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Berlin: 100 Jahre alter Nachlass eines Generals in Spandau entdeckt

Es war eine kleine Sensation: Unter dem Dach eines alten Hauses in Spandau wurde jetzt der fast vollständige, teilweise über 100 Jahre alte Nachlass des einstigen Direktors der preußischen Geschützfabrik entdeckt. Der Fund soll komplett erhalten und der Öffentlichkeit gezeigt werden.

Es war eine kleine Sensation: Unter dem Dach eines alten Hauses in Spandau wurde jetzt der fast vollständige, teilweise über 100 Jahre alte Nachlass des einstigen Direktors der preußischen Geschützfabrik entdeckt. Der Fund soll komplett erhalten und der Öffentlichkeit gezeigt werden. Das Bezirksamt hat nach Angaben von Kunstamtsleiterin Andrea Theissen gestern beschlossen, die benötigten 55 000 Mark für den Erwerb der Hinterlassenschaft bereitzustellen.

Spandau war einst die Waffenschmiede Preußens. Die Geschützgießerei im Stresow wurde als letzte der Rüstungsfabriken 1855 eröffnet. Deren letzter Direktor im Generalsrang war Ernst Hammler, der 1922 auch die Leitung der daraus hervorgegangenen Deutschen Industriewerke übernahm. Nach seinem Tod 1953 blieb Ehefrau Hedwig in der einstigen Dienstvilla wohnen.

Bis sie 1983 - wenige Tage vor ihrem 100. Geburtstag - starb, wurde die Witwe viele Jahre von ihrer Hausdame, Luzia Lutterberg, betreut. Während Hedwig Hammler das Haus einer kirchlichen Einrichtung vermachte, sicherte sie ihrer Betreuerin lebenslanges Bleiberecht in der Personalwohnung im Dachgeschoss zu. Die Überlassung der Einrichtung der Generalswohnung soll sie ihr ebenfalls zugesagt haben. Da das im Testament aber nicht klar geregelt war, kam es zur Versteigerung. Mit geerbten 50 000 Mark und von Verwandten geborgtem Geld kaufte Luzia Lutterberg damals einen Großteil der Hinterlassenschaft zurück und bewahrte ihn seitdem in ihren Räumen auf. Heute lebt sie 89-jährig bei Familienangehörigen in der Nähe von Göttingen.

Als der in München beheimatete Neffe Friedhelm Zach jetzt in Spandau nach dem Rechten sah, wurde erst das Ausmaß der historischen Hinterlassenschaft deutlich. Die gesamte Einrichtung von preußischem Salon, Damen- und Arbeitsraum, Ess- und Schlafzimmer ist im Bestzustand erhalten: insgesamt 80 Möbelstücke, zumeist wohlgefüllt mit einer Vielzahl von Dokumenten und Gebrauchsgegenständen. Ein Dankschreiben des Kaisers gehört ebenso dazu wie ein Tablett mit winzigen Kaviarschälchen und -löffelchen aus Kristall. Dazu kommen eine Sammlung chinesischer Vasen, Silberbesteck von 1861, Pokale, Porzellan aus Meißen und aus der KPM und fast die gesamte Aussteuer Hedwig Hammlers. Im Schlafzimmer stapeln sich die komplette Garderobe und die Waschutensilien der Generalsfrau.

"Es sieht aus, als wurde 100 Jahre lang nichts weggeworfen", sagt der pensionierte Kunstamtsleiter Gerd Steinmöller. Er war von der Familie angesprochen worden, die möchte, dass der Nachlass der Generalsfamilie in Spandau bleibt und nur die Summe der Erbschaft verlangt, die Luzia Lutterberg vor 16 Jahren geopfert hat. Steinmöllers Nachfolgerin Andrea Theissen, zugleich Leiterin des Heimatmuseums auf der Zitadelle, spricht von einem bedeutsamen Fund, der es ermöglichen wird, das großbürgerliche Leben im Spandau der vergangenen Jahrhundertwende darzustellen.

Rainer W. During

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