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50.000 Menschen tanzten im Vorjahr beim Zug der Liebe.

© Maurizio Gambarini/dpa

Raver ziehen gegen rechte Tendenzen durch die Stadt: 50.000 Menschen bei Zug der Liebe erwartet

Am Sonnabend tanzt der Zug der Liebe wieder durch die Stadt. Diesmal demonstrieren die Raver gegen rechte Tendenzen. Was hinter dem Techno-Rave steckt.

[Zug der Liebe, 24. August, 13 bis 22 Uhr, Treffpunkt am Schlesischen Busch in Treptow, Infos unter www.zugderliebe.org.]

Zu Techno tanzen und dabei die Welt retten – beim Zug der Liebe geht es stets um die großen Themen. Seit 2015 demonstrieren die Raver für Nächstenliebe, Pressefreiheit oder Engagement gegen Rechts. 50.000 Menschen waren es im Vorjahr. Am Sonnabend dürfte es wieder voll werden: 23 Wagen, bespielt von Berliner Clubkollektiven und unterstützt von zahlreichen Vereinen, ziehen durch Kreuzberg und Friedrichshain. Mit dabei sind die Kollektive Hangar Techno, Kombinat Klang und Vereine wie Moabit Hilft, der Straßenfeger oder die Clubcommission. Ihr Motto „30 Jahre Mauerfall – weg mit Meinungsmauern“.

Raven gegen Rechts

Die Organisatoren wollen sich auch gegen rechte Tendenzen positionieren – gerade wegen der bevorstehenden Wahlen. „Wir erleben zurzeit eine Rückentwicklung“, sagt Jens Schwan, der den Zug seit Beginn organisiert. Er lebte in Ost-Berlin, „als Punk“ war er bei den Demonstrationen 1989 dabei. Damals habe man für die Freiheit demonstriert. Heute glaube eine kleine, laute Minderheit, wieder in einer Diktatur zu leben – weil die Freiheit ihnen Probleme bereite. „Nach 30 Jahren kann man sich nicht mehr in die Opferhaltung begeben und sagen, dass der Westen an allem schuld ist“, sagt Schwan.

Nicht nur der Mauerfall ist mittlerweile 30 Jahre her, sondern auch die erste Loveparade. Nach der Tragödie in Duisburg 2010 fand die Großveranstaltung ein abruptes Ende. Doch wenngleich der Name ähnlich klinge, habe man mit der Loveparade nichts zu tun, betont Schwan. Das Konzept sei von Anfang an anders gewesen: Die Demoroute läuft nicht auf der Straße des 17. Juni, es gibt keine Hymne und keine Superstar-DJs.

Dafür elektronische Musik von Berliner Kollektiven. Sie ist essentiell für das Konzept der Rave-Demo. Zuletzt haben viele Organisatoren-Teams den Stil übernommen. Demonstrationen wie „AfD Wegbassen“ ziehen zehntausende Menschen an. „Wir bereichern und beeinflussen uns gegenseitig“, sagt Schwan. Andere Massendemos stehen zum Teil in der Kritik, da sie Partylustige und politische Aktivisten mit widersprüchlichen Ansichten versammeln – und auch Platz für umstrittene Gruppen bieten. Beim Zug der Liebe positioniert man sich deutlich: Rechte, Querfrontler oder den antiisraelischen BDS lasse man nicht zu.

Verzicht auf Kommerz birgt Risiken

Auch auf Kommerz verzichten die Macher. „Für uns war immer klar, dass wir daran keinen Pfennig verdienen dürfen, sonst wären wir nicht glaubwürdig“, sagt Schwan. Dadurch sind die Veranstalter abhängig von Crowdfunding, den Einnahmen aus der After-Party und viel privatem Engagement. Das kann auch schiefgehen: 2017 machte das Team mehrere 1000 Euro Miese, da die Party wegen schlechten Wetters nur schwach besucht war. In diesem Jahr lief das Crowdfunding besonders gut: fast 20.000 Euro. „Ohne das wäre es vorbei gewesen“, sagt Schwan. Trotzdem finanzieren die Veranstalter und Kollektive immer noch einen Großteil aus eigener Tasche. Etwa 100.000 Euro geben sie jährlich für Flyer, Funkgeräte und alles andere aus.

Deswegen wird jedes Jahr aufs Neue geplant – das bedeutet auch Stress. Im Vorjahr waren die drei Veranstalter kurz davor, alles hinzuwerfen, der Aufwand war zu groß. „Aber plötzlich bekamen wir viele Anfragen von Freunden, die mithelfen wollten“, sagt Schwan.

Mittlerweile sind 30 Menschen im Team. Damit lässt sich Arbeit delegieren. Und auch der Verein Zug der Liebe hat mittlerweile viele Mitglieder, die sich außerhalb der Demonstrationen sozial engagieren: beim Picknicken mit Geflüchteten, beim Aufräumen im Park oder Besuchen in der Tiertafel. Darin sieht Schwan eine Zukunft für die Veranstaltung, sollte die einmal nicht mehr so erfolgreich laufen. Zunächst freut er sich aber auf den nächsten Zug der Liebe. „Am schönsten ist der Moment, wenn die Musik angeht".

Anima Müller

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