aber Indizien und Aussagen von Mitarbeitern der Kanzlei: Nach 25 Verhandlungstagen im Prozess um die tödlichen Schüsse auf Steuerberater Ingo W. steht ein Urteil bevor. Wurde der damals 16-jährige Sohn zum kaltblütigen Mörder? Der Staatsanwalt sieht die Schuld des Schülers als erwiesen an. Achteinhalb Jahre Jugendhaft verlangte er. Der Verteidiger konterte nun: „Es gibt keinen sicheren Nachweis, dass mein Mandant der Täter ist.“ Der Anwalt plädierte auf Freispruch. Donnerstag soll das Urteil verkündet werden.

Der inzwischen 17-Jährige schwieg, als er vor knapp einem Jahr verhaftet wurde. Er verweigerte auch in dem nichtöffentlichen Prozess die Aussage. Der jüngere von zwei Söhnen soll sich in einem eskalierenden Familienstreit am 12. August letzten Jahres mit einem Schlüssel Zugang zur Kanzlei des Vaters in Westend verschafft und ohne Vorwarnung abgedrückt haben. Zehn Schüsse fielen. Fünf trafen den Notar und Steuerberater. Der 49-Jährige starb etwa eine Stunde später in einem Krankenhaus.

Schmauchspuren an der Hand des Angeklagten

Man fand Schmauchspuren an der Hand des Angeklagten. „Zwei Partikel waren es“, sagte sein Verteidiger. Bei der Mutter des Jugendlichen und dem zwei Jahre älteren Bruder sei die Spurenlage diesbezüglich gleich gewesen. Nur zwei kleine Partikel – „die Schmauchspuren lassen keine sicheren Feststellungen zu“, zeigte sich Anwalt Dirk Lammer überzeugt. Es gibt auch DNA-Spuren des Gymnasiasten, die ihn aus Sicht der Anklage belasten. Auf sechs der zehn am Tatort sichergestellten Patronenhülsen befand sich DNA des 17-Jährigen. Fest steht: Er hatte Kontakt. „Aber er kann die Patronen irgendwann in den letzten Jahren in der Hand gehalten haben“, so der Verteidiger.

Für den Staatsanwalt waren Aussagen von zwei Mitarbeiterinnen der Kanzlei von starkem Gewicht. Der Verteidiger aber kritisierte: Die Angaben der Frauen seien nicht konstant gewesen und somit kein sicherer Nachweis. So habe eine Zeugin, die nach den Schüssen die Polizei rief, am Telefon erklärt, es müsse einer der Söhne gewesen sein; sie könne aber nicht sagten, welcher es war. Vor Gericht habe sie erklärt, dass sie den Jüngeren erkannt habe. Nur Sekunden vor den Schüssen habe sie die Hand eines männlichen Jugendlichen gesehen, die die Tür zur Kanzlei zuzog. Der Arm habe in einem blauen Shirt gesteckte. Ein solches Shirt habe sie vorher beim Angeklagten gesehen. Kurz darauf habe es geknallt.

Auch Fragen zum Motiv bleiben offen

Fragen werden auch zum möglichen Motiv bleiben. Da die Familie von ihrem Schweigerecht Gebraucht machte, bleiben den Juristen nur Vermutungen. Der Ankläger hielt eine Verzweiflungstat eines pubertierenden Jungen für möglich, der sich im eskalierenden Streit der Eltern nicht anders zu helfen wusste.

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