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Berlin: 20 000 übten Kritik an Kassen-Allmacht und am "VEB Gesundheitskombinat Andrea Fischer"

Die Botschaften der rund 20 000 Pflegekräfte, Therapeuten, Hebammen, Arzthelferinnen, Ärzte und Zahnärzte waren nicht immmer eindeutig: "St. Josefskrankenhaus Freiburg" stand auf dem Pappschild einer 50-jährigen Stationsschwester, die zum ersten Mal bei einer Demonstration mitlief, zu der gestern vor allem Frauen aus allen Teilen Deutschlands mit Sonderzügen und Bussen in die Ost-Berliner City kamen: "Wir haben immer weniger Zeit für unsere chronisch kranken Patienten.

Die Botschaften der rund 20 000 Pflegekräfte, Therapeuten, Hebammen, Arzthelferinnen, Ärzte und Zahnärzte waren nicht immmer eindeutig: "St. Josefskrankenhaus Freiburg" stand auf dem Pappschild einer 50-jährigen Stationsschwester, die zum ersten Mal bei einer Demonstration mitlief, zu der gestern vor allem Frauen aus allen Teilen Deutschlands mit Sonderzügen und Bussen in die Ost-Berliner City kamen: "Wir haben immer weniger Zeit für unsere chronisch kranken Patienten. Die Arbeitsbelastung nimmt stetig zu, weil Kassen und Politik gnadenloses Sparen verordnen", erläutert die Krankenschwester den Grund ihrer Berlinreise. Opfer der Gesundheitsreform seien hilflose Patienten, und sie habe Angst um die Existenz ihres kleinen 270-Betten-Hospitals.

Mit Jazzmusik, Sirenen und Trillerpfeifen warben Beschäftigte des Gesundheitswesens um Aufmerksamkeit, auf Transparenten gegeißelt wurden neben der grünen Bundesministerin - "VEB Gesundheitskombinat Andrea Fischer" - insbesondere die Krankenkassen: "Nieder mit der Kassen-Allmacht" oder "Seht Euch an die Kassen, wie sie prassen". Durch gelbe Kappen mit dem Slogan "Rot-Grün schafft (Zahn)-Lücken" fielen Hunderte von Zahnärzten samt Praxispersonal auf: "Wir sind zu dritt hier, die 22 Mark für das Sonderzug-Ticket habe ich gern spendiert", sagte ein Zahnarzt aus Osnabrück. Der 42-Jährige mache bei Kassenpatienten "nur noch Verluste", ohne Privatversicherte stünde er vor der Pleite: "Die Gesellschaft sollte ehrlich darüber streiten, was ihr Gesundheit wert ist und dafür dann entsprechend bezahlen", meinte der Doktor. Die Patienten hätten höchste Ansprüche, "doch die Kassen gaukeln ihnen wider besseres Wissen vor, das Geld reiche für alles". Optimale Gesundheit zum Kassentarif sei unmöglich, "für schöne Autos geben die Leute doch auch gern ein bisschen mehr aus". Die Lösung sieht der Osnabrücker Zahnarzt in privater Zusatzversicherung für "Wahlleistungen", nur "Basismedizin" solle die Kasse zahlen. Für ein solches Finanzierungsmodell sprechen sich auch FDP-Politiker aus.

Wie schon heute "Zwei-Klassen-Medizin" praktiziert werde, schilderte eine 27-jährige Krankengymnastin aus Reinickendorf: "Einige Orthopäden gewähren Physikalische Therapie für Kassen-Patienten etwa bei Hexenschuss nur noch auf Privatrezept, um ihr Praxisbudget zu schonen." Wer Krankengymnastik auf Kassenkosten haben wolle, müsse vielfach lange nach einem Doktor suchen: Die größten Opfer des Spardrucks, so die Therapeutin, seien nichtärztliche Heilberufe, "bei teurer und oft überflüssiger High-Tech-Medizin wird kaum gespart".

bk

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